Lachen will gelernt sein

Humorcoachings

Es muss ein kurioses Bild gewesen sein, das sich den Leuten im Berufsverkehr zwischen New Jersey und New York bot. Mitten im Blechmeer frustrierter Autofahrer saßen in einem Fahrzeug zwei Herren, der eine war mit einer Schweinenase, der andere mit einem Elefantenrüssel ausgestattet.

Die beiden Herren waren keine Verrückten, auch keine Geburtstagsclowns auf dem Weg zum nächsten Gig. Es handelte sich um Paul E. McGhee und Willibald Ruch, zwei angesehene Psychologen, der eine aus den USA, der andere aus Österreich. Die Nasenaktion war für sie Feldforschung, denn McGhee und Ruch beschäftigen sich seit vielen Jahrzehnten mit Humor. „Ich fand das erst albern, aber die Wirkung war erstaunlich“, erinnert sich Ruch, der heute Professor für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich ist. „Die Leute um uns herum, die ansonsten furchtbar gestresst waren, entspannten sich plötzlich.“ Auch er selbst habe sich über die Aktion diebisch gefreut und in die eigene Kindheit zurückversetzt gefühlt.

Das Experiment der Psychologen zeigt: Humor kann eine positive Wirkung haben, sowohl auf denjenigen, der ihn zeigt, als auch auf jene, die ihn erleben. Damit stellt sich die Frage: Kann man diesen gezielt einsetzen, etwa als Führungskraft, die für das eigene Team eine bessere Arbeitsatmosphäre schaffen will? Das Angebot an Humorcoachings für Führungskräfte, das seit Jahren wächst, zeigt zumindest, dass diese Idee eine gewisse Kraft entfaltet hat. Aber geht das wirklich: Humor erlernen? Und wie viel bringt der gezielt gestreute Witz tatsächlich im Berufsalltag?

Die Suche nach dem inneren Kind

Eva Ullmann ist schon von Berufs wegen davon überzeugt, dass man Humor erlernen kann, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Sie leitet das Deutsche Institut für Humor und bietet dort Trainings, Seminare und Vorträge an. „Humor ist wie Gesang, einige haben eine natürliche Begabung dafür, andere haben große Schwierigkeiten damit“, sagt sie. Aber es gehe bei solchen Trainings gar nicht darum, so lustig wie ein professioneller Komiker oder eine Kabarettistin zu werden. „Es geht mehr darum, Humor greifbarer zu machen“, erklärt Ullmann. Dabei könne jeder Mensch auf einen Erfahrungsschatz zurückgreifen. „Als Kind haben wir zum Beispiel unseren Schuh als Telefon benutzt oder Streiche gespielt“, führt sie aus. Auf diese Erfahrungen könne man aufbauen.

Eine Theorie, die auch der Psychologe Willibald Ruch unterschreiben würde. „Humor ist ein Spiel, etwas Kindliches, das wir im Laufe der Zeit aufgeben“, sagt er. Menschen würden ernster, auch weil sie ansonsten als unseriös empfunden würden. Ruch hat bereits vor 20 Jahren Studien durchgeführt, die zeigen sollten, dass Humortrainings funktionieren. Sein Ergebnis: „Nach zwei Monaten waren die Teilnehmer unserer Studie deutlich heiterer.“ Und das nicht nur in der Eigenwahrnehmung, auch ihre nahes Umfeld bestätigte die gesteigerte Heiterkeit. „Und auch einige Zeit nach der Studie war dies noch so“, ergänzt Ruch.

Gerade diese langfristige Wirkung ist aber gar nicht einfach zu erreichen. Wie bei jeder Fortbildung ist die Gefahr groß, dass einige Wochen danach die neuen Erkenntnisse schon wieder dem alten Trott gewichen sind. René Proyer, Professor am psychologischen Institut der Universität Halle-Wittenberg, rät deswegen, auf Erinnerungsstützen zu setzen. „Ein Humortagebuch kann zum Beispiel helfen“, erklärt der Psychologe. „Oder Sie erzählen jeden Abend vom lustigsten Ereignis des Tages.“ So schaffe man neue Gewohnheiten und sorge dafür, dass das Gelernte nicht sofort wieder in Vergessenheit gerät.

Humor als Krisenhilfe

Nun ist es sicher schön, wenn man selbst lustiger ist und auch in der Beziehung mehr gelacht wird als früher. Nur: Was bringt das einer Führungskraft? „Selbstverständlich muss niemand im Büro lustig sein“, sagt Trainerin Ullmann. „Aber wohldosierter Humoreinsatz kann doch beim Führen helfen.“ Vor allem könne er die Atmosphäre lockern und entspannen. „Mit Humor können Sie auch ein eigentlich langweiliges Thema etwas spannender machen.“

Gerade in krisengeprägten Zeiten hält Ullmann Humor für wichtig. „Zwischen Corona und Krieg kommt niemand mehr zum Aufatmen, gerade da kann es helfen“, sagt sie. Natürlich sei es schwer, in solch schwierigen Zeiten die lustige Seite zu sehen. Aber über die Erklärung der neuseeländischen Premierministerin, dass der Osterhase in Pandemiezeiten systemrelevant sei und arbeiten dürfe, darüber könne man dann doch lachen.

Jedoch sollten Vorgesetzte auf keinen Fall zu derb vom Leder ziehen, gerade wenn es um eigentlich ernste Themen geht. Zynismus und Sarkasmus sind eher Stimmungskiller, das bestätigt auch Willibald Ruch. „Im Gegensatz zu wohlwollendem Humor senkt das tendenziell sogar die Lebensqualität“, warnt er. Ein perfektes Beispiel für misslungenen Sarkasmus in schwierigen Zeiten war die #allesdichtmachen-Kampagne einiger deutscher Schauspielerinnen und Schauspieler im April 2021, die sich bissig mit Sinn und Unsinn von Coronamaßnahmen auseinandersetzte. Den ausgestellten Zynismus werteten viele als Taktlosigkeit, mehrere der Beteiligten verbrachten Wochen damit, sich für die Aktion zu rechtfertigen. „Selbst wenn man das grundsätzlich lustig finden würde, war es einfach der falsche Zeitpunkt“, konstatiert Ullmann. „Die Menschen waren zu angespannt, dieser satirische Ansatz konnte nicht funktionieren.“

Gelassenheit ist der beste Witz

Ein wichtiger Teil vieler Humorcoachings ist es dementsprechend, Menschen bei der Wahl des richtigen Humorstils zu helfen. Mit flapsigen Bemerkungen verbrannte Erde zu hinterlassen, ist dabei nur ein Risiko. „Viele Berufsgruppen haben auch einen sehr eigenen Humor, der außerhalb dieses Kreises nicht funktioniert“, sagt Ullmann. Dazu gehören etwa IT-Fachkräfte mit eher nerdigem Humor, aber auch Medizinerinnen und Ärzte, die aufgrund ihres Berufsalltags oft auch mit schwärzerem Witz zurechtkommen. „Ein Mediziner kann einem Patienten gegenüber nicht die gleichen Witze machen wie gegenüber seinen Kollegen“, sagt auch der Psychologe Proyer.

In der Praxis geht es also darum, allgemeingültige Techniken zu vermitteln, die in den meisten Kontexten funktionieren. „Übertreibung und Untertreibung passen meistens“, sagt Willibald Ruch. „Und es hilft, wenn Sie lustige Dinge im Alltag entdecken und benennen können.“ So wie eben den pandemierelevanten Osterhasen. „Wir erklären auch, wie man Bürokonflikte entschärft“, sagt Eva Ullmann. „Auf Beleidigungen nicht aggressiv zu reagieren, sondern humorvoll, fast schon unsinnig, ist eine gute Technik.“

Daniel Schade gehört zu den Führungskräften, die auf Humor im Alltag setzen. Er leitet den Bereich Wohnen bei der Jena Wohnen GmbH, einem Immobilienunternehmen aus Thüringen. „Gerade in meiner Branche war Humor lange nicht das Mittel der Wahl“, sagt er. Für ihn sei das aber schon immer unverständlich gewesen. Bereits seine Masterarbeit schrieb der heute 46-Jährige über Humor als Führungsstil in der Wohnungswirtschaft. „Mein damaliger Chef konnte das so gar nicht verstehen“, erinnert er sich. Doch er selbst setzt Humor mittlerweile bewusst ein. „Besonders über mich selbst lachen zu können, finde ich wichtig“, sagt er.

Er räumt aber auch ein, dass das nicht bei allen aus dem Kollegium gut ankommt. „Die empfinden das als mangelnde Distanz zu mir als Chef und wissen nicht, wie sie es nehmen sollen.“ Auch sei das Über-sich-selbst-Lachen in der Immobilienbranche nicht verbreitet, zu wichtig sei vielen die Selbstdarstellung. Schade ermutigt auch seine Teammitglieder, humorvoller im gegenseitigen Umgang zu sein. Aber Druck erzeugen will der Manager auch nicht. „Es gibt Leute, die setzen nur einmal im Monat eine Pointe, aber die sitzt dann dafür richtig“, meint er. Für ein Unternehmen als Ganzes sei eine gewisse Lockerheit auch nicht falsch. Sei es im Marketing oder im Umgang mit Menschen, die sich auf Jobs bei ihm bewerben. Aber er schränkt ein: „Es muss schon authentisch sein. Sie können sich nicht als lustiges und cooles Unternehmen präsentieren, dann aber intern sehr klassisch und hierarchisch organisiert sein.“

Die Lehre aus Schades Erfahrungen: weniger ist mehr. Auch Psychologe Willibald Ruch weist darauf hin, dass der Humorbegriff mit der Zeit immer schwammiger geworden ist: „Früher hieß Humor lediglich: die Widrigkeiten des Lebens gelassen zu nehmen.“ Diese Urdefinition ist wohl auch die, die Führungskräfte am ehesten für sich nutzen können. Im Zweifelsfall also in der nächsten Stresssituation ruhig einmal die Schweinsnase aufsetzen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Humor. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Lars-Thorben Niggehoff ist freier Journalist und Mitgründer des Journalistenbüros Dreimaldrei in Köln.

Lars-Thorben Niggehoff

Lars-Thorben Niggehoff ist freier Journalist und Mitgründer des Journalistenbüros Dreimaldrei in Köln.

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