Feedback: Geschenk oder Gift?

Unternehmenskultur

Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Es ist Donnerstagabend um halb sieben, als endlich die E-Mail der Chefin ins Postfach flattert. Seit Tagen warten Sie auf dieses Feedback zu Ihrer Präsentation, an der Sie zwei Wochen lang hart gearbeitet haben. Sie öffnen die E-Mail – und Ihnen fällt schier alles aus dem Gesicht. Da steht allen Ernstes: „Hallo, auf Folie 47 stimmt der Zeilenabstand nicht und das Foto neben den Umfrageergebnissen wirkt esoterisch.“ Das ist alles?

Allein bei dem Wort „Feedback“ bekommen viele Führungskräfte und Mitarbeitende Magengrummeln. Und das aus gutem Grund. Viele von ihnen haben mit Feedbacks unschöne Erfahrungen gemacht, etwa weil sie sich in ihren Leistungen nicht gesehen fühlten, Pauschalurteilen ausgesetzt waren oder weil viele Feedbackgebende gerne verbal entgleisen. Zudem ist die ursprüngliche Bedeutung von Feedback als wohlmeinendes Angebot mit einer Freiwilligkeit auf beiden Seiten in unserer Gesellschaft tendenziell unbekannt. Das Wort wird zwar ständig verwendet, aber häufig als reiner Korrekturmodus verstanden. Zudem schüren einige Entwicklungen weitere negative Erfahrungen all jener, die Feedback empfangen.

Beruflich relevante Rückmeldungen erreichen die Mitarbeitenden schon lange nicht mehr nur im Jahresgespräch. Sie prasseln aus vielen Kanälen auf sie ein: Kundenumfragen und Sterne auf Bewertungsplattformen, Kommentare auf Social Media, 360-Grad-Feedbacks oder Team-Retrospektiven; selbst die Smartwatch gibt eine Rückmeldung zur aktuellen Performance – und die ist dabei vielleicht noch am objektivsten. Vielerorts ist der Ton rauer geworden. Diese verrückte Welt setzt manche Menschen so unter Stress, dass sie als Feedbackgebende kopflos, ungehalten oder boshaft austeilen. Sich das anzuhören, ob im Boardmeeting oder in der Kundenhotline, ist tatsächlich kein Geschenk.

Wartet nicht genau diese VUCA-Welt mit all ihren Krisen und Chancen darauf, dass Menschen mit Expertise Lösungen entwickeln? Tatsächlich gibt es nur wenige, die mutig für ihre Ideen einstehen. Dafür fühlen sich immer mehr Menschen zur Kritik berufen und halten ihren Daumen nach unten – ohne einen konstruktiven Gegenvorschlag einzubringen. Es scheint, als hätten viele eine Meinung, aber keine Ahnung. Ohne Frage ist es einfacher, einen Prototyp zu verreißen, statt ihn zu bauen und so erhalten gerade diejenigen, die etwas erschaffen und gestalten, vor allem Negativrückmeldungen. Mit Lob überschüttet werden nur wenige. Dieses Missverhältnis dürfte viele potenzielle Visionärinnen und Zukunftsgestalter unserer Gesellschaft entmutigen.

Wer die Karriereleiter erklimmen will, macht beim Thema Feedback trotz Magengrummelns gute Miene zum bösen Spiel. Schließlich gehört es zum guten Ton, vorzugeben, Feedback sei die Lernchance schlechthin. Still und heimlich ballen viele Leistungsträgerinnen und High Performer dabei die Faust in der Tasche, fühlen sich gekränkt, entmutigt und finden vor lauter Ärger nicht in den Schlaf. Viele High Potentials resignieren und beginnen zu verwalten, statt zu gestalten. Nicht selten folgen ein starker Produktivitätseinbruch, gesundheitliche Beeinträchtigungen und – je nach Feedbackkultur – sogar eine immense Fluktuation, die sich heute eigentlich kein Unternehmen mehr leisten kann. Und das alles, weil wir eines vergessen oder nie wirklich gelernt haben: Wie wir kompetent Feedback geben und auch ­nehmen.

Die ungünstige Entwicklung von kritischen Rückmeldungen von außen können wir kaum unterbinden. Umso wichtiger scheint es, dass zumindest die eigene Organisation ein Ort ist, an dem sich alle fair behandelt, gefördert und geschätzt fühlen. Um dies zu ermöglichen, haben einige Organisationen Feedbackrituale wie Jahresentwicklungsgespräche oder Team-Retros etabliert. Problematisch ist hierbei zweierlei: Zum einen sollten in modernen Unternehmen und im Rahmen von New Work nicht nur Führungskräfte ihren Mitarbeitenden, sondern alle Teammitglieder allen anderen Feedback geben. Somit muss jeder Kollege und jede Kollegin über Feedbackgeber-Kompetenzen verfügen, um gemeinsames Wachstum zu ermöglichen. Allein Führungskräfte darin zu schulen, reicht also nicht.

Zum anderen wurde flächendeckend versäumt, auch die Seite, die das Feedback erhält, darin zu schulen, dieses richtig zu lesen, sinnvolle Schlüsse daraus zu ziehen und sich, wo nötig, emotional davon zu distanzieren. Dieser Nachholbedarf ist ausdrücklich nicht nur bei der Generation Z zu finden. Und wo beispielsweise nach agilen Prinzipien gearbeitet wird, überfordert es immer noch zahlreiche Mitarbeitende, mit den täglichen Rückmeldungen durch Kunden oder Kolleginnen umzugehen. Schon gar nicht ist man heute darauf vorbereitet, was als Feedback getarnt über die Internetkanäle auf die Unternehmensangehörigen zukommt.

Was also können Sie in Ihrem Unternehmen anpacken? Schulen Sie sowohl Feedbackgeber- als auch Feedbacknehmer-Kompetenzen. Wenn alle diesbezüglich kompetent agieren, verringern Sie die Fluktuation und erhöhen die Weiterentwicklungsmöglichkeiten und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Erläutern Sie zudem den Unterschied zwischen Feedback, Lob und Kritik und klären Sie, wo Freiwilligkeit angemessen ist und wo Vorgaben einzuhalten sind.

Und bitte nicht vergessen: Nehmen Sie sich auch Zeit dafür, zu besprechen, was gut läuft.

Tipps für das Nehmen von Feedback

  • Versuchen Sie nicht, die Fülle an Feedback zu bekämpfen, sondern lernen Sie einen emotional unabhängigen Umgang damit, der Sie weder kränkt noch euphorisiert.
  • Kümmern Sie sich um Ihre wunden Punkte. Das ist Ihr Verantwortungsbereich.
  • Lernen Sie, Feedback neu zu lesen: Welche Agenda verfolgt die Feedback gebende Person? Inwiefern tragen die Unternehmenskultur oder lokale Traditionen zu Formulierungen bei?
  • Lob und Kritik sind nicht per se gut oder schlecht. Lobhudelei kann von fachlich wenig versierten Menschen kommen. Gehaltvolle Kritik von Koryphäen kann hingegen hohe Wertschätzung bedeuten.
  • Wertschätzen Sie Ihre Erfolge! Niemand kann besser einschätzen, was Sie alles auf dem Tisch haben und mit welchen Rahmenbedingungen Sie kämpfen.
  • Fragen Sie häufig nach Feedback, insbesondere von vertrauenswürdigen Menschen mit Expertise.
  • Gehaltvolles Feedback ist Arbeit. Bedanken Sie sich bei allen, die sich Mühe machen, Ihnen Feedback zu geben.
  • Antworten Sie auf Feedback nach eigenem Ermessen: Von „Danke!“ über „Das verstehe ich noch nicht“, „Aha – mal schauen, was ich damit mache“ bis zu einem „Das möchte ich so nicht stehen lassen“ ist alles möglich.

Tipps für das Geben von Feedback

  • Loben Sie mehr! Menschen nehmen Kritik viel leichter von jemandem an, von dem sie sich geschätzt fühlen.
  • Sollten Sie jemanden kritisieren wollen, machen Sie sich klar, was genau Sie vom anderen erwarten und formulieren Sie dies nachvollziehbar.
  • Loben oder kritisieren Sie ein Verhalten oder ein Arbeitsergebnis, nie den Menschen. Verzichten Sie auf Pauschalierungen, Übertreibungen oder Interpretationen. Benennen Sie konkret, was Sie gesehen oder gehört haben, welche Auswirkungen dies (möglicherweise) hat und welches Verhalten Sie sich wünschen.
  • Bei mehrmaligem Fehlverhalten von Mitarbeitenden sollten Führungskräfte Gespräche entsprechend der Eskalation in Inhalt und Ton stufenweise formulieren können.
  • Damit Feedback zum Alltag gehört, sollte es ständig, auch beiläufig gegeben und nachgefragt werden.
  • Lassen Sie sich Feedback zum Feedback geben.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Employee Lifecycle. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Theresa Maxeiner ist Geschäftsführerin des Weiterbildungsunternehmens Maxeiner & Nagel

Theresa Maxeiner

Theresa Maxeiner ist Geschäftsführerin des Weiterbildungsunternehmens Maxeiner & Nagel. Die Wirtschaftsingenieurin ist Autorin von Danke für nix! Das ultimative Feedback-Buch.

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