„Die Leute haben Bock, sich zu vernetzen“

Recruiting

Viele Unternehmen haben noch nicht verstanden, wie wichtig eine gute Candidate Experience ist. Der Personalmarketing-Experte Henner Knabenreich sieht da eine Menge Nachholbedarf. Im Interview erzählt er, was es dazu braucht und warum er unbedingt die Personaler miteinander vernetzen will.

Henner, das Thema Candidate Experience ist momentan in aller Munde. Du hast dich ja schon früh damit beschäftigt. Ist das nicht ein Thema, mit dem sich vor allem Berater beschäftigen? Schließlich war es doch auch früher nicht falsch, die Kandidaten ordentlich zu behandeln.
Sehr guter Punkt, Jan! Natürlich war es früher nicht falsch, Kandidaten ordentlich zu behandeln. Wertschätzung zu zeigen, ist immer gut. Allerdings hatten wir früher eine andere Marktsituation. Da waren definitiv die Unternehmen am Drücker, der Bewerber wurde als lästiger Bittsteller betrachtet. Das Blatt hat sich gewendet. Wir haben in vielen Bereichen einen Bewerbermarkt, der Bewerber kann sich seinen Arbeitgeber aussuchen. Und der nächste ist immer nur einen Mausklick entfernt. Als Bewerber, der seinen Marktwert kennt, werde ich mich für das Unternehmen entscheiden, das am besten zu mir passt und das in seinem Recruiting-Prozess zeigt, dass man es ernst mit mir meint und mir die verdiente Wertschätzung entgegenbringt. Es gibt allerdings noch genug Unternehmen, die das bis heute nicht realisiert haben. Insofern ist es nicht verkehrt, dieses Thema so hoch aufzuhängen und sogar einen Candidate Experience Award ins Leben zu rufen, um Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken. Und es ist nun mal so, dass Berater solche Themen vorantreiben und von der HR-Seite wenige Impulse kommen.

Was ist für dich bei dem Thema entscheidend? Wann kann man vor allem von einer guten Candidate Experience sprechen?
Für mich ist entscheidend, dass dem Bewerber gegenüber Wertschätzung ausgedrückt wird. Und das an allen Punkten, bei denen der Kandidat während seines Bewerbungsprozesses mit dem Unternehmen zu tun hat. Vom ersten Kontakt beispielsweise durch eine Stellenanzeige oder Messeauftritt über eine nutzerfreundliche Karriere-Webseite und eine wertschätzende Bewerberkorrespondenz bis hin zu einem Vorstellungsgespräch mit gut vorbereiteten Recruitern. Doch da ist noch lange nicht Schluss. Die Candidate Experience schließt ebenfalls entsprechende Vertragsverhandlungen mit ein, einen reibungslosen Onboarding-Prozess und die eigentliche Einstellung. Es geht quasi darum, dem Bewerber ein echtes Candy Date zu garantieren.Patzt ein Unternehmen nur an einem dieser Punkte, kann man kaum noch von einer guten Candidate Experience sprechen.

Ist eine gute Candidate Experience auch eine Frage von Ressourcen?
Definitiv. Ohne die entsprechenden Ressourcen kann ich kaum eine solche Candidate Experience gewährleisten. Wie Wolfgang Brickwedde schon ganz richtig bemerkt, funktioniert eine gute Candidate Experience nur mit einer guten Recruiter Experience. Da scheitert es dann aber oft dran, weil der Stellenwert von Personalmarketing und Recruiting in wenigen Unternehmen wirklich in den Chefetagen angekommen ist. Der Personaler ist in vielen Unternehmen das Mädchen für alles und macht Personalmarketing und Recruiting neben dem sonstigen Tagesgeschäft. Mal eben eine Stellenanzeige dort schalten, was man eben kennt. Und zusätzliches Budget? Eine zusätzliche Stelle? Dafür ist kein Geld da. Von einer Strategie sind die meisten Unternehmen meilenweit entfernt.

Du bist neben deiner Berater-Tätigkeit auch sonst ziemlich umtriebig. Was macht die Goldene Runkelrübe? Schon einige Anwärter-Videos beziehungsweise -Anzeigen gesammelt?
Wir bekommen immer wieder wunderbare Anwärter zugeschickt – seien es peinliche Stellenanzeigen, Karriereseiten oder Recruiting-Videos. Allerdings bekommt die goldene Runkelrübe aktuell ein neues Zuhause, deswegen sind diese wunderbaren Beispiele noch nicht sichtbar. Wir freuen uns aber über jede Einsendung unter pfuipfuipfui@goldenerunkelruebe.de. Und demnächst gibt’s die dann auch live und in Farbe zu sehen. Spannend sind in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse einer Studie zu Stellenanzeigen, deren Ergebnisse im Oktober veröffentlicht werden.

Ist deiner Beobachtung nach die Ansprache der Kandidaten inzwischen besser geworden? Haben die HRler dazugelernt?
Ja und nein. Diejenigen, die von der Goldenen Runkelrübe gehört haben, sind vorsichtiger geworden und überlegen sich dreimal, ob sie mit einem bestimmten Anzeigenmotiv oder dem Video auf die Bewerber losstürmen. Am stärksten stelle ich die Auswirkungen aber wirklich bei Videos fest. So richtig peinliche Videos findet man wirklich nur mit der Lupe. Eigentlich schon irgendwie schade. Auch zeigen Awards wie beispielsweise der Best Recruiters Award, dass ein Umdenken stattfindet. Und wir HR-Blogger tragen ebenfalls etwas dazu bei, dass sich die Welt für Bewerber zum Besseren wendet.

Zurzeit bist du auch mit der ersten HR-Night beschäftigt, die du organisierst, eine Party am ersten Messetag der Zukunft Personal, bei der die HRler kräftig netzwerken sollen. Siehst du in Sachen Netzwerken noch Nachholbedarf bei den Personalern im Vergleich zu anderen Professionen?
Ja, den gibt es definitiv. Was die anderen Professionen angeht, so kann ich das nicht beurteilen, das ist nicht meine Spielwiese. Ich kann nur für HR sprechen. Und hier gibt es definitiv massiven Handlungsbedarf und das Bedürfnis nach unkomplizierter Vernetzung. Das zeigt beispielsweise der Personalblogger, auf dessen Facebook-Gruppe ein sehr reger Austausch zu Themen stattfindet, die die Szene bewegen. Die Leute haben Bock, sich zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen und in der Folge von Synergie-Effekten zu profitieren. Viele verkriechen sich aber noch hinter Mauern, pflegen keinen Austausch – selbst intern in Unternehmen oftmals nicht – und behalten das Wissen lieber für sich. Die werden auf Dauer nicht bestehen. Mein Ziel ist es, progressiven Personalern ein Forum zu geben, wo genau dieser Austausch erfolgen kann. Abseits von einer Konferenz, einfach nur der Fokus auf Austausch, Vernetzung, Kontakte knüpfen. Und das alles in einem ungezwungenen Rahmen. Am 15.September in Köln wird es soweit sein.

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