In fünf Schritten zu einer effizienteren Lernarchitektur

Personalmanagement

Einsatz und Performance ihrer Führungskräfte entscheiden über den Erfolg von Unternehmen. Erstaunlich: Mit der Entwicklung von fachlichen und persönlichen Kompetenzen ihrer Führungsmannschaft sind die meisten Unternehmen unzufrieden. Ein Change in der Führungskräfteentwicklung ist daher ratsam.

Der Grund, warum viele Entwicklungsprogramme nicht die erwarteten Ergebnisse erzielen: Unternehmen investieren in den meisten Fällen in das Training einzelner Führungskräfte und Mitarbeiter. Damit die Trainings die gewünschte Wirkung entfalten können, sollte jedoch vielmehr ein Augenmerk auf die notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen gelegt werden.

Der St. Gallen Educational Report 2016 fasst zusammen: Obwohl 57 Prozent der Unternehmen der Meinung sind, dass Führungskräfteentwicklung oberste Priorität hat, sind nur ein Fünftel der Unternehmen auch zufrieden mit den Programmen für ihr mittleres und Top-Management. Nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Deloitte gaben 2016 gerade einmal 13 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie sich für exzellent im Bereich der Weiterentwicklung einschätzen. Schon 2012 alarmiert die Association of Training and Development: Nur zehn Prozent aus Seminarinhalten werden mit in den beruflichen Alltag genommen.

Doch woran liegt es, dass die zahlreichen Trainings, Seminare, Off-Sites und Coachings, für die immer mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, anscheinend nicht die gewünschte Wirkung entfalten? Dass sie nach eigener Aussage der Unternehmen keinen ausreichenden Mehrwert generieren?

Training ohne Mehrwert?

Die Gründe, warum Training oft nicht effizient und effektiv ist, sind vielfältig. Realitätsferne, falsche Inhalte, schlechte Vorbereitung, zu knapp bemessene Zeit, fehlende Didaktik, nicht zielführende Lernformen.

Einen bisher wenig diskutierten Aspekt für den geringen Output von Führungskräfteentwicklung brachte jüngst der emeritierte Harvard-Professor Michael Beer in die Diskussion ein. Demzufolge sind die meisten individuellen Trainings heute nicht zielführend, weil sie nicht Kontext und Reifegrad der Organisation berücksichtigen. Damit Training effizient werden kann, ist anzuraten, dass die Organisationen einen fruchtbaren Boden schaffen, auf den das Erlernte des Einzelnen fallen kann.

Das ist es, was wir auch in unserer Beratungspraxis immer wieder erleben. Ein Beispiel: Oft sollen Führungskräfte das Credo ‚Fordern und Fördern’ viel konsequenter umsetzen, sind darauf trainiert worden. Denn dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitarbeiter mehr Verantwortung für ihre eigene Performance übernehmen. Was wiederum zu einer höheren Identifikation mit dem Unternehmen führt. Entscheidungen sollen perspektiv zunehmend auf Fachebene getroffen werden – nicht mehr hierarchisch top-down –, denn dort haben sich die entsprechenden Experten ausführlich mit den jeweiligen Themen beschäftigt. In klassisch hierarchisch strukturierten Unternehmen fällt dieses Umdenken aber häufig nicht leicht. Vor allem auch, weil durch die Neuerungen Unsicherheiten und Ängste auf beiden Seiten ausgelöst werden. Einfache Trainings reichen nicht aus.

Was können Unternehmen also tun, um ihre Führungskräfteentwicklung wirklich effektiv, effizient und nachhaltig zu machen? Dies soll ein Vorschlag sein, wie sie in fünf Schritten diesem Ziel näherkommen können – und welche Rolle HR in diesem Kontext spielen kann.

1. Top-Management begreift sich selbst als Teil von Lernkultur

Der wichtigste Faktor ist ein 100-prozentiges Commitment des Top-Managements. Das heißt, nur wenn Vorstand und Geschäftsführung sich selbst genauso als Bestandteil einer Lernkultur begreifen und danach handeln, wie sie es von ihren Führungskräften erwarten, hat dieses Denken eine Chance, sich auch im mittleren Management durchzusetzen. Und damit durch eine Veränderung des Denkens in der Folge eine Verhaltens- und Kulturveränderung herbeizuführen. Eine Delegation an die HR-Abteilung im Sinne einer funktionalen Lösung (= Trainings organisieren) ist ein heute viel zu häufig eingesetztes Instrument, was ohne das ausdrückliche Commitment der obersten Führung auch zur eigenen Veränderung zu den hier eingangs erwähnten ernüchternden Resultaten führt.

2. Lernende Organisation entwickeln

Im nächsten Schritt wäre zu hinterfragen, ob die die aktuelle Organisation die notwendigen Voraussetzungen liefert, um organisationales Lernen überhaupt zu ermöglichen. Fragen, die Sie sich in diesem Kontext stellen könnten: Fußt die aktuelle Lernarchitektur auf der Unternehmensstrategie? Welches Verständnis von Führung liegt vor? Sind Rollen und Verantwortlichkeiten der Führungskräfte klar strukturiert? Arbeitet die Organisation lösungs- oder problemorientiert? Gibt es offene Kommunikation – über Stärken wie über Schwächen? Eine solche Organisationsanalyse mit der spezifischen Zielsetzung zu überprüfen, wie lernwillig und -bereit eine Organisation ist, sollte jedem Entwicklungsprogramm vorangestellt werden. Sie ermöglicht es, gezielte Veränderungen herbeizuführen, die sich zunächst nicht an der einzelnen Person, sondern an System und Strukturen manifestieren.

3. Gleichzeitiges Lernen und Erfolg durch neue Trainingsformate ermöglichen

Dieser Ansatz einer Lernarchitektur bedingt eine andere Form von Trainingsformaten – abseits vom geschlossenen Seminarraum. Vielmehr gilt es, individuelle Entwicklung und organisatorische Umgestaltung parallel zu ermöglichen. Um rasch Leistungsverbesserungen und damit Motivation zu erzielen. Konkret bedeutet das: Definition von Veränderungszielen und lernrelevanten Meilensteinen im Arbeitsalltag, praxisorientiertes Coaching durch den Vorgesetzten auf dem Weg dorthin, ‚harte’ Prozessberatung durch interne oder externe Experten, Reflexion und Definition von Lernfeldern gemeinsam mit Beratern aus der HR-Abteilung. Die Ziele müssen so gesetzt sein, dass sie zugleich Lernen als auch organisationale Entwicklung ermöglichen.

Um ein Beispiel zu geben: In vielen Unternehmen arbeiten, trotz aller Anstrengungen seitens der Unternehmensführungen, viele Abteilungen noch immer wie Silos. Dies hat nicht nur mit Interessen, sondern sehr häufig auch mit Unwissen zu tun. Unwissen ob der Arbeitsabläufe und Prozesse der anderen Abteilung, Unwissen ob der eingesetzten Kompetenzen und Rollenprofile, Unwissen ob der dort arbeitenden Persönlichkeiten. Um ein solches Silo aufzubrechen, wäre in dem hier aufgezeigten Modell ein Ziel zu definieren, dass nur in gemeinschaftlicher Arbeit mit anderen Abteilungen erreicht werden kann. Um so die Beteiligten zur Zusammenarbeit zu zwingen. Denn die Praxis zeigt: Genau diese Zusammenarbeit baut Unwissen, Vorurteile und ein stückweit auch Angst ab. Führungskräfte und Mitarbeiter durch einen solchen Prozess zu coachen, ist deutlich effektiver, als das x-te Seminar zum Thema „Zusammenarbeitsmodelle“ zu besuchen. Selbstverständlich nur, wenn sie auf diesem Weg eng mit den oben skizzierten Methoden begleitet werden.

4. Lernen auf Unternehmens- und individuellen Kontext der Führungskraft zuschneiden

Entscheidend ist, ob beim Lernen im Arbeitsalltag oder im Seminar, die Ziele abgeleitet von der Unternehmensstrategie, die Anforderungen seitens des Managements und die individuellen Erwartungen seitens der Führungskraft genau zu definieren und in einen realen Kontext einzuordnen. Um auf dieser Basis Trainings mit einem realistischen zu erwartenden Output zu definieren. In vielen Trainingsformaten findet sich der Aspekt, Führungskräfte dahingehend zu schulen, authentisch und ehrlich zu sein. Wenig Beachtung findet die Tatsache, dass Führungskräfte häufig nicht in ihrer Position sind, weil sie authentisch und ehrlich, sondern weil sie durchsetzungsstark sind. Es erscheint daher nicht unbedingt logisch, diese Werte im Rahmen von Führungskräftetrainings besonders in den Fokus zu stellen.

Insbesondere in der heutigen VUCA-Welt (volatil, unsicher, komplex, mehrschichtig) benötigen Führungskräfte eine große Bandbreite an Verhaltensweisen, um in den jeweiligen Situationen adäquat zu reagieren. Um in unserem Beispiel einer Führungskraft wirklich zu helfen, wäre es also naheliegender, verschiedene Verhaltensweisen kennen zu lernen, zu trainieren, sie mit realen Situationen abzugleichen und zu üben und so echte Hilfestellung im Führungsalltag zu bieten.

5. Mentale Modelle identifizieren und entwickeln

Führungspotenziale werden durch persönliche Werte und Eigenschaften wie Selbstbewusstsein oder Tatkraft geprägt. Auch wenn dies immer wieder versucht wird: Sie lassen sich nur bedingt in Trainings entwickeln. Anders steht es um die Führungskompetenzen. Ermutigende, motivierende Führung ist erlernbar. Doch allzu viele Trainings setzen hier unmittelbar bei der Analyse und Korrektur von Verhaltensweisen an. Ohne zu hinterfragen, welche individuellen Wahrnehmungs- und Denkmuster diesen Verhaltensweisen eigentlich zu Grunde liegen: Was versteht die Führungskraft unter Wertschätzung? Wie definiert sie Inspiration? Wie ordnet sie sich selbst, ihre Vorgesetzten und Mitarbeiter in den Kontext ein? Solche mentalen Modelle sind sehr individuell, denn jeder hat seine eigene Sicht auf die Welt. Umso entscheidender ist es beim Training nicht bei der Verhaltensausprägung, sondern im Denkmodell anzusetzen, um eine Neuordnung von Denkmustern und einer nachhaltigen Veränderung von Verhalten zu erreichen.

HR: Katalysator des Lernens

Wie eingangs gesagt, ist das hundertprozentige Commitment des Top-Managements der wichtigste Stellhebel auf dem Weg zu effizientem Führungskräftetraining. Wenn das Top-Management sich selbst als Teil von Lernkultur begreift, wird es künftig zum Motor von Entwicklung und Lernen. Damit einher geht auch eine Stärkung der Rolle von HR. HR wird zum exzellenten Katalysator der Führungskräfteentwicklung.

Als strategischer Partner des Top-Managements kann HR als Qualifikationsagent fungieren, der sowohl strategisch Budget gestaltet und Lernarchitektur vordenkt als auch operativ Trainingsformate, -inhalte und die Lerninfrastruktur konzipiert und optimiert. HR kann seiner Rolle als Business Partner auf Augenhöhe mit dem Top-Management gerecht werden, indem es seine in keiner anderen Abteilung vorhandene Kompetenz einsetzt, um die hier dargelegten Punkte mit Leben zu füllen: die Leitung des Change hin zu einer lernenden Organisation, die Konzeption der richtigen Formate, das Zuschneiden aller Inhalte auf individuelle Bedürfnisse und schlussendlich die methodische Veränderung hin zur Fokussierung mentaler Modelle als Basis für individuellen Lernerfolg. Packt HR dies mit dem Rückenwind des Top-Managements beherzt an, hat es die Chance, die Kultur einer sich ständig verbessernden, lernenden High Performance Organisation zu schaffen. Und damit einen ganz anderen Hebel für Mehrwert zu bieten als es bisher möglich war.

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Stephan Penning

Geschäftsführender Gesellschafter
Penning Consulting

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