Kein Wachstum ohne Talente

Personalmanagement

Kaum geht es in der Wirtschaft aufwärts, wird das schwarze Loch im Personalmarkt extrem sichtbar. Wie soll es aber mit dem Wachstum vorangehen, wenn Talente nicht ausreichend genutzt werden?

Der Bedarf an Talenten verändert sich mit der Dynamik des Marktes. Nicht mehr der erlernte Beruf allein ist ausschlaggebend, sondern viel mehr das Potential, das in den Menschen schlummert. Es braucht Könner, die außer Fachwissen vor allem Ideen und Lösungen entwickeln, um mit dem Wachstum und den damit verbundenen Anforderungen Schritt zu halten. Damit neue Ideen und Konzepte erfolgreich am Markt etabliert werden können, braucht es Mitarbeiter, die diese neue Welt entwickeln können. Das stellt Personalverantwortliche vor völlig neue Anforderungen.

Neue Auswahlmethoden sind gefragt, mit denen Talent aufgespürt werden kann. Denn gesucht wird nicht mehr mit üblichen Stellenbeschreibungen. Der HR Manager hat heute die Aufgabe, Mitarbeiter zu finden, die unentdeckte Talente mitbringen, sich in der dynamischen und neuen Wirtschaftswelt erfolgreich weiterzuentwickeln. Vergleicht man erfolgreiche Unternehmen in ihrem Talentmanagement, so kristallisieren sich die optimalen Voraussetzungen für das Suchen, Finden, Fördern und Binden von Talenten heraus.

Der Club der Talente

Weltklasseunternehmen – und damit sind nicht nur Großkonzerne gemeint – haben erkannt, dass sie ihren Talenten Mut machen müssen sich auszuprobieren. Eigenes Talent herauszufordern und auszuleben bedeutet aber ein hohes Risiko. Hier kann man sich überschätzen und scheitern. Wenn man Glück hat, wird man nur ausgelacht. Hat man Pech, entsteht wirtschaftlicher Schaden, ja vielleicht erhält man sogar die Kündigung. Daher müssen Talente beschützt werden.

Einen solchen Raum des Vertrauens nennen erfolgreiche Unternehmen „Pool“ oder „Club“. Hier bleibt das Scheitern nicht unbemerkt – das hieße sonst Verwöhnung – aber schnelles Lernen aus Fehlern ohne Gesichtsverlust wird gefördert. „Du darfst jeden Fehler machen – aber bitte nur einmal“. Bei Wiederholung des gleichen Fehlers ist erkennbar, dass es offenbar an Lernfähigkeit mangelt. Talente können sich auf diese Weise im Unternehmen zu echten Könnern entwickeln.

Das Recht auf praktische Umsetzung

Ob und zu welcher Höchstleistung ein Mitarbeiter imstande ist, lässt sich vorher leider nie definitiv bestimmen. Erst am Ende seiner Aktivität wird deutlich, ob jemand das Talent dafür hat oder nicht. Ein Beispiel: Der Betrieb feiert 50jähriges Bestehen. Ein Mitarbeiter möchte zum ersten Mal die Verantwortung für die Organisation der Jubiläumsfeier übernehmen. Ein schwieriges und komplexes Projekt. Wenn der Vorgesetzte sicher ist, dass sein Mitarbeiter die Konsequenzen eines eventuellen Scheiterns (worst case) kennt, dann hat dieser sozusagen das Recht, das Projekt zu übernehmen. Hier liegt die größte Herausforderung (Risiko) an die Talentförderer, dem Mitarbeiter zum ersten Mal die große Aufgabe anzuvertrauen, ohne zu wissen, ob er reüssieren wird.

Vergleichbar ist dies mit dem ersten Schulweg des Kindes ohne die Aufsicht der Eltern. Wer Kinder hat, weiß, welche Höllenqualen Mama und Papa dabei erleiden. Aber ohne diese geht es nicht. Der projektverantwortliche Mitarbeiter braucht auf dem Weg zum Spitzenkönner die Erfahrung von Innen- und Außenwirkung: Hat (intern) alles Organisatorische perfekt geklappt? Hat die Veranstaltung den Gästen (extern) gefallen? War sie rundum ein Erfolg? Echte Talente spüren sehr wohl, was gut lief und was nicht. Der Talentförderer hat hier die Rolle eines Coachs, der die Außensicht auf die Leistung reflektiert. Er zollt dem Agierenden aber auch die Anerkennung der vollbrachten Leistung.

Die „Community der Meister“

Der Begriff „Meister“ steht für diejenigen, die sich auf Basis ihres Talents zu anerkannten Könnern im Unternehmen entwickelt haben. Sie kommunizieren untereinander (Community) und bieten ihre Hilfe, ihr Know-how, jüngeren Talenten an. Dies kann zum Beispiel von der Unterstützung bei der Strukturierung eines Projekts bis zur Vermeidung oder Sanierung von Havarien reichen. Diese Leistungen werden nicht aufgezwungen, sondern können freiwillig genutzt werden. Über die Häufigkeit der Kommunikation in der Community messen Erfolgsunternehmen die Qualität des Transfers internen Könner – Know-hows. Die Meister verpflichten sich, junge Talente zu sammeln und zu fördern. Das geschieht auf freiwilliger Basis. Der Meister kann dem Young Professional nur zeigen, vormachen, wie es geht. Wenn der Junior Talent hat, wird er solange üben, bis er zum Könner geworden ist.

Aktivieren und Mobilisieren

Erfolgreiche Unternehmen schaffen für talentierte Leistungsträger einen Lernraum mit Gestaltungsfreiheit, der vielfältige Möglichkeiten zur Entwicklung der Persönlichkeit bietet. Dabei tauchen auf der Lernagenda immer wieder die gleichen Punkte auf:

  • Finden, definieren, wahrnehmen, verinnerlichen der eigenen Rolle im Unternehmen
  • Kennenlernen und einschätzen der zur Verfügung stehenden Ressourcen in der Organisation
  • Verbessern der Kommunikation – Fragen stellen, Feedback geben und erhalten, Ideen austauschen
  • Entwickeln von Teamgeist und Konfliktfähigkeit
  • Zielgerichtetes Einsetzen der eigenen Ressourcen: ZeitManagement, Prioritäten setzen, „Nein“ sagen können
  • Denken, planen, handeln in Strukturen und Systemen
  • Regelmäßige Analyse, Kontrolle, Bewertung der eigenen Leistung
  • Letztendlich: steigern der Innovationskraft eigener Projekte beziehungsweise eigenen Handelns

Das bedeutet, Talentmanagement setzt nicht nur auf das Entwickeln des fachlichen Könnens, sondern auch auf soziale Kompetenzen.

Die Skeptiker des Talentmanagements

Zum einen, weil nicht jeder die intellektuellen Voraussetzungen mitbringt, zum anderen, weil auch nicht jeder Mitarbeiter die entsprechende Einsatzbereitschaft an den Tag legen mag – so argumentieren die Skeptiker – seien diese Kollegen ja noch lange nicht negativ zu sehen. Schließlich seien all die Häuptlinge nichts wert ohne ihre guten Indianer. Die meisten Mitarbeiter verfügten über durchschnittliche Voraussetzungen und stimmten ihr Lebenskonzept eben nicht allein auf den Betrieb ab. Talentmanagement konzentriere sich aber allein auf die wenigen High Potentials. Dieses Elitedenken sei ungerecht, praxisfremd und unwirtschaftlich.

Erfolgreiche Unternehmen bauen dagegen in ihrem Talentmanagement eher auf das Pareto-Prinzip. Hier bedeutet es: 20 Prozent (Talente und High Performer) der Mitarbeiter erwirtschaften 80 Prozent des Ergebnisses. Dort wo die Förderung von Talenten wirklich ernst genommen und gezielt betrieben wird, fehlt es nicht an einer konsequenten Erfolgskontrolle. Egal wie groß die Organisationen sind – sie erreichen mit Talentmanagement ihr Ziel, produktiv zu sein, ein höheres Niveau an Qualität und Kundentreue zu schaffen und ihre talentiertesten Mitarbeiter zu halten. Am besten gelingt dies, wenn sie die Stärken und Talente ihrer Leistungsträger im Business ausspielen.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren

Albrecht von Bonin

Weitere Artikel