Psychopath müsste man sein

Leadership

Heutzutage ist es fast schon schick geworden, ein wenig psychopathisch zu sein, meint Jan C. Weilbacher. Denn das macht angeblich erfolgreicher. Auch wenn die Empathie oder das Gewissen auf der Strecke bleibt. Eine Glosse

Es gab eine Zeit, da hatten Psychopathen einen nicht so guten Ruf. Der Ausspruch „Du Psychopath!“ ging als astreine Beleidigung durch. Mittlerweile muss man aufpassen, dass sich der Angesprochene durch so einen Satz nicht geschmeichelt fühlt. Das Bild des Psychopathen hat sich nämlich etwas gewandelt. Angefangen hat es mit Hannibal Lecter aus dem Film „Schweigen der Lämmer“. Der war zwar ein gemeingefährlicher, diabolischer Serienkiller, hatte aber auch irgendwie was Nettes. Und dann kam 2006 die US-Krimiserie Dexter, in der ein gutaussehender junger Mann seine Opfer sauber auseinander schneidet – ein Serienmörder, mit dem die Fernsehzuschauer mitfieberten, ein amerikanischer Held.

Doch damit nicht genug. Die Wissenschaft hat sich zuletzt vermehrt der Psychopathie gewidmet und dabei nicht mehr nur wie früher auf Verbrecher geschaut. Eine der Erkenntnisse lautet: „Eine Prise Psychopathie kann für die Karriere förderlich sein.“ Diese These vertritt zum Beispiel Kevin Dutton, Psychologie-Professor von der Universität Oxford. Sein Buch „Psychopathen: Was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann“ ist ein Bestseller. Darin zeigt er, dass Menschen mit psychopathischen Eigenschaften in vielen Top-Positionen in der Gesellschaft zu finden sind. Vielleicht ahnten Sie es schon.

Jedenfalls bezeichnet Psychopathie eigentlich eine schwere Persönlichkeitsstörung, die mit einem Fehlen von Empathie, sozialer Verantwortung und Gewissen einhergeht. Erinnert Sie stark an Ihren Chef? Das kommt nicht von ungefähr. Am häufigsten sind Psychopathen nämlich unter Spitzenmanagern zu finden. Solche Leute beschäftigen sich nicht mit einem möglichen Scheitern und anderen Verlierer-Themen. Sie fokussieren sich immer nur auf die gewünschte Belohnung. „Dadurch werden sie automatisch selbstsicherer und überzeugender“, sagte Kevin Dutton kürzlich in einem Interview. Und er empfiehlt, manchmal „den psychopathischen Regler“ etwas höher zu drehen, wenn man bestimmte Ziele erreichen will. Als Paradebeispiel des erfolgreichen Geschäftsmanns mit psychopathischen Zügen führt er Apple-Gründer Steve Jobs an, der – wie Dutton zu wissen glaubt – extrem fokussiert und rücksichtlos gewesen ist. „Wer zu empathisch und zu soft ist, wird nicht die Nummer eins einer Branche.“ Gar keine Empathie und trotzdem Letzter in der Branche geht natürlich auch.

Alle Führungskräfteentwickler und Coaches sind jetzt nach dem Erfolg des Buches gezwungen, ihr Programm komplett zu überarbeiten. Die ganzen Weichspüler-Themen rund um Selbstreflexion, Empathie und Zuhören sind zu streichen. In unserer rauen Wirtschaftswelt braucht es nun mal Männer, die mit harten Bandagen kämpfen können, und nicht diese emotionalen Softies, die wir den Grünen und deren Gequatsche von „der weiche Mann ist stark“ verdanken.

Obwohl: Zumindest Jürgen Trittin ist ja auch so ein harter Knochen. Ob er auch psychopathische Wesenszüge hat? So mancher hat sich über seinen Rückzug von der Fraktionsspitze der Grünen gefreut. „Für mich waren Sie ein deprimierender Mann – ein lächelnder, finsterer Maniker, ein Rechthaber, Besserwisser. Schadenfroh Feixender, eitler Egomane“, schrieb der als Gossen-Goethe bekannte Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner in seinem offenen Brief an Jürgen Trittin.

Franz Josef Wagner ist, wenn vielleicht kein Psychopath, so doch ein ziemlich merkwürdiger Typ. In derselben Kolumne schreibt er: „Claudia Roth liebe ich. Sie ist nah an den Flüssen gebaut. Literweise weint sie Tränen.“ Nun gut. Leider musste aber auch Claudia Roth als Parteivorsitzende zurücktreten, obgleich sie keine Egomanin ist. Eigentlich hätte sie es gar nicht an die Spitze der Partei schaffen dürfen. Denn – so sagte der Psychopathie-Professor Dutton im Interview –, man muss in einem mörderisch harten Geschäft schnell und unter Druck entscheiden und hart sein. Dies sei ein Grund, „warum Frauen oft nicht so erfolgreich sind“.

Liebe Frauen, hören Sie nicht darauf. Ich habe ein Bild von Kevin Dutton gesehen. Er ist vermutlich ein Psychopath und er kann natürlich nicht sagen, weshalb das Geschäft unbedingt mörderisch hart sein muss. Im Übrigen bin ich mir sicher, dass Jürgen Trittin ein sehr netter freundlicher Mensch ist. Ich habe nämlich mal in der S-Bahn neben ihm gesessen. Er war zusammen mit seiner Frau auf dem Rückweg von einer Fahrradtour. Und ich dachte damals: Toll, dass man eine Fraktion führen und gleichzeitig in der Freizeit peinliche kurze Hosen tragen kann. Wie ein finsterer Maniker wirkte er nicht.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Jan C. Weilbacher

Jan C. Weilbacher

Head of Communications
HRpepper
Jan C. Weilbacher ist Senior Consultant und Kommunikationsmanager bei HRpepper Management Consultants. Davor war er sieben Jahre Chefredakteur des Magazins Human Resources Manager. Vor kurzem erschien sein Buch „Human Collaboration Management. Personalmanager als Berater und Gestalter in einer vernetzten Arbeitswelt“. Twitter: @JWeilbacher

Weitere Artikel