Rekrutierung mit Blick nach innen

Recruiting

Überall in Deutschland klagen Unternehmen über einen Mangel an qualifiziertem Personal. Aber was ist tatsächlich dran am vermeintlichen Fachkräftemangel? Unternehmen sollten ihre Rekrutierungsstrategien überdenken anstatt zu jammern, denn oft sitzen die angeblich fehlenden Kräfte vor der Nase der Personalmanager.

Fachkräftemangel, kein Fachkräftemangel, Fachkräfteschwemme? Wie so oft klaffen die Experten-Meinungen auch bei der Beurteilung der Arbeitsmarktsituation weit auseinander. Hartnäckig hält sich die Ansicht, in Deutschland herrsche grundsätzlich ein massiver Fachkräftemangel, der langfristig nur mit Fachpersonal aus dem Ausland gedeckt werden könne. Demgegenüber steht die Theorie, einen generellen Fachkräftemangel gebe es gar nicht. Nur in einigen speziellen Segmenten und Regionen existiere ein Engpass an Spezialisten – etwa in Pflege- oder Ingenieursberufen – und in diesen Bereichen konkurrieren Firmen natürlich um qualifizierte Kandidaten.

Die Wahrheit liegt sicher in der Mitte, aber auf Unternehmensseite lassen sich dennoch zum Teil gravierende Fehler feststellen. Unzählige Bewerber bekommen gar keine oder sehr verspätete Antworten auf Hunderte von Bewerbungen. Quereinsteiger oder Arbeitssuchende ab 40 – also jene im besten Alter mit sehr viel Lebens- und Berufserfahrung – werden systematisch aussortiert und das interne Recruiting bleibt auf der Strecke. Eine aktuelle Studie von Cornerstone OnDemand in Zusammenarbeit mit Professor Armin Trost von der Hochschule Furtwangen hat diesbezüglich gezeigt, dass 79 Prozent der deutschen Unternehmen internes Rekrutieren zwar für sehr wichtig halten, aber nur sehr wenige entsprechend handeln. Nur etwa ein Drittel der Stellen wird tatsächlich intern besetzt, europaweit wissen nahezu 75 Prozent der Unternehmen nicht einmal, wer ihre internen Leistungsträger überhaupt sind.

Welche Lehren müssen daraus gezogen werden? Unternehmen sollten schleunigst umdenken: Das Modell, nur nach Bedarf auf externe Standard-Stellenanzeigen, beispielsweise in Zeitungen, zu setzen („reaktives Recruiting“), und dann erst nach zwei Monaten oder länger auf Bewerbungen zu reagieren, ist überholt. Wesentlich zielführender ist es, das Potenzial der eigenen Leute zu erkennen, zu fördern und diese dann langfristig an das Unternehmen zu binden – dies schafft eine ganzheitliche Employer Brand, steigert die Arbeitgeberattraktivität und erhöht zudem die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter, die für ihre gute Leistung geschätzt werden wollen – unabhängig vom Gehalt.

Mutiger sein und hohe Erwartungshaltung aufgeben

Beim Rekrutieren sollten Personalentscheider einerseits mutiger sein und andererseits ihre teils übertriebene Erwartungshaltung aufgeben. Natürlich kann sich kein Unternehmen Fehleinstellungen leisten, aber warum werden von vornherein immer nur die „perfekten“ Kandidaten gesucht, die bereits alles können? Es wäre doch vernünftiger, Bewerber anhand bestimmter Fähigkeiten und Talente zu beurteilen und dann zu klären, wie und für welche Positionen sie weiterentwickelt werden können. Der beste Kandidat ist nämlich womöglich längst in einem Unternehmen tätig, wird dort aber übersehen, weil die Personaler im Unternehmen zu sehr auf den externen Markt fokussiert sind und nach Schema F vorgehen.

Im Hinblick auf die Einstellungskosten sowie Optimierung und Beschleunigung des Einstellungsablaufs macht es Sinn, in den eigenen Reihen Ausschau zu halten. „Neue“ können etwa auf der Ebene der Young Professionals oder auch Quereinsteiger eingestellt und dann schrittweise und zielgerichtet an höhere Aufgaben herangeführt werden. Alles fängt damit an, beim Recruiting über den Tellerrand hinaus zu schauen, setzt sich beim Onboarding fort und mündet in eine strategische Personalentwicklungsstrategie – die zugegebenermaßen weit vom operativen HR entfernt ist und das ganze Unternehmen betrifft. Bei dieser Strategie müssen Prozesse wie Recruiting, Onboarding, Weiterbildung, Mitarbeiterentwicklung, Karriereverfolgung und Nachfolgeplanung idealerweise nahtlos ineinandergreifen. Außerdem sollten Mitarbeiter anhand transparenter und einheitlicher Leistungsindices bewertet werden, damit Streitigkeiten innerhalb der Belegschaft ausbleiben. Der Einsatz von Talent Management-Software kann hier entscheidende Vorteile schaffen, da diese nicht nur Kommunikationsprozesse steuert, sondern auch Indikatoren bereitstellt, anhand derer sich die Kompetenz und Leistung von Mitarbeitern besser messen lässt.

Durchdachte interne Rekrutierungsstrategien, die nicht auf das übliche Bewerber-Schema „perfekter Alleskönner“ beschränkt bleiben, können durchaus helfen, den Bedarf an gutem Personal zu decken. Externes Rekrutieren bleibt weiterhin ein wichtiger HR-Prozess, sollte aber in Zukunft eher als Ergänzung dienen. Vielleicht können Unternehmen das Thema Fachkräftemangel dann bald ad Acta legen. Oft sitzen die gesuchten Fachkräfte schon vor der Nase der Personaler

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