Recruting mit Murmeln statt Tischkicker

Witzige Stellenausschreibung

Bei Stellenanzeigen hört der Spaß auf. Kaum ein Unternehmen versucht, mit Witz und Ironie passende Leute zu finden. Eine Ausnahme ist die Münchener Kommunikationsberatung Cocodibu. Mit jeder Menge stupider Arbeit, einer Büroausstattung aus den Sechzigern und Murmeln statt Kickertisch hat sie vor einiger Zeit versucht, Talente zu gewinnen. Ist dies gelungen?

Herr Faltin, wie kam es zu der Stellenausschreibung, in der Sie nach einer PR-Trulla oder einem PR-Fuzzi gesucht haben?
Christian Faltin: Als wir uns damals intern über die Stellenbeschreibung ausgetauscht haben, haben wir uns darüber geärgert, dass im Prinzip immer alle Stellenanzeigen gleich sind: Alle Unternehmen geben an, flache Hierarchien zu haben, alle bieten ungefähr Vergleichbares an Benefits an. Und alle suchen Teamplayer, die lernfähig sind. Kurz: Inhaltlich gibt es keine großen Unterschiede bei den Stellenanzeigen. Eigentlich bräuchte man gar nichts zu den Anforderungen schreiben, da der Standard für Stellenanzeigen weitgehend bekannt ist. Wer will schon sozial inkompatible und inkompetente neue Leute? Daher kam uns die Idee, einfach mal das komplette Gegenteil zu kommunizieren und die Klischees unserer Branche auf die Schippe zu nehmen.

Bei Stellenanzeigen hört der Spaß auf. Kaum ein Unternehmen versucht, mit Witz und Ironie passende Leute zu finden. Eine Ausnahme ist die Münchener Kommunikationsberatung Cocodibu.
© Cocodibu

Jobbeschreibung einmal anders: Im Jahr 2018 suchte das Cocodibu-Team einen PR-Fuzzi oder eine PR-Trulla.

Wie haben die Menschen auf den ungewöhnlichen Text reagiert?
Die öffentliche Resonanz war riesengroß. Wir bekamen viele Anfragen von Radiostationen und Zeitungen sowie Zeitschriften. Das kam sicherlich vor allem dadurch, dass wir die Stellenanzeige nicht nur in den sozialen Medien gepostet, sondern auch online – also ganz real – geschaltet haben.

Haben Sie auch mehr Bewer­bungen erhalten als sonst?
Ja, es gab deutlich mehr Bewerbungen. Allerdings waren unter ihnen viele Menschen, die nicht zu unserer Zielgruppe gehören. Ein Großteil von denen hat dies auch offengelegt: Sie haben uns geschrieben, dass sie die Stellenausschreibung unheimlich lustig fänden und sich sehr gerne bei uns bewerben möchten – auch wenn sie wüssten, dass sie nicht in unser Raster passen: Beispielsweise war ein Rentner dabei, der geschrieben hat, dass sein früherer Job alle Kriterien erfüllt hätte und er deswegen geeignet sei. Vielen anderen fehlten leider Grundqualifikationen für den Job wie etwa ein guter Schreibstil oder ein Verständnis dafür, wie Medien funktionieren. Daneben hatten wir natürlich auch einige ernsthafte Bewerbungen erhalten. Ich würde jedoch sagen, nicht wesentlich mehr als auf andere Stellenanzeigen auch.

Waren die ernsthaften Bewer­bungen zumindest kreativer ­aufbereitet als sonst?
Es haben sich einige von ihnen die Mühe gemacht, sich im Tenor unserer Stellenanzeige zu bewerben – à la „Ich habe eigentlich gar keine Lust, aber ich brauche das Geld …“. Manche haben implizit Bezug auf die Anzeige genommen, in der wir unter anderem 150.000 Instagram-Follower und ein „ortografiesches Gespür“ gefordert haben. Sie schrieben: „Ich habe zwar nur 2.000 Instagram-Follower, aber ich kann trotzdem nicht schreiben.“ Wir hatten mitunter das Gefühl, dass einige die Anzeige dankbar aufgenommen haben, allein um ihre Kreativität zu zeigen und einmal eine andere Bewerbung als sonst zu schreiben.

Waren die Gespräche, die Sie mit den Bewerbenden geführt haben, dann ähnlich lustig wie die Stellenanzeige?
Zum Teil waren die Gespräche wirklich lustig und es herrschte schon zum Einstieg eine komplett unverkrampfte Atmosphäre. Auf dieses Level kommen wir sonst erst nach einigen Minuten. Möglichst lustige Gespräche zu führen, war aber nicht unser Ansinnen. Als Gesprächsöffner und Möglichkeit für ein möglichst lockeres Aufeinandertreffen hat die Stellenanzeige jedoch gut funktioniert.
Konnten Sie einen Unterschied hinsichtlich der Persönlichkeit der Personen ausmachen, die Sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen haben?
Wir hatten den Eindruck, dass sich mehr Leute als sonst beworben haben, die ein ähnliches Mindset haben wie wir. Und genau das war auch unser Ziel. Wir hatten mit circa drei Dutzend Anschreiben aber nicht so viele Bewerbungen, als dass wir unseren Eindruck auch statistisch belegen könnten.

Wie würden Sie dieses Mindset beschreiben? Spielt Humor darin eine besondere Rolle?
Ich behaupte, dass uns als Firma – und auch als Personen – eine gute Portion Humor und Selbstironie ausmacht. Wir sind davon überzeugt, dass es in unserem Job hilfreich ist, leicht selbstironisch auf das eigene Tun zu schauen. In der Agenturszene ist das keineswegs die Norm, und Kommunikation über Humor ist natürlich Ansichtssache – so wie der Humor selbst auch. Einerseits geben wir uns als Branche immer recht locker, was sich auch an der verbreiteten Duz-Kultur zeigt. Auf der anderen Seite ist die Kommunikationsbranche sehr straight und maximal verkäuferisch in ihrer Außenkommunikation. Selbst­ironie gehört nicht zu den Stärken der Menschen aus Werbung und PR. Das versuchen wir für uns zu ­nutzen.

Haben Sie als kreative Kommunikationsagentur einen Vorteil, Stellenausschreibungen humorvoll anzugehen?
Das denke ich nicht. Kreativität gibt es in jeder Branche. Man könnte auch in genau dem gleichen Modus IT-Fachleute, Auszubildende für eine Glaserei oder Verkaufspersonal suchen. Wichtig dabei ist aber, sich die jeweilige Branche gezielt anzuschauen, um das aufzugreifen und hochzunehmen, was sie ausmacht und was dort gefordert ist.

Besonders viele lustige Stellenanzeigen hat es in den vergangenen Jahren allerdings nicht gegeben …
Viele Unternehmen scheuen sich vor Selbstironie und Humor. Denn das erfordert Mut. Zudem braucht es die richtige interne Kultur dafür. Wenn ich etwa eine sehr autoritätsgeprägte Firmenkultur habe – die es laut Stellenanzeigen ja nirgendwo mehr gibt –, dann geht eine lustige Stellenanzeige nach hinten los, weil sie schlicht nicht der Atmosphäre im Unternehmen entspricht.

Auch bei Ihnen ist es schon eine ganze Weile her, dass Sie die Stellenanzeige geschaltet haben. Warum gab es keine Wiederholung?
Die gleiche Stellenanzeige nochmals zu schalten, haben wir von Anfang an nicht in Betracht gezogen, das wäre uns als Kommunikationsagentur zu einfallslos erschienen. Dieses Format zu steigern, war schwer möglich. Aber wir haben beispielsweise ein Imagevideo gedreht, bei dem wir unsere Positionierung als moderne PR-Agentur für die digitale Wirtschaft komplett konterkariert haben: mit einem Schwarzweiß-Stummfilm im Dick-und-Doof-Look. Auf dieses Video werden wir noch heute in Vorstellungsgesprächen angesprochen. Und die meisten finden es richtig gut.

Schalten Sie generell keine Stellenanzeigen mehr?
Doch, wir schalten noch Stellenanzeigen – auch wenn das Format der Stellenanzeige meiner Meinung nach weitgehend überholt ist. Insbesondere weil rund 85 Prozent der Inhalte austauschbar sind.

Wie lautet Ihr Fazit bezüglich Ihrer lustigen Stellenanzeige?
Davon abgesehen, dass wir über die Anzeige eine sehr gute und kreative Kollegin gefunden haben, hat sie uns auf jeden Fall Öffentlichkeit gebracht. Deswegen würden wir Re­­cruiting-Maßnahmen, die in diese Kategorie passen – humorvoll, mit Selbstironie –, immer wieder machen. Aber nicht zu oft! Es sollte zudem dem Zeitgeist entsprechen; eine lustige Stellenanzeige kommt für uns daher nicht mehr infrage.

Welche alternative Maßnahme würden Sie heute wählen?
Wir würden wahrscheinlich ein wirklich mieses Tiktok-Video drehen, in dem mein Compagnon und ich uns gnadenlos blamieren, um dann zu sagen: „Ihr könnt es bestimmt besser. Kommt zu uns und dreht coolere Tiktok-Videos!

Zum Gesprächspartner:

Christian Faltin , Gründer und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur cocodibu
© Raimund Verspohlcocodibu

Christian Faltin ist Gründer und Geschäftsführer der Münchner Kommunikations­agentur Cocodibu und beschäftigt 14 Menschen. Vor der Gründung im Jahr 2007 arbeitete der studierte Kommunikationswissenschaftler als Journalist für diverse Wirtschafts- und Marketing-Fachmedien und war zudem Leiter Unternehmenskommunikation bei Kirch New Media.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Humor. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Petra Walther ist freie Journalistin in Bonn.

Petra Walther

Petra Walther ist freie Journalistin in Bonn.

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