Jeder zweite Deutsche würde auf eine Bewerbung verzichten, wenn das anvisierte Unternehmen Frauen und Männer ungleich bezahlt. Das zeigt eine aktuelle Studie. Doch die Mehrheit glaubt nicht an die Gehaltslücke im eigenen Haus.
Steht ein Unternehmen in dem Ruf, seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die gleiche Arbeit ungleich zu entlohnen, so kann das handfeste Folgen haben – vor allem für das Recruiting. Das legt eine aktuelle Studie der Job- und Recruiting-Community Glassdoor nahe, für die rund 8.000 Arbeitnehmer in Deutschland und sechs weiteren Industrienationen befragt wurden.
In Deutschland würde sich mehr als jeder zweite Arbeitnehmer (61 Prozent) nicht bei einem Unternehmen bewerben, bei dem er die Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen anzweifelt. Aufgeschlüsselt auf die Geschlechter sagen dies 69 Prozent der Frauen und auch 51 Prozent der Männer.
Dass die Lohnungleichheit Realität ist, belegen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, das mit Stand März 2015 von einem durchschnittlichen Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen von sieben Prozent bei gleicher Qualifikation und vergleichbarer Tätigkeit ausgeht. Ohne Berücksichtigung dieser Einschränkung verdienen Frauen in Deutschland sogar 22 Prozent weniger als Männer.
Umso erstaunlicher ist der zweite Befund der Glassdoor-Studie. Demnach sind mehr als zwei Drittel der Deutschen (73 Prozent) überzeugt, dass der Gender Pay Gap in ihrem Unternehmen kein Thema ist, sondern dass Männer und Frauen bei gleicher Arbeit und Qualifikation auch gleich bezahlt werden. Und 90 Prozent sind der Meinung, dass das auch so sein sollte. Geschlechterunabhängig benachteiligt gegenüber ihren Kollegen fühlen sich 28 Prozent der Befragten. Das ist deutlich höher als in den anderen Ländern, aus denen die Studienteilnehmer kommen. So liegt der Wert beispielsweise in den Niederlanden und Großbritannien bei verhältnismäßig niedrigen 19 Prozent.
Um dem Gender Pay Gap entgegenzutreten, würden diejenigen Befragten, die in ihrem Unternehmen eine Gehaltsungleichheit vermuten, in erster Linie auf staatliche Regulierung und dann erst auf die Unternehmenspolitik setzen. So glauben 41 Prozent, dass der Gesetzgeber die Gehaltsgleichheit erzwingen sollte. Demgegenüber glauben nur 26 Prozent, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Unternehmenspolitik rund um das Thema Gehalt und Vergütung einführen sollte. Ebenfalls 26 Prozent denken, dass Beschwerden und Klagen von Betroffenen Wirkung zeigen würden. An einen Effekt von mehr Gehaltstransparenz glauben mit 15 Prozent nur wenige. Genauso wenig wird von einer Erhöhung der Frauenquote unter Führungskräften (14 Prozent) und generell (11 Prozent) eine Wirkung erwartet.
Die Studie wurde im vergangenen Oktober vom Marktforschungsinstitut Harris Poll im Auftrag von Glassdoor durchgeführt. Befragt wurden insgesamt 8.254 Teilnehmer aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, USA, den Niederlanden und der Schweiz.