Kaum ein Recruiter kommt noch ohne digitale Helferlein aus. Wir geben einen Überblick über aktuelle Technik-Trends bei der Kandidatensuche und -auswahl.
Der ein oder andere hat sie vielleicht schon selbst in Aktion erlebt: Chat-Bots, also Programme, die über Messenger-Dienste mit Menschen kommunizieren. Bislang gibt es vorwiegend im Kundenservice, wo sie einfache Nachfragen etwa zu Vertragsänderungen beantworten. Neuerdings bieten spezialisierte Dienstleister solche Bots auch für Recruiter an. Klickt ein Interessent auf eine Stellenanzeige in einem Karriere-Netzwerk, öffnet sich ein Messenger-Fenster, in dem ein Recruiting-Roboter einen Chat startet, Fragen an den Interessenten stellt und umgekehrt auch beantwortet.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass der Interessent nach dem Dialog Kontakt zum Unternehmen aufnimmt, ist höher, als wenn er auf einer herkömmlichen Stellenausschreibung landet“, sagt der auf digitales Recruiting spezialisierte Berater Wolfgang Brickwedde, Chef des Institute for Competetive Recruiting, das Arbeitgeber bei der digitalen Personalbeschaffung berät.
Recruiter kommen kaum noch ohne digitale Unterstützung aus. Die Stapel der Bewerbermappen werden angesichts des Fachkräftemangels eher kleiner als größer. Wer sich im Wettbewerb um begehrte Kandidaten durchsetzen will, muss sämtliche Register ziehen, um Erfolg zu haben und vakante Stellen in seinem Unternehmen besetzen zu können. „Zudem ist die Wechselbereitschaft von Mitarbeitern noch nie so hoch gewesen wie heute“, sagt Karriere- und Recruiting-Berater Constantin von Rundstedt.
„Für Unternehmen ist es deshalb wichtig, laufend neue Mitarbeiter rekrutieren können.“ Und zwar möglichst effizient. Dabei helfen digitale Werkzeuge. Außerdem erwarten immer mehr potentielle Interessenten, dass sie ihre Bewerbungen digital einreichen können, am besten so einfach wie möglich, schnelle Rückmeldung inklusive. „Die IT hilft nicht nur bei der eigentlichen Suche nach neuen Mitarbeitern, sondern vereinfacht auch die damit verbundenen Prozesse“, sagt von Rundstedt. Entsprechende Systeme können etwa automatisiert Eingangsmeldungen oder Absagen versenden. Kandidaten sind solche Rückmeldungen wichtig, viele bemängeln ausbleibende oder zu späte Informationen über den Status ihrer Bewerbung, belegt die Studie „Recruiting Trends 2017“ des Jobportals Monster.
Mehr „Muss“ als Trend: Mobiles Recruiting
Die Ergebnisse der Monster-Studie verdeutlichen die Bedeutung des mobilen Recruitings für den Erfolg einer Stellenbesetzung. Mehr als 70 Prozent der deutschen Unternehmen sehen demnach bereits heute einen starken und künftig weiter wachsenden Einfluss des mobilen Recruitings. „Das ist kein neuer Trend, sondern längst ein absolutes Muss“, sagt Berater Brickwedde. Schließlich durchstöbern viele Menschen unterwegs Jobportale: in der Bahn, von der Arbeit auf dem Weg nach Hause, wenn sie einen weiteren Frust-Tag in ihrem aktuellen Job hinter sich gebracht haben.
Auch nutzen immer mehr Menschen zu Hause ihr Smartphone, statt erst einmal den heimischen Rechner hochzufahren. Haben Unternehmen ihre Landingpage nicht mobil optimiert, riskieren sie, mögliche Bewerber zu verprellen, weil die Seite zu lange lädt und wichtige Informationen erst nach umständlichem Hin- und Her-Scrollen sichtbar sind. „Bei der Vielzahl von Smartphone-Nutzern kann sich das kein Unternehmen erlauben“, sagt Brickwedde.
Einen Schritt weiter als mobil optimierte Bewerberseiten geht die so genannte One-Klick-Bewerbung: Dabei kann ein Interessent mit einem Mausklick seinen Lebenslauf oder sein Profil von Netzwerken wie Xing oder LinkedIn einem Arbeitgeber schicken. „Viele Kandidaten finden diesen Weg deutlich attraktiver, als jedes Mal aufs Neue ein Formular ausfüllen zu müssen. Allerdings bieten bislang wenige Unternehmen diese Option an“, beobachtet Brickwedde. „Ich halte diesen Weg für sinnvoll, zumal ein solches Verfahren mit überschaubarem technischem Aufwand realisierbar ist.“
Skeptisch ist der Recruiting-Experte hingegen bei Videobewerbungen, die bislang noch die Ausnahme sind. „Ich hoffe das bleibt auch so“, sagt Brickwedde. „Der Zeitaufwand für Recruiter, sich einen Bewerbungsfilm anzuschauen, ist schlicht zu hoch.“
Das Überfliegen einer gewöhnlichen Bewerbung dauert schließlich nur wenige Minuten, bis der Personaler die für ihn wichtigen Kern-Informationen beisammen hat. Beim Video ist eine solche überblicksartige Schnell-Analyse nicht möglich, der Recruiter müsste sich jeden Streifen in voller Länge anschauen – aus Brickweddes Sicht unpraktikabel. Später im Bewerbungsprozess kann sich der Berater ein Video-Format aber durchaus vorstellen, etwa als Zwischenschritt vor dem Einladen zum persönlichen Gespräch.
Dann könnten Bewerber in einem Kurz-Video in einem eng vorgegebenen Rahmen einige Fragen beantworten, die die jeweilige Fachabteilung beigesteuert hat.
Robo-Recruiter und Talentsuch-maschinen
Active Sourcing ist als solches nicht mehr wirklich neu, das Durchforsten von Karriere-Netzwerken hat aber in der Breite enorm Bedeutung gewonnen: Für viele Recruiter zählt es mittlerweile zum Standard-Repertoire, die großen Plattformen wie Xing und LinkedIn nach potentiellen Kandidaten zu durchsuchen. So genannte Recruiting-Roboter gehen neuerdings einen Schritt weiter: Sie durchleuchten die Netzwerke automatisch nach bestimmten Suchkriterien und zeigen dem Recruiter die Treffer an. Wie umfangreich das Ergebnis ist, hängt maßgeblich von der Güte des Algorithmus ab.
So genannte „Talentsuchmaschinen“ können ebenfalls bei der Suche helfen: Sie grasen nicht nur die klassischen Netzwerke ab, sondern auch kleine, weniger bekannte und vor allem auch solche im Ausland. Damit finden Recruiter auch Kandidaten, die international unterwegs sind und sich nicht in jedem Land neu lokal vernetzen.
Auch auf klassischen Jobportalen können Recruiter längst mehr machen, als Stellenanzeigen zu schalten. In Bewerberdatenbanken können Jobsuchende ihre Profile hinterlegen, die Personaler ebenso absuchen können wie in Netzwerken wie Linkedin. Insgesamt ist die Zahl der Profile dort zwar geringer als in den Karriere-Netzwerken. Dafür haben Recruiter bei den dort gespeicherten Profilen allerdings die Gewissheit, dass die Kandidaten gerade aktuell einen neuen Job suchen. Bei Profilen auf Karriere-Netzwerken hingegen müssen die Personalsuchenden erst einmal abklopfen, ob aktuell der Wille zum Jobwechsel da ist – es sei denn, jemand hat dort ausdrücklich angegeben, dass er einen neuen Job sucht.
Unterstützung durch Netzwerke
So oder so taugen die Netzwerke dazu, einen eigenen Pool interessanter Kandidaten für das Talent Relationship Management (TRM) anzulegen, bei dem Personaler interessante Kandidaten auf Vorrat identifizieren. Wichtig: Ein solches System sollte Kandidaten-Informationen nicht nur verwalten, sondern auch aktiv bei der Suche helfen. Solche TRM-Systeme sind direkt an die externen Stellenbörsen angebunden, Personalbeschaffer können dann in Echtzeit nachvollziehen, welche Anzeige in welchem Jobportal wie erfolgreich ist. „Nur dann kann man sortieren, welcher Kanal sich lohnt und welche Anzeige funktioniert“, sagt Steffen Michel, Geschäftsführer des auf E-Recruiting spezialisierten Softwareanbieters MHM HR aus Stuttgart.
Häufig bekommen Recruiter Informationen über Klickraten erst zeitverzögert und ohne genauere Informationen, wo diese Klicks genau herkommen. Erstrebenswert ist es zuordnen zu können, über welchen Kanal Bewerber kamen, die schließlich auch eingestellt wurden, sagt Michel. Ein Personalmanager bekommt so nicht nur einen Überblick, auf welche Anzeige er die meisten Klicks und Bewerbungen bekommen hat, sondern woher die wirklich guten Leute kamen. Um die Chancen auf den richtigen Kandidaten zu erhöhen, rät Michel dazu, auch jenseits der etablierten Jobportale Stellen auszuschreiben. „Häufig sind Inserate in zielgruppenspezifischen Nischenbörsen deutlich günstiger und genauso Erfolg bringend.“ Tatsächlich sind viele Bewerbermanagementsysteme davon noch weit entfernt. „Bei vielen Recruitern vor allem mittelständischer Unternehmen sind immer noch Outlook und Excel die gebräuchlichsten Tools, um Bewerberdaten zu verwalten“, beobachtet TRM-Experte Michel. Das Problem dabei: Das Aufbauen eines eigenen Pools möglicher Kandidaten für künftige Stellenbesetzungen wird angesichts des Fachkräftemangels immer wichtiger.
Und Gelegenheiten, einen solchen Pool aufzubauen, haben Recruiter am laufenden Band bei jeder neuen Stellenausschreibung. Denn häufig ist mehr als nur der eine erfolgreiche Bewerber für das Unternehmen interessant. Wenn Recruiter die Daten der übrigen interessanten Kandidaten nachhalten, können sie daraus möglicherweise die nächste Stelle besetzen.
Allein: Man muss ein System aufbauen, in dem man die Kandidaten bei Bedarf auch wiederfindet – und zwar unabhängig von dem konkreten Recruiter, der ursprünglich die Bewerbungen eingesammelt hat. „Personaler nutzen diese Möglichkeit bislang zu wenig und schalten stattdessen bei jeder Suche aufs Neue eine Stellenanzeigen. Meist aus Gewohnheit, oder weil sie einen entsprechende Rahmenverträge mit den Jobportalen haben“, sagt Michel. „Dabei ist das Aufbauen eines eigenen Pools häufig viel zielführender.“ Weiterer Vorteil: Recruiter können auf Knopfdruck wichtige Daten über die Personalbeschaffung im Unternehmen abrufen, etwa wenn die Geschäftsführung wissen will, wie schnell vakante Positionen in der Firma im Durchschnitt besetzt worden sind. Damit erleichtert die IT nicht nur die Suche nach neuen Mitarbeitern – sie unterstützt Recruiter auch dabei, den Erfolg ihrer Arbeit intern zu dokumentieren.