Viele Unternehmen haben immer öfter Probleme, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Im Gegenzug hat ein Gros der Angestellten bereits innerlich gekündigt. Die Wechselbereitschaft ist groß. Mit jedem Mitarbeiter, der geht, verliert ein Unternehmen wertvolles Wissen. Ein Gespräch mit dem Autor und Berater Edgar Geffroy über die neue Macht der Mitarbeiter und darüber, wie Unternehmen dem Exodus entgegenwirken können.
Herr Geffroy, Sie schreiben für die Arbeitswelt 4.0 braucht es Wissenskrieger. Wer soll das sein?
Ein Wissenskrieger verfügt über Expertenwissen. Er kann auf seinem Gebiet sein Wissen wie in einem Krieg einsetzen. Man muss das Wissen dieser Krieger, die Mut und Willen haben, speichern, halten und an den richtigen Stellen einsetzen. Wissensmacht schlägt Geldmacht.
Warum ist, wie Sie sagen, der Mitarbeiter der wichtigste Kunde eines Unternehmens?
Der Mitarbeiter weiß, was der Kunde braucht, bevor dieser es selbst weiß – das macht den entscheidenden Unterschied. Big Data wird dabei überbetont. Das Wissen entsteht und sitzt immer noch in den Köpfen der Mitarbeiter. Das muss man aktivieren und Sie müssen die Mitarbeiter motivieren, ihr Wissen zu teilen.
Edgar Geffroy ist Wirtschaftsautor und Berater. Gemeinsam mit seiner Frau Barbara Geffroy hat er kürzlich das Buch „Die neue Macht der Mitarbeiter. Wie man Mitarbeiter gewinnt, begeistert und hält“ veröffentlicht.
Warum gehen Unternehmen Ihrer Meinung nach diese Herausforderung nicht an?
Diese Frage stelle ich mir seit 33 Jahren. Unternehmen bekommen nicht mehr genug Mitarbeiter und wenn doch, dann können sie sie nicht mehr halten. Die Tatsache, dass der Mitarbeiter der wichtigste Schlüsselfaktor für den Erfolg ist, ist überhaupt noch nicht angekommen. Woran liegt das?
Fragt man heute Manager, sagen die immer noch, es gehe primär darum, Geschäftsziele umzusetzen, Gewinne zu erhöhen. Währenddessen hat jeder zweite Angestellte in Deutschland innerlich gekündigt. Es gibt Unternehmen mit einer Krankenquote von 30 Prozent. Das liegt daran, dass im Unternehmen etwas nicht stimmt. Wenn dann diese hochspezialisierten Experten ein Unternehmen mit ihrem Wissen verlassen, schädigt dieser Verlust das Unternehmen. Es ist sträflich, wie ignorant Unternehmen mit dem Wissen ihrer Mitarbeiter umgehen. Wie lässt sich der Exodus verhindern?
Mitarbeiterzufriedenheit kommt vor Kundenzufriedenheit. Erst wenn der Mitarbeiter zufrieden ist, gibt es auch zufriedene Kunden. Wir brauchen einen partnerschaftlichen Umgang und eine andere Führungskultur. Der Vorgesetzte muss der Coach, der Helfer sein. Seine Aufgabe besteht heute darin, den Mitarbeiter erfolgreich zu machen.
Was will der Bewerber von heute?
Bewerber entscheiden heute nach ganz anderen Kriterien als früher. Sie fragen: Welchen Sinn verfolgt das Unternehmen? Welche Existenzberechtigung hat es? Und sie wollen, dass der Umgang partnerschaftlich läuft. So weit sind die Unternehmen aber noch nicht.
Aber es gibt nicht nur unter den Unternehmen schwarze Schafe, sondern auch ungeeignete Mitarbeiter und Bewerber.
Man darf eben nicht nur die beruflichen Fähigkeiten testen, man muss auch die emotionalen Kompetenzen der Bewerber prüfen. Gerade Empathie ist im Umgang mit Kunden enorm wichtig und darüber sollte der Bewerber verfügen. Schon in der Frühphase der Rekrutierung muss man ein psychosoziales Profil des Bewerbers erstellen. Aber die Personalabteilungen sind nicht gut genug im psychosozialen Bereich aufgestellt beziehungsweise ausgebildet. Die werden alle ihren Job verlieren und bekommen es nicht einmal mit.
In Ihrem Buch schreiben Sie von der „neuen Macht der Mitarbeiter“. Ist zu befürchten, dass diese Macht auch missbraucht wird?
Macht führt immer zu Machtmissbrauch. Der Mitarbeiter wird sich seiner neuen Rollen bewusster, dadurch kann er auch mehr Forderungen stellen.
Was sollten Unternehmen anders machen?
Sie müssen sich bei den Mitarbeitern bewerben. Und dafür brauchen sie ein Verkaufskonzept und eine gute Antwort auf die Frage: Warum sollte sich jemand ausgerechnet bei ihnen bewerben? Eine Schlüsselfrage hat mir bisher kein Unternehmen beantwortet: Haben Sie eine schriftlich ausformulierte Mitarbeiterstrategie, mit der Sie in fünf bis zehn Jahren zum Wunscharbeitgeber werden wollen? Ich habe tausende Unternehmen gefragt. Nicht eines hat geantwortet. Das Thema Mitarbeiter ist immer noch nicht im Fokus.
Obwohl es immer schwieriger wird, gute Mitarbeiter zu finden …
Unternehmen klagen ja auch alle. Aber es gibt eine gigantische Differenz zwischen dem, was sie brauchen und dem, was sie dafür tun. Schlaraffenland ist abgebrannt.