Betriebsratswahlen 2022: Basics für das erste Mal

Arbeitsrecht

Im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Mai 2022 werden in deutschen Betrieben wieder Betriebsräte gewählt. Für einige Unternehmen wird das das erste Mal sein. Diese Premiere der Betriebsratswahl stellt häufig eine große Herausforderung dar. Damit diese ersten (und auch folgenden) Wahlen gelingen, ist auf die elementaren Basics der Betriebsratswahl zu achten.

1. Für welche Betriebe wird gewählt?

Nur in Betrieben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes werden Betriebsräte gewählt. Der Begriff meint eine organisatorische Einheit, in der unter einem einheitlichen Leitungsapparat bei Einsatz sachlicher und immaterieller Betriebsmittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden. Um betriebsratsfähig zu sein, müssen dem Betrieb in der Regel mindestens fünf arbeitnehmende Personen angehören, von denen drei wählbar sind. Die Beurteilung, für welche Einheiten Betriebsräte gewählt werden können, ist im Einzelfall schwierig und oft Streitpunkt. Insbesondere die Bewertung der Betriebsratsfähigkeit von Betriebsteilen führt in der Praxis zu Schwierigkeiten.

2. Wer ist wahlberechtigt?

Aktiv wahlberechtigt sind alle betriebszugehörigen Arbeitnehmer mit einem Mindestalter von 16 Lebensjahren. Das zum 18. Juni 2021 in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat das Wahlalter von 18 Jahren auf 16 Jahre herabgesetzt. Auch Leiharbeitskräfte sind im Entleiherbetrieb wahlberechtigt, wenn sie dort länger als drei Monate eingesetzt werden.

3. Wer ist wählbar?

Betriebsratsmitglied können nur in den Betrieb eingegliederte Beschäftigte werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Sie müssen zudem mindestens sechs Monate zum Betrieb gehören. Leiharbeitskräfte sind im Einsatzbetrieb nicht wählbar. Hintergrund dafür ist, dass sie im Einsatzbetrieb nur vorübergehender tätig sind.

4. In welchem Verfahren wird gewählt?

Das Betriebsverfassungsgesetz sieht je nach Betriebsgröße das normale oder das (in manchen Fällen fakultative) vereinfachte Wahlverfahren vor. Die Unterschiede liegen im Wesentlichen in kürzeren Fristen für das vereinfachte Verfahren und im Wahlsystem. Im normalen Wahlverfahren muss grundsätzlich eine Listenwahl (Verhältniswahl) durchgeführt werden. Dies gilt nicht, wenn überhaupt nur eine gültige Vorschlagsliste vorliegt. Bei der Listenwahl stimmt die Wählerschaft nicht für bestimmte Wahlkandidierende, sondern für eine Vorschlagsliste in ihrer Gesamtheit. Im vereinfachten Wahlverfahren dagegen findet immer eine Personenwahl (Mehrheitswahl) statt. Hier werden die Stimmen direkt für den Wunschkandidaten beziehungsweise die Wunschkandidatin abgegeben.

5. Welche Rolle spielt der Wahlvorstand und wie wird er eingesetzt?

Keine Betriebsratswahl ohne Wahlvorstand. Der Wahlvorstand ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl und die anschließende Feststellung des Wahlergebnisses zuständig. In der Regel besteht der Wahlvorstand aus drei Mitgliedern. Ist im Betrieb bereits ein Betriebsrat gebildet, setzt dieser den Wahlvorstand für die darauffolgende Wahl ein. In Betrieben ohne Betriebsrat übernimmt diese Aufgabe der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat. Fehlt es an diesen Gremien, muss der Wahlvorstand im Rahmen einer Betriebsversammlung durch die betriebszugehörigen Beschäftigte bestimmt werden. Als letzter Weg besteht die Möglichkeit der gerichtlichen Bestellung.

6. Was hat es mit der Wählerliste und den Wahlvorschlägen auf sich?

Zur Vorbereitung der Betriebsratswahl gehört die Erstellung der Wählerliste. Darin werden die bei der späteren Betriebsratswahl aktiv und passiv Wahlberechtigten aufgeführt. Bemerken Mitarbeitende einen Fehler, können sie beim Wahlvorstand Einspruch gegen die Liste einlegen. Aus dem Kreis der auf der Wählerliste benannten wählbaren Personen können Vorschläge für die Betriebsratsmitglieder gemacht werden. Während die Aufstellung von Kandidaten in Betrieben mit in der Regel bis zu 20 Arbeitnehmern ohne besondere Voraussetzungen möglich ist, werden in größeren Betrieben Vorschläge nur angenommen, wenn eine bestimmte Anzahl von Stützunterschriften auf die jeweiligen Kandidierenden entfällt.

7. Wer trägt die Kosten der Betriebsratswahl?

Die Wahl des Betriebsrates soll nicht dadurch behindert werden, dass die Mitarbeitenden durch Kosten von der Wahrnehmung ihrer Rechte abgehalten werden. Das Gesetz sieht deshalb vor, dass alle Kosten für die Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahl vom Arbeitgeber zu tragen sind.

8. Welche Rolle spielt die Arbeitgeberseite?

Auch wenn die Betriebsratswahl im Grundsatz eine Angelegenheit der Belegschaft ist, steht der Arbeitgeber nicht gänzlich außen vor. Bei der Wahl darf es zwar nicht durch unzulässige Druckausübung auf die Beschäftigten zu einer Behinderung oder Beeinflussung kommen. Aber es steht dem Arbeitgeber zu, sich sachlich zur Wahl zu äußern und aktiv auf aus ihrer Sicht geeignete Kandidierende zuzugehen. Der Arbeitgeber hat auch eine Kontrollfunktion und kann sowohl Vorbereitungsmaßnahmen (das heißt einzelne Handlungen und Erklärungen des Wahlvorstands) als auch den Wahlausgang gerichtlich angreifen.

9. Was sind die wesentlichen Wahlgrundsätze?

Der Betriebsrat wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Zur Wahrung der Anonymität sind vorgedruckte Stimmzettel erforderlich, mit denen ohne Einschaltung von Delegierten die Betriebsratsmitglieder gewählt werden. Auch die allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze gelten: Die Beschäftigten sind frei in ihrer Entscheidung, ob sie an der Wahl teilnehmen möchten oder nicht. Die Gleichheit der Wahl bedeutet die gleiche Wertigkeit der einzelnen Stimme. Schließlich ist die Betriebsratswahl auch eine allgemeine Wahl, das heißt allen Wahlberechtigten steht die Teilnahme hieran offen.

10. Wie geht es nach der Wahl weiter?

Ist das Wahlergebnis im Betrieb bekannt gemacht worden, sind die neugewählten Betriebsratsmitglieder aufgefordert, eine sogenannte konstituierende Sitzung des Betriebsrats abzuhalten. Diese Sitzung ist rechtlich die eigentliche Geburtsstunde des Betriebsrats. In ihrem Rahmen werden der oder die Vorsitzende und die Stellvertretung gewählt. In der Folge soll sich der Betriebsrat auch eine Geschäftsordnung geben. Sie soll den ordnungsgemäßen Ablauf der Betriebsratsarbeit sicherstellen. Typische Inhalte sind zum Beispiel nähere Vorgaben für die Einladung zu Betriebsratssitzungen, deren Durchführung sowie die Beschlussfassung im Rahmen der Sitzungen. Sind diese Fragen der Binnenorganisation des Betriebsrats geklärt, bietet es sich an, dass sich die Arbeitgeberseite und der Betriebsrat grundlegend darüber austauschen, wie sie ihre vertrauensvolle Zusammenarbeit künftig gestalten wollen.

Fazit

Obwohl die Betriebsratswahl im Kern eine Wahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, gilt auch aus Sicht der Unternehmen: eine gezielte Vorbereitung, Planung und Organisation sind entscheidend für den Erfolg der Betriebsratswahl. Das gilt besonders für Unternehmen, bei denen sich in diesem Jahr zum ersten Mal ein Betriebsrat konstituiert.

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Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Anja Naumann

Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.
Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Maximilian Koschker

Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er berät Unternehmen in allen individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere im Zusammenhang mit den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und der zunehmenden Digitalisierung (Arbeitswelt 4.0).

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