CSR: Zur neuen Berichtspflicht

Arbeitsrecht

Seit 2017 gilt eine neue CSR-Berichtspflicht für Unternehmen. Wie kann HR diesen Teil des Geschäftsberichts ausfüllen, ohne vorgefertigte Textbausteine zu benutzen?

Die Seitenzahlen der Geschäftsberichte scheinen zu explodieren. Reichten beispielsweise im Jahr 2000 noch 126 Seiten aus, um den Jahresbericht der Daimler AG zu fassen, waren es für das Berichtsjahr 2018 sage und schreibe 353 Seiten, davon 15 Seiten zum Thema „Nachhaltigkeit“. Auch bei anderen Unternehmen die gleiche Entwicklung. Man ist geneigt zu fragen: Wer soll das alles lesen? Und wie kam es zu diesem Schub?

Eine erste Spur legt Anfang der 2000er Jahre der Enron-Skandal, die fortgesetzte Bilanzfälschung eines der größten US-Konzerne. Der Gesetzgeber reagierte und verschärfte die Bilanzvorschriften: Der Sarbanes-Oxley Act (SOX) wurde erlassen. Ein US-Bundesgesetz benannt nach zwei Senatoren, die damit eine verlässliche Bilanz von Kapitalgesellschaften durch wirksame interne Kontrollsysteme durchsetzen wollten, einschließlich der Corporate Governance. Der Begriff „Compliance“ erlebte in diesem Zusammenhang seinen kometenhaften Aufstieg im Firmenvokabular. Berichterstattungspflicht und Risikomanagement wurden massiv verschärft.

In der Folge entstanden die International Financial Reporting Standards (IFRS). Sie sollen die Aufstellung international vergleichbarer Jahres- und Konzernabschlüsse verbindlich regeln, und zwar losgelöst von nationalen Rechtsvorschriften. Die Regeln werden von zahlreichen Ländern zumindest für kapitalmarktorientierte Unternehmen vorgeschrieben. Die EU-Kommission hat mit Verordnung Nummer 1725/2003 diese internationalen Rechnungslegungsstandards sowie die entsprechenden Interpretationen ebenfalls übernommen. Auch die mit der EU-Richtlinie 2013/34/EU beschriebene Corporate Social Responsibility (CSR) ist Vorschrift und längst Standard in den Unternehmen und hat in den vergangenen Jahren Einzug in die Berichterstattung gefunden.

Nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Der mit der CSR-Richtlinie eingefügte Paragraf 315 b Handelsgesetzbuch (HGB) regelt konkret die Verpflichtung zur Erstellung einer „Nichtfinanziellen Konzernerklärung“. Darin sind umfassend alle Aspekte zu erläutern, die unter CSR verstanden werden, also alle Aspekte der Unternehmensethik, die über die eigentlichen Finanzkennzahlen hinausgehen.
Dabei definiert der Paragraf 289 c HGB detailliert den Inhalt dieser Nichtfinanziellen Erklärung, wobei aber eine Vielzahl unbestimmter Fachbegriffe verwendet werden. Mit der wörtlichen Maßgabe, dass „zumindest“ auf folgende Aspekte einzugehen ist (also weitere Themen möglich sind):

  • Umweltbelange, bei denen sich die Angaben beispielsweise auf Treibhausgasemissionen, den Wasserverbrauch, die Luftverschmutzung, die Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien oder den Schutz der biologischen Vielfalt beziehen können
  • Arbeitnehmerbelange, wobei sich die Angaben beispielsweise auf die Maßnahmen, die zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung ergriffen wurden, die Arbeitsbedingungen, die Umsetzung der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, die Achtung der Rechte der Arbeitnehmer, informiert und konsultiert zu werden, den sozialen Dialog, die Achtung der Rechte der Gewerkschaften, den Gesundheitsschutz oder die Sicherheit am Arbeitsplatz beziehen können
  • Sozialbelange, wobei sich die Angaben beispielsweise auf den Dialog auf kommunaler oder regionaler Ebene oder auf die zur Sicherstellung des Schutzes und der Entwicklung lokaler Gemeinschaften ergriffenen Maßnahmen beziehen können
  • die Achtung der Menschenrechte, wobei sich die Angaben beispielsweise auf die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen beziehen können
  • die Bekämpfung von Korruption und Bestechung, wobei sich die Angaben beispielsweise auf die bestehenden Instrumente zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen können

Ebenso sollen die Unternehmen eine Beschreibung der verfolgten Konzepte vorlegen sowie die daraus resultierenden Ergebnisse, ferner die bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, die für die Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft von Bedeutung sind. Wenn die Kapitalgesellschaft in Bezug auf einen oder mehrere der genannten Aspekte kein Konzept verfolgt, hat sie dies in der nicht finanziellen Erklärung klar zu begründen – so weit die gesetzlichen Vorgaben.

Die geforderten Standards führen dazu, dass die oben genannten Belange jeweils ausgeführt und beschrieben werden müssen. Das geht bei Fragen zum Umweltschutz noch einigermaßen griffig, weil die dazugehörigen Fragen konkret beantwortet werden können: Wie sieht die Umweltbilanz aus? Welche Schadstoffe werden emittiert? Bei den Sozialbelangen wird es schon schwieriger. Auch der Verweis auf die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) mit ihren 187 Mitgliedsstaaten hilft nur bedingt weiter. Die Schwierigkeit besteht für Unternehmen nicht darin zu erklären, dass weder Kinderarbeit noch Folter oder Zwangsarbeit stattfinden – das zu erklären fällt keinem Unternehmen in Deutschland schwer. Die Frage ist vielmehr, wie diese Versprechen vor dem Hintergrund der globalisierten Lieferketten nachgewiesen und eingehalten werden können. Die Diskussion um Labels und Standards etwa in der Textilindustrie zeigen die Problematik.

Auch die gesetzliche Anforderung zu Quantität und Struktur ist rechtlich unklar. Der Gesetzgeber spricht nur von „Ausführungen“, „Konzepten“ und „Angaben“. Das steht zwar im Handelsgesetzbuch, ist aber in Wirklichkeit eine Einladung an Prosakünstler und Textakrobaten. Die IFRS-Standards geben hier nichts vor. Wie auch? Es handelt sich eben gerade nicht um ein Financial Reporting.

Der HR-Instrumentenkoffer

In der Nachhaltigkeitsdebatte kommt es gleichwohl auf den Beitrag von HR an. Das betrifft nicht nur den Personalaspekt in der „Nichtfinanziellen Erklärung“ mit der Beschreibung aller Sozialaspekte. Es kommt auch auf entsprechende Konzepte und Instrumente an. Wie wird nachhaltiges Management gesteuert und wie kann ein Unternehmen seiner Social Responsibility nachkommen? Dabei geht es um mehr als nur die Beschreibung eines internen Kontrollsystems (IKS), das obligatorisch ist für jede Entgeltabrechnung, um Missbrauch zu verhindern.

Das beginnt schon beim Employer Branding, bei dem es darum geht, die eigene Arbeitgebermarke wirtschaftlich und sozial erscheinen zu lassen. Was ist der sinnstiftende Mehrwert, jenseits des Zwangs, Geld zu verdienen? Das führt weiter zum Recruiting mit der Formulierung einer Auswahlrichtlinie – auch als Betriebsvereinbarung möglich –, um die Kriterien zu beschreiben, die zu einer Personalentscheidung führen.

Der Corporate-Governance-Kodex

Auch die Vergütungspolitik kann dazu beitragen, wenn es um die Belohnung eines nachhaltigen Ertrags, nicht um den Umsatz, geht. Dann werden nicht Abschlüsse honoriert, sondern die Werthaltigkeit von Vertragsbeziehungen. Für Vorstandsvergütungen gibt der Corporate-Governance-Kodex den Rahmen vor. Corporate Governance ist der rechtliche und faktische Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung von Unternehmen. Über Paragraf 161 Aktiengesetz („Entsprechenserklärung“) müssen börsennotierte Unternehmen bestätigen, dass sie dem Inhalt des Kodex entsprechen, beziehungsweise erklären, worin und warum sie dem nicht entsprechen. Damit ist der Kodex faktisch eine wirksame Norm für die Vergütungspolitik und deren Nachhaltigkeitsaspekte.

Soziales Engagement – etwa in der Bereitstellung entsprechender Ausbildungsplätze oder die Unterstützung ehrenamtlicher Tätigkeit durch Freistellung und Unterstützung – zählt hierzu. Die Palette der Möglichkeiten reicht ferner über die gesamte arbeitsrechtliche Bandbreite: etwa die Zusicherung, den gesetzlichen Mindestlohn und mit dem Entgelttransparenzgesetz auch genderkonform zu bezahlen. Auch das Gesetz zur befristeten Teilzeit gibt materiell einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Die Pflicht des Arbeitgebers, auf einer Betriebsversammlung einen Personal- und Sozialbericht abzugeben (§ 43 Abs. 2 BetrVG) – einschließlich Stand der Gleichstellung und die Integration ausländischer Beschäftigter-, galt schon lange, auch wenn das in der Betriebspraxis nicht ganz so eng gesehen wird.

Intrinsische Motivation zur Nachhaltigkeit

Jenseits der Versuche – über die EU-Richtlinie zu CRS, die Wirkungen des Corporate-Governance-Kodex und die Standards der IFR hinaus – ist der Trend zu erkennen, gutes Verhalten zu beschreiben und durch Nachhaltigkeitskonzepte zu unterstützen. Auch die 2016 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnete „Contract Theory“ geht in diese Richtung. Die intrinsische Motivation ist dabei zunehmend eine relevante Größenordnung, so wie eine „sinnstiftende Tätigkeit“ (Purpose) die Arbeitgeberwahl der Absolventengeneration zunehmend bestimmt.

Kurzum: Es handelt sich um ein interessantes Betätigungsfeld für den Personalbereich, jenseits der „Nichtfinanziellen Erklärung“ weitere Instrumente und Bausteine zu liefern, um den Nachhaltigkeitsgedanken zu etablieren. Die Diskussion dazu hat gerade erst begonnen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Nachhaltigkeit. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Jurist Prof. Dr. Rupert Felder

Rupert Felder

Prof. Dr. Rupert Felder ist Senior Vice President Global HR bei Heidelberger Druckmaschinen und Honorarprofessor an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Der Jurist Felder ist Vizepräsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU).

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