Die Zukunft heißt Smart HRM

Personalmanagement

Internet der Dinge, Smarte Dienste, Big Data: Auch für HR wird aufgrund der Digitalisierung ein nachdrücklicher Wandel erwartet. Eine Expertenstudie der Universität des Saarlandes erläutert Veränderungen der Personalarbeit, die sich im Spannungsfeld neuer Anforderungen und neuer Möglichkeiten durch die Digitalisierung ergeben werden.

Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist ein inzwischen breit diskutiertes allgemeines Themenfeld. Die zentrale Technikkategorie stellt das Internet der Dinge dar, das es grundsätzlich ermöglicht, eine Vielzahl an physischen Objekten, oder eben Dingen, mit dem Internet zu verbinden. Über Sensoren ist es möglich, zahlreiche auf das entsprechende Ding und seine Umgebung bezogene Größen in Echtzeit zu messen und ins Internet zu übermitteln. Über Aktuatoren können die entsprechenden Gegenstände aus dem Internet automatisiert „ferngesteuert“ werden. Dies ermöglicht es den angeschlossenen Dingen, sich in autonomer Weise kontextadäquat zu verhalten, weswegen sie auch die Bezeichnung smarte Dinge haben. Derzeit werden zahlreiche Anwendungsfelder diskutiert, die von einer Anwendung in Privathäusern (Smart Home) bis zu einer Anwendung in der industriellen Fertigung (Smart Manufacturing) reichen.

Auch in der Personalarbeit werden seit einiger Zeit mögliche Folgen der Digitalisierung intensiv diskutiert. Dabei stehen insbesondere technikinduzierte Veränderungen personalwirtschaftlicher Anforderungen im Vordergrund sowie die Möglichkeiten, diesen geänderten Anforderungen gerecht zu werden. In der Diskussion häufig übersehen wird, dass die anstehenden technischen Veränderungen für die Personalarbeit nicht nur neue Anforderungen bedeuten, sondern auch neue Möglichkeiten bieten.

In einer Expertenstudie der Universität des Saarlandes wurden daher 40 Experten der Human Resources sowie der Human Resources Information Technology (HRIT) aus Wissenschaft und Praxis zu möglichen Implikationen für die Personalarbeit durch das Internet der Dinge befragt. Dabei standen Veränderungen von HR-Technologien, HR-Funktionen und HR-Positionen im Fokus der Befragung.

Veränderungen von HR-Technologien

Interessante Aufschlüsse ergeben sich zunächst in Bezug auf HR-Technologien. Wie sich derzeit mit ersten Pionieranwendungen zumindest andeutet, erwarten die Experten, dass Sensoren künftig verstärkt zur Erfassung personalwirtschaftlich relevanter Daten herangezogen werden. Dies wird zum einen durch smarte Dinge ermöglicht, die etwa als Werkzeuge, Werkstücke oder Fahrzeuge von Mitarbeitern im Rahmen ihrer täglichen Arbeit verwendet werden. Zum anderen wird aber auch die Verwendung personalwirtschaftsspezifischer Sensoren vorhergesagt, die Mitarbeiter etwa als Wearables am Körper tragen können. Diese Sensorisierung der Personalarbeit ist insbesondere vor dem Hintergrund der in Deutschland traditionell sensiblen personalwirtschaftlichen Datenverarbeitung ein bemerkenswertes Ergebnis. Neben dem Einsatz von Sensoren wird aber auch die personalwirtschaftsspezifische Anwendung von kompletten smarten Dingen erwartet. So stellt etwa die Verwendung smarter Lernwerkzeuge, die neue Mitarbeiter autonom in ihre Verwendung einführen und ihre eigene Anwendung autonom trainieren, ein erwartetes Anwendungsszenario dar. Beispielsweise existieren derzeit schon Prototypen von smarten Automobilen, die Fahranfängern autonom das Autofahren beibringen können.

Um Sensordaten systematisch zu nutzen und um digitale personalwirtschaftliche Services wie zum Beispiel Trainingsmaßnahmen ausliefern zu können, wird außerdem von einer Anbindung künftiger HR-Software an das Internet der Dinge ausgegangen. Das heißt, HR-Software wird direkt mit personalwirtschaftlich relevanten Dingen über das Internet interagieren. Insbesondere als Folge der verstärkten Nutzung von Sensoren wird weiter von einem künftig stark anwachsenden personalwirtschaftlichen Datenbestand ausgegangen. Diese Daten werden in Echtzeit bereitgestellt und durch zeitlich kurz aufeinander folgende Erhebungen sehr detailliert sein. Entsprechend gehen die Experten davon aus, dass mit der Digitalisierung auch im Personalbereich Big Data entstehen werden. In Summe erwarten sie damit auch für die Personalarbeit, dass Technologien des Internets der Dinge verwendet und entsprechend zu Veränderungen der Hardware, der Software und der Daten der Personalarbeit führen werden.

Veränderungen von HR-Funktionen

Als Folge der generellen aber auch der eben beschriebenen personalwirtschaftlichen technischen Veränderung erwarten die Experten auch Veränderungen der personalwirtschaftlichen Funktionen. Interessanterweise gehen sie dabei davon aus, dass nicht alle üblichen Funktionen gleichermaßen vom Internet der Dinge betroffen sind. Die Verwendung von Sensoren und smarten Dingen wird demnach insbesondere für das Personalcontrolling, den Personaleinsatz und die Personalentwicklung erwartet, während weitere Funktionen wie etwa Personalbeschaffung, Vergütung und Performance Management die Möglichkeiten des Internets der Dinge eher weniger nutzen werden.

Im Personalcontrolling wird im Gefolge der Sensorisierung zunächst von einer deutlichen Ausdehnung der personalwirtschaftlichen Informationsversorgung ausgegangen. Dabei wird sich zum einen der quantitative Umfang verbessern; interessanterweise wird aber auch von einer Verbesserung der qualitativen Güte der Informationsversorgung ausgegangen. Damit werden für immer mehr personalwirtschaftliche Aktivitäten und Entscheidungen detaillierte Echtzeitinformationen angenommen. Darin wird die Chance eines Übergangs von einer intuitions- zu einer informationsbasierten Personalarbeit und damit letztlich einer Verbesserung der Personalarbeit gesehen.

Insbesondere für die Funktionsbereiche Personalcontrolling, Personaleinsatz und Personalentwicklung wird weiter eine deutliche Beschleunigung der Personalarbeit prognostiziert. Die Grundlage bietet dabei die Entwicklung im Personalcontrolling, das auf Basis von Echtzeitdaten in der Lage sein wird, auch Informationen in Echtzeit bereitzustellen – und damit deutlich schneller als bisher. Dadurch werden sich Einsatzplanung und der Einsatz von Personal deutlich beschleunigen. Hintergrund sind erwartete Veränderungen der Arbeitsorganisation, bei der smarte Dinge – wie etwa Werkstücke und Werkzeuge – miteinander kommunizieren, um anstehende Aufgaben kurzfristig zu koordinieren. In der Folge werden Arbeitsaufträge sehr kurzfristig anstehen, was auch eine kurzfristige Einsatzplanung und Einsatz von Personal möglich macht – in Einzelfällen kann dies bis zu einer Echtzeiteinsatzplanung und einem Echtzeiteinsatz gehen.

Ebenso können sich Trainingsmaßnahmen beschleunigen. Das bisher schon bekannte Konzept des „Just in time“-Trainings wird intensiviert. Entsprechend können Trainingseinheiten – zum Beispiel konkretes Prozess- und Anwenderwissen – in Echtzeit genau dann bereitgestellt werden, wenn diese benötigt werden. Hierbei werden insbesondere Assistenzdienste in smarten Dingen zur „Auslieferung“ solcher Trainingsmaßnahmen Verwendung finden.

Das Performance Management gilt als Beispiel eines Funktionsbereichs, der die Möglichkeiten des Internets der Dinge weniger nutzen wird. Obwohl es grundsätzlich technisch möglich ist, wird hier davon ausgegangen, dass beispielsweise Leistungsdaten von Mitarbeitern – wie Arbeitsmenge, Arbeitsgüte und Arbeitsgeschwindigkeit – nicht von Sensoren erfasst werden. Performance Management bildet damit ein Beispiel dafür, dass besonders sensible Funktionsbereiche eher nicht für eine Unterstützung durch das Internet der Dinge für geeignet gehalten werden. In einer übergeordneten Perspektive verdeutlicht dies die besondere Herausforderung, die produktive Nutzung von Sensordaten in der Personalarbeit einerseits mit dem berechtigten Interesse des Schutzes von Mitarbeiterdaten und -privatsphäre andererseits zu versöhnen. Ohne einen solchen Interessensausgleich wird eine produktive Anwendung nicht möglich sein.

Veränderungen von HR-Positionen

Mit den Veränderungen von Technologien und Funktionen wird nach Einschätzung der befragten Experten auch eine Veränderung von HR-Positionen einhergehen. Unabhängig von konkreten Personalpositionen wurde zunächst generell nach der künftigen Verteilung von HR-Aufgaben auf verschiedene Aufgabenträger gefragt: Interessanterweise wird das Internet der Dinge nach Auffassung der Experten zu einer weiteren Verlagerung von Aufgaben weg von der klassischen Personalabteilung führen. Zum einen wird eine verstärkte Auslagerung von Aufgaben an externe Dienstleister erwartet, zum anderen auch die deutliche Intensivierung eines Employee Self Service, der nun nicht mehr nur über internetfähige Computer, sondern zusätzlich auch über andere intelligente Gegenstände erfolgen kann. Mit Blick auf konkrete HR-Positionen ist eine prognostizierte Folge die breite Digitalisierung. So wird für Personalsachbearbeiter-, Personalreferenten- und Personalleitungspositionen gleichermaßen erwartet, dass sich der Anteil digitaler Aufgaben deutlich erhöhen wird. Damit korrespondieren erhöhte digitale Qualifikationsanforderungen in Zukunft. Allerdings wird ebenso für alle drei Positionen eine verbesserte digitale Unterstützung durch künftige HR-Technologien erwartet.

Smart HRM als realistisches Zukunftsszenario

Im Fazit sehen die befragten Experten durchaus ein breites Spektrum, die Möglichkeiten, die das Internet der Dinge für die Personalarbeit bietet, zu nutzen – nicht zuletzt auch deshalb, um den an das Human Resources Management zukünftig gestellten Anforderungen gerecht werden können. Eine solche von den befragten Experten vorausgesagte Anwendung kann – einer internationalen Bezeichnungskonvention folgend – als smarte Personalarbeit oder eben als Smart HRM bezeichnet werden. Die Ergebnisse widersprechen der Annahme, die Herausforderungen der Digitalisierung seien mit Mitteln eines konventionellen „strategischen“ Personalmanagements alleine zu bewältigen. Phänomene wie die Beschleunigung der Personalarbeit belegen, dass zumindest gewissen personalwirtschaftlichen Anforderungen nur durch Smartes HRM begegnet werden kann.

Damit entsteht für die Unternehmen durchaus auch ein spürbarer Veränderungsdruck, ihre personalwirtschaftlichen Technologien, Funktionen und Positionen an künftig veränderte Anforderungen anzupassen. Befragt, inwiefern das HRM derzeit bereits auf diese Herausforderungen vorbereitet ist, sind die Experten allerdings skeptisch: Eine Mehrheit glaubt nicht, dass die Personalprofession auch nur erkannt hat, dass das Internet der Dinge (auch) eine personalwirtschaftlich relevante Entwicklung darstellt.

Noch deutlicher fällt die Einschätzung der derzeitigen Fähigkeiten des HRM aus, den Anforderungen des Internets der Dinge gerecht zu werden. Diesbezüglich war kein einziger Experte der Auffassung, dass das der Fall ist. Diese Einschätzungen zeigen, dass sich das Personalmanagement offenbar noch am Anfang einer Beschäftigung mit der Digitalisierung befindet. Es werden noch erhebliche Anstrengungen notwendig sein.

Die Studie
Eine Delphi-Studie der Universität des Saarlandes hat künftige digitalisierungsbedingte Veränderungen der Personalarbeit untersucht. Dazu wurden Prognosen von 37 renommierten deutschen HR- und HRIT-Experten aus Wissenschaft und Praxis zusammengefasst. Die Studie zeigt auf, dass sich insbesondere HR-Technologien, HR-Funktionen und HR-Positionen mittelfristig ändern werden und gibt Aufschluss über verschiedene zu erwartende Veränderungen. Ein detaillierter Abschlussbericht steht unter www.mis.uni-saarland.de zum kostenlosen Download bereit.

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Stefan Strohmeier

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