Wie man mit digitalen Geräten selbstbestimmt umgeht

Personalmanagement

Ohne Technologie ist Arbeiten undenkbar geworden. Doch digitale Geräte können abhängig machen, lösen Stress aus und mindern unsere Produktivität. Zwar ist ein absoluter Digital Detox unrealistisch. Doch es gibt Möglichkeiten, sich zu mehr Selbstbestimmung zu disziplinieren.

Stellen Sie sich vor, Sie haben viele Stunden und Gedanken in die Vorbereitung einer Präsentation gesteckt, sie blicken ins Publikum und die eine Hälfte der Zuhörer sitzt tippend hinter einem Laptop und die andere Hälfte beschäftigt sich mit dem Smartphone. Als Sie nach dem Meeting Ihren Chef darauf ansprechen, versteht er nicht so recht, was Sie meinen. Dabei schaut er Ihnen nicht in die Augen, sondern liest Nachrichten auf seinem Smartphone. Sie gehen zurück in Ihr Büro – und checken erst einmal Ihre E-Mails. Vielleicht ist ja etwas dabei, das diesen miesen Tag noch retten könnte.

Digitale Abhängigkeit ist eine Sucht, die rauschähnliche Zustände vergleichbar mit anderen Süchten wie der Spielsucht oder Substanzmittelabhängigkeit auslösen kann. Bei digitaler Abhängigkeit besteht jedoch keine körperliche, sondern eine psychische Abhängigkeit, die den Alltag und das soziale Miteinander erheblich beeinträchtigt.

Letztendlich handelt es sich dabei um eine Konditionierung. Der US-amerikanische Psychologe Burrhus Frederic Skinner, ein prominenter Vertreter des Behaviorismus, hat bereits in den 1930er Jahren dazu geforscht. Dafür hat er Tauben in einer Box beobachtet. Wenn die Vögel eine runde Metallscheibe, die in der Box angebracht worden war, anpickten, erhielten sie Futter. Die Tauben lernten also, dass ihr Verhalten eine positive Konsequenz zur Folge hatte. Ihr Gehirn schüttete Dopamin aus, ein Neurotransmitter, der den Antrieb steigert. Die Box, in der die Tauben saßen, nannte man Skinner-Box. Heutzutage haben über zwei Milliarden Menschen immer solch eine Skinner-Box dabei: ihr Smartphone.

Unterbrechungen sind schädlich

Diese Skinner-Box kann sich im Arbeitsalltag als großer Störenfried herausstellen. Denn sie unterbricht immer wieder produktive Arbeitsphasen. Und selbst kleinste Unterbrechungen, wie das Lesen einer kurzen Textnachricht, haben einen signifikanten Einfluss auf die Fehlerquote beim Bearbeiten darauffolgender Aufgaben. Das Phänomen des Flows, also ein besonders fokussierter und produktiver Zustand, ist mit einer Skinner-Box auf dem Schreibtisch nicht zu erreichen. Das Smartphone verleitet nicht zuletzt aufgrund seiner Handlichkeit zum Cyberloafing, also zu kleinen Internetspaziergängen während der Arbeitszeit. Auch Cyberloafing kann durch Suchtverhalten ausgelöst sein und den konzentrierten Arbeitsfluss stören.

Schlafmangel durch Smartphone

Die ständige Nutzung digitaler Geräte zu Hause hat ebenfalls zumindest indirekt einen Einfluss auf den Arbeitstag. Die meisten Menschen nehmen das Smartphone mit ins Bett. Doch wurde bereits nachgewiesen, dass die Nutzung von Computern, Tablets und Smartphones am Abend die Schlafqualität verschlechtert. Ermüdungserscheinungen am Tag sind die Folge. Was Schlafmangel für die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit eines Menschen bedeutet, ist hinlänglich bekannt. Chefs, die erwarten, dass ihre Angestellten auch am Abend noch E-Mails lesen und bearbeiten, schaden der Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Immerhin ist Stress, definiert als Zustand von Unausgeglichenheit oder gefährdeter Homöostase (Gleichgewichtszustand), in Europa heute das zweithäufigste altersbedingte Gesundheitsproblem. Und oft wird er eben durch Schlafmangel ausgelöst.

Änderung des Bewusstseinszustands

Wir brauchen also einen bewussteren und gesünderen Umgang mit Technologien. Um Stress zu reduzieren, wird Digital Detox immer populärer. Während eines Digital Detox bleiben Handy und Laptop für eine bestimmte Zeit aus. Der Begriff „Digital Detox“ wurde im Jahr 2013 weltweit bekannt, als das erste Digital-Detox-Camp in Kalifornien eröffnet wurde. Dort trafen sich bis zu 300 Teilnehmer für mindestens ein Wochenende. Die Regeln waren so eindeutig wie einfach: keine digitalen Technologien, keine Uhren, keine Gespräche über die Arbeit, keine Drogen und kein Alkohol sowie keine künstlichen Lichtquellen. Nun wird aber nicht jeder Angestellte Lust auf einen Aufenthalt im Digital-Detox-Camp haben. Doch auch im Arbeitsalltag kann die digitale Abhängigkeit verringert werden:

1. Unternehmen können klare Regeln zur Nutzung digitaler Endgeräte aufstellen. E-Mail-Server könnten zu bestimmten Zeiten nach Feierabend und vor dem Beginn der Arbeitszeit abgeschaltet werden, so dass der Arbeitnehmer keinen Zugriff auf seine E-Mails hat und idealerweise auch keine schreiben kann.

2. Im Unternehmen sollten digitale Ruhepausen respektiert und gefördert werden, indem immer wieder Hinweise und Tipps zu einem gesunden Umgang mit dem Smartphone gegeben werden.

3. Aber natürlich liegt es auch in der Verantwortung eines jeden Mitarbeiters selbst, sich bewusst für einen zwischenmenschlichen Umgang miteinander im Team und im Unternehmen zu entscheiden. Chefs sollten hier als gutes Beispiel vorangehen.

Bewusste Digital Breaks im Laufe eines Arbeitstages können den Stress bereits reduzieren. Einfache Gelegenheiten für ein Digital Break ergeben sich beispielsweise in der Kaffee- und insbesondere in der Mittagspause. Auch eine Teilnahme an einem Meeting kann gleichzeitig eine ganz bewusste Entscheidung gegen die Nutzung digitaler Geräte sein.

Bewusste Verhaltensänderung ist entscheidend

Entscheidend für einen gesünderen Umgang mit Technologien ist letztendlich die bewusste Verhaltensänderung des Einzelnen. Eine positive Verhaltensänderung kann durch folgende Maßnahmen unterstützt werden:

  • Das Abschalten aller, wirklich aller, automatischen Benachrichtigungen auf dem Smartphone, insbesondere auf dem Lock Screen. Idealerweise ist diese Maßnahme kombiniert mit einer entsprechenden Unternehmenskultur beziehungsweise Unternehmensregel, die eine verzögerte Beantwortung von Mitteilungen im Sinne eines fokussierten und konzentrierten Arbeitens erlauben.
  • Das Abrufen von E-Mails ausschließlich in festen Zeitfenstern während eines Arbeitstags – oder zum Beispiel lediglich drei Mal am Tag. E-Mails sollten insbesondere nicht in Arbeitspausen abgerufen werden, weil das bereits Stress auslösen kann.
  • Das Einrichten von Digital-Detox-Räumen, also technologiefreien Räumen. So könnte ein Meetingraum als Digital-Detox-Raum definiert werden. Idealerweise gibt es darin keinen Zugriff auf Intranet oder Internet. Wer diesen Raum bucht, setzt klare Erwartungen im Sinne eines Digital Breaks an die Teilnehmer des Meetings.
  • Das Weglegen eines Smartphones während Gesprächen mit Kollegen.
  • Die bewusste Erfahrung der beruhigenden Wirkung einer Zeit ohne Smartphone, indem für den nächsten Urlaub ein Ziel gebucht wird, an dem es keinen Internetzugang gibt.

Christian Schmidkonz, Patricia Kraft und Viktoria Welledits sind Co-Autoren des Buches „Digital Detox im Arbeitsleben – Methoden und Empfehlungen für einen gesunden Einsatz von Technologien“.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Neuro. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Patricia Kraft, Munich Business School

Patricia Kraft

Patricia Kraft ist Professorin für Internationale Betriebswirtschaft und Studiendekanin an der Munich Business School (MBS).
Christian Schmidkonz, Munich Business School

Christian Schmidkonz

Christian Schmidkonz ist Professor für Internationale Betriebswirtschaftslehre und Managerial Economics an der MBS.
Viktoria Welledits, Business Development, Hoxhunt

Viktoria Welledits

Viktoria Welledits arbeitet im Business Development für das finnische Cyber- security-Start-up Hoxhunt.

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