Ralf Beste ist stellvertretender Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt. Dort wird gerade die interne Kommunikation modernisiert. Im Interview erklärt er, warum die Hauskultur auf dem Prüfstand steht und wie er mit den Diplomaten ins Gespräch gekommen ist.
Angefangen hat es mit dem Projekt „Review 2014 – Außenpolitik weiter denken“, das von Frank-Walter Steinmeier ins Leben gerufen wurde, als er im Dezember 2013 zum zweiten Mal Außenminister wurde. Damit wollte er eine „Selbstverständigung über die Perspektiven deutscher Außenpolitik“ anstoßen und mit verschiedenen Stakeholdern in einen Dialog über die deutsche Außenpolitik treten. Neben einer Befragung internationaler Experten und der Debatte mit der deutschen Öffentlichkeit sollten auch die Mitarbeiter des Auswärtigen Amts einbezogen werden. Mit der Frage, was man besser machen könne, ging auch einher, die interne Kommunikation einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
Herr Beste, beim Projekt „Review 2014 – Außenpolitik weiter denken“ ging es darum, die Perspektiven deutscher Außenpolitik umfassend zu beleuchten, auch aus der Sicht der Mitarbeiter des Auswärtigen Amts. Die Diskussion mit ihnen war eine von drei Projektphasen. Warum wurde das als so wichtig erachtet?
Ganz einfach: Diese Leute machen die Außenpolitik, über die im Rahmen des Review diskutiert wurde. Wir brauchen sie dafür. Außenpolitik ist ein persönliches Geschäft.
Und was bewegt die Mitarbeiter am meisten?
Sie wollen sich an das machen können, was sie am liebsten tun: Sich mit Außenpolitik beschäftigen und nicht zu viel Zeit mit Routineaufgaben verbringen. Der Arbeitsalltag soll von Ballast befreit werden. Das war eine der wichtigsten Forderungen vieler Mitarbeiter.
Damit ist man schnell beim Thema Kultur. Warum gehörte sie auf den Prüfstand?
Viele hatten das Gefühl, dass es lang überlieferte Routinen und nicht hinterfragte Traditionen sind, die einen Teil des Ballasts ausmachen. Es gab beispielsweise die Ansicht, dass viele Probleme besser gemeinsam im Dialog gelöst werden als auf dem schriftlichen Dienstweg. Es gibt natürlich Probleme, die man am besten schriftlich behandelt. Aber gerade wenn es darum geht, diplomatische Initiativen zu konzipieren, braucht man ein gewisses schöpferisches Element.
In welche Richtung soll es gehen?
Wir wollen im Auswärtigen Amt die Verantwortlichkeiten breiter verteilen und die Leute stärker an Entscheidungen beteiligen. Dabei geht es auch darum, ihnen verstärkt das Gefühl zu geben, einen Unterschied für die deutsche Außenpolitik zu machen und Teil dieses Prozesses zu sein. Es geht also um Verbindlichkeit und Identifikation.
In der Presse konnte man in der Vergangenheit mehrfach lesen, dass die Stimmung im Amt unter Frank-Walter Steinmeiers Vorgänger Guido Westerwelle angeblich nicht die beste war. Hat das die Offenheit der Mitarbeiter für das Review-Projekt von Minister Steinmeier gestärkt?
Stimmungen hängen vielleicht vom Minister ab, die Kultur und die Strukturen eines so großen und alten Ministeriums sind jedoch über viele Jahre gewachsen. Minister Steinmeier hat gesagt: Lasst uns mal gucken, welche von den Strukturen erhaltenswert und welche verbesserungswürdig sind und wie wir dem Bedürfnis der Mitarbeiter nach Veränderung Rechnung tragen können. Und das insbesondere vor dem Hintergrund der gestiegenen Erwartungen an die deutsche Außenpolitik, durch die Häufung von Krisen und den Zerfall von Ordnung. Minister Steinmeier kam mit diesem Projekt ins Auswärtige Amt und hat es mit seinem Namen verbunden.
Ein Blick in die Praxis: Wie sind Sie mit den Mitarbeitern ins Gespräch gekommen?
Erst einmal haben wir versucht, möglichst alle Mitarbeiter anzusprechen und haben dafür die entsprechenden Formate gesucht. Sicherlich war es leichter, die Kollegen in der Zentrale zu erreichen als diejenigen in den über 220 Auslandvertretungen rund um den Globus. Natürlich haben auch nicht alle bei unseren Veranstaltungen mitgemacht, und wir haben sicherlich auch nicht jeden überzeugt. Aber wir haben ein möglichst glaubwürdiges Angebot zum Dialog geschaffen und auch viele Leute, die skeptisch waren, positiv überrascht. Das zeigen uns die Rückmeldungen.
Können Sie sagen, wie viele sich prozentual beteiligt haben?
Aktiv beteiligt haben sich rund dreißig Prozent. Da gab es aber sehr unterschiedliche Arten des Engagements. Manche haben mal an einer Diskussionsveranstaltung teilgenommen, andere haben in langer Feierabendarbeit alleine oder in der Gruppe eigene Ideen für konkrete Projekte entwickelt.
Und wie haben Sie es geschafft, auch die Auslandsvertretungen mit in die Diskussionen einzubeziehen?
Dazu haben wir zum Beispiel ein Online-Tool benutzt, mit dem es auch über die Zeitverschiebung hinweg möglich war, die meisten der 227 Auslandsvertretungen zu erreichen. So konnten wir den Kollegen die Möglichkeit geben, Diskussion zu allgemeinen Fragen der Außenpolitik zu führen, aber auch ganz konkrete Fragen zu erörtern, wie etwa „Wie verbessern wir unsere europapolitische Koordinierung?“. Die Online-Diskussionen fanden anonym statt, jeder konnte sich einloggen, unabhängig von der Position. Damit wollten wir Breitenwirkung erzielen. Dann gab es sehr viele verschiedene Diskussionsveranstaltungen, bei denen die Leute in der Zentrale und in vielen großen Botschaften ins Gespräch über ihren Arbeitsalltag und die deutsche Außenpolitik kommen konnten. Und wir haben eine Ideenwerkstatt eingerichtet, in der Mitarbeiter in Gruppenarbeit eigene Vorschläge zu Arbeitsstrukturen und zur Verbesserung der Kultur des Hauses erarbeitet haben.
Gab es Mitarbeitergruppen, die für diesen Diskussionsprozess affiner schienen als andere?
Wie in jeder Organisation gibt es bei uns Leute, die nicht finden, dass sich viel ändern muss. Und es gibt – meist jüngere – Kollegen, die eher wollen, dass sich etwas ändert, damit sie mehr gestalten können. Sie wollen sich nicht mit alten Strukturen abfinden. Manchmal ist das schlichtweg eine Generationenfrage, aber wir haben auch ältere Kollegen erreicht, die meinten, dass sie jetzt die Gelegenheit dazu hätten, bestimmte Änderungen anzustoßen, die sie immer schon vornehmen wollten. Sie haben sich auch teilweise mit bemerkenswerter Hingabe in die Gruppenarbeiten eingebracht.
Außerdem gab es den Vorbehalt, dass dies alles nur eine Frage des höheren Dienstes, also der oberen Diplomatenränge, sei. Doch wir konnten ganz gut zeigen, dass es uns um Prozesse geht, die den Arbeitsalltag jedes Kollegen betreffen.
Im Auswärtigen Amt gilt das Prinzip der Rotation. Die Mitarbeiter wechseln alle drei bis vier Jahre weltweit ihre Posten. Macht das solch einen Prozess nicht zusätzlich komplex?
Die Rotation hält den Laden und die Leute frisch, aber macht es natürlich auch schwer, solche Prozesse kontinuierlich zu strukturieren. Andererseits ist es dadurch aber auch möglich, die persönlichen Erfahrungen und Benchmarks im Haus zu verbreiten. Wenn Kollegen aus einer Arbeitseinheit kommen, in der ein gewisser Wandel stattgefunden hat, können sie die Botschaft in die nächste Einheit weitertragen.
Das eigentliche Review-Projekt ist inzwischen abgeschlossen, intern geht es jetzt an die Umsetzung. Was heißt das für die interne Kommunikation?
Nach dem Ende des Review haben wir eine Projektgruppe gebildet, die bis zum nächsten Sommer die Ergebnisse in die Tat umsetzen soll. Dazu wurden zahlreiche Arbeitsgruppen eingesetzt, die für die einzelnen Themen zuständig sind.
An wie vielen Veranstaltungen hat Minister Steinmeier eigentlich teilgenommen?
Er hat ungefähr ein Dutzend öffentlicher Veranstaltungen im ganzen Land absolviert, bei der Personalversammlung darüber gesprochen und an einer Fishbowl-Diskussion mit Leuten aus dem Haus teilgenommen. Er hat also gezeigt, dass er solche Formate durchaus für geeignet hält und nicht immer eine Rede halten muss.