„Der Cultural Fit ist wichtiger als die fachlichen Fähigkeiten“

Recruiting

Das Thema Kultur hat für die Unternehmen an Bedeutung gewonnen – auch im Recruiting. Christoph Athanas von meta HR sagt, warum das so ist und wie Personaler bei dem Thema vorgehen sollten.

Christoph, ich habe momentan den Eindruck, dass das Thema Kultur für viele Unternehmen zuletzt stark an Bedeutung gewonnen hat. Der VW-Skandal ist ja zum Teil auch ein Kultur-Thema. Wie siehst du das?
Ja, diesen Eindruck habe ich auch. Das Thema ist wie ein U-Boot: Es taucht immer wieder auf. Ich finde, dass Unternehmenskultur schon lange ein Thema ist. Da es aber häufig als schwer greifbar gilt, taugte es dann meist nur für firmeninterne Sonntagsreden und weniger für die konsequente Umsetzung. Wohin es führen kann, wenn man grenzwertige und mitunter schädliche Kulturen duldet oder vielleicht sogar kultiviert, zeigt das Beispiel VW.

Was oder wer prägt am meisten eine Unternehmenskultur deiner Meinung nach?
Long story short: Die Führungskräfte und wie sie Werte vorleben. Das Verhalten von strategischen Führungskräften und von Mittelmanagern prägen aus meiner Sicht eine Unternehmenskultur am meisten.

Auch im Recruiting ist vermehrt vom Cultural Fit die Rede, also einer kulturellen Passung zwischen Unternehmen und Bewerber. Ist dieser Fit deiner Meinung nach wichtiger geworden als die fachlichen Fähigkeiten?
In der Tendenz: Ja. Fähigkeiten können trainiert und auch relativ zeitnah aufgebaut werden, kulturelle Verbundenheit eher nicht. Mal abgesehen von der vermuteten Leistungsfähigkeit eines Bewerbers im zu besetzenden Job, haben Unternehmen oft auch die Fragestellung der Mitarbeiterbindung zu beantworten. Wer das im Recruiting mitbedenken will, wird um die kulturelle Passung kaum herum kommen. Daher sehe ich deren Bedeutung steigen.

Und wo liegen die Chancen, wo die Risiken beim Rekrutieren nach kultureller Passung? Die gelebte Kultur ist ja häufig nicht die, die nach außen getragen wird.
Richtig. Wer meint Kultur verordnen zu können, wird scheitern. Es kann also nur funktionieren, wenn der beim Recruiting verlangte Cultural Fit ein authentisches Abbild der real existierenden Kultur im Unternehmen ist. Zumindest weitgehend. Um dies sauber kommunizieren zu können sollten Unternehmen sich an der eigenen Employer Brand orientieren, sofern diese aus dem Kern der Organisation unter Beteiligung von Mitarbeitern erarbeitet wurde.

Lassen sich die eigenen Werte überhaupt auf den Auswahlprozess übertragen? „Kultur“ ist ja nicht einfach zu greifen.
Unternehmenskultur greifbar zu machen ist in jedem Fall herausfordernd. Allerdings existieren schon seit über 20 Jahren Instrumente zur Messung, die zum Beispiel in der Organisationsentwicklung zum Einsatz kommen. Für die Personalauswahl kann man durchaus schlanker an das Thema rangehen. Es braucht kein unternehmensweites Kulturfeedback wie in der Organisationsentwicklung, wohl aber eine Beschäftigung mit den gelebten Werten beziehungsweise herausstechenden kulturellen Eigenheiten. Wir bieten an zum Beispiel die so identifizierten unternehmenseigenen Kulturaspekte auf eine bereitgestellte Wertelandkarte zu übertragen. Wenn eine solche Bestandaufnahme abgeschlossen ist, können die für die spezifische kulturelle Passung bedeutenden Kulturaspekte operationalisiert und somit in Interviews oder anderen diagnostischen Werkzeugen überprüft werden.

Inwieweit lässt Cultural Fit im Recruiting Diversität zu?
Im Prinzip jede Menge: Es muss nur darauf geachtet werden, dass nicht die kulturelle Passung zum alleinigen K.O.-Kriterium für Bewerber wird. Dann lassen sich beispielsweise Teams oder Abteilungen bedarfsweise mehr oder weniger kulturkonform besetzen. Alternativ kann natürlich auch bereits der Soll-Cultural Fit in einigen Aspekten leicht abweichend von der aktuell vorherrschenden Kultur definiert werden. So würden gezielt Bewerber mit variierendem Kulturprofil präferiert.

Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, dass es in größeren Unternehmen unterschiedliche Kulturen und Werte gibt. Macht es Sinn, in Auswahlverfahren deshalb stärker die jeweiligen Teams einzubeziehen und nicht nur Leiter und HR entscheiden zu lassen?
Natürlich kann es insbesondere in größeren Unternehmen Subkulturen geben. Daher ist es absolut sinnvoll in die Personalauswahl die Fachvorgesetzen oder auch die Teammitglieder einzubeziehen. Eine Reihe von Unternehmen, vor allem Startups, leben dies bereits erfolgreich vor. HR sollte sich dann allerdings nicht zurückziehen, sondern beraten und Unterstützung anbieten, zum Beispiel in Form von standardisierten Entscheidungshilfen. So kann Methoden- und Prozessqualität im Auswahlverfahren abgesichert werden.

Gegenwärtig führen die meta HR Unternehmensberatung GmbH und die Employour GmbH die erste deutschsprachige Studie zum Thema Cultural Fit durch. Dafür werden noch Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Corporate HR-Funktionen gesucht. Der Online-Fragebogen kann in weniger als 10 Minuten ausgefüllt werden. Die Studie wird nach Fertigstellung kostenfrei online via metaHR.de erhältlich sein. Zusätzlich verlost meta HR unter allen Studienteilnehmern ein Freiticket für das nächste HR BarCamp im Februar 2016 in Berlin.

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