Freund oder Feind?

Future of Work

Hinsichtlich der Automatisierung der Arbeit stehen wir am Rande einer Zeitenwende, davon ist Constanze Kurz überzeugt. Was unter anderem der Boom der Robotik für Kompetenzen auch von uns einfordert, erklärt die Forscherin im Interview.

Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus? Roboter und andere hochtechnisierte Systeme gehören in vielen Bereichen schon heute dazu – gerade in der Produktion. Nicht mehr lange, und die Automatisierung wird sämtliche Berufsgruppen betreffen. Jemand, der sich damit intensiv beschäftigt hat, ist Constanze Kurz. Zusammen mit Frank Rieger hat sie eine literarische Entdeckungsreise zu den Maschinen unternommen, die uns ersetzen.

Frau Kurz, tritt man heute in eine moderne Produktionshalle, ist die Chance groß, dass man mehr Roboter sieht als Menschen. Ist Programmierung die neue Alphabetisierung?
In gewisser Weise schon. Es wird natürlich immer wichtiger, wie man diese Maschinen, aber auch die Software dazu konzipiert. Auch die Qualifizierung derjenigen ist wichtig, die mit den Maschinen arbeiten. Aber die neuen Generationen von Robotern werden auch eher so konzipiert, dass die Menschen, die mit ihnen arbeiten, auch in die Lage versetzt werden, das zu tun. Dabei geht es aber nicht um Programmierung im eigentlichen Sinn, sondern dass die Beschäftigten Benutzerinterfaces für die Roboter bekommen, mit denen sie besser umgehen können.

Muss es denn zur Allgemeinbildung gehören, wie wir mit Maschinen, mit Software kommunizieren?
Nein. Sicherlich wird man sich in vielen Bereichen spezialisieren müssen, aber das ist heute ja bei fast allen Professionen so. Die Generation, die jetzt aufwächst und ihre Erfahrung im alltäglichen Gebrauch von informationstechnischen Systemen macht, wird diese auch nutzen können. So wie sich die Mensch-Maschine-Interfaces bei Smartphones ändern, wird das auch im Arbeitsbereich geschehen.

Automatisierung an sich ist nun ja nicht unbedingt eine neue Entwicklung. Was ist jetzt anders?
Man kann aus der Geschichte sicherlich eine Menge lernen. Der Buchdruck oder die Dampfmaschine beispielsweise waren einschneidende Veränderungen, die auch die Gesellschaft geprägt haben. Der große Unterschied bei der jetzigen Technologiewelle – wir sind ja schon über die Schwelle hinaus – ist die Dynamik, mit der sie vonstattengeht. Man hat einfach nicht mehr die Zeit wie in früheren Jahrhunderten, um den Menschen über Bildung die nötigen Qualifikationen zu geben, sondern es wird relativ schnell gehen, dass bestimmte Fähigkeiten überhaupt nicht mehr gebraucht werden.

Wo wäre das der Fall?
Am deutlichsten sieht man es, wenn ein Betrieb auf ein Softwareprodukt umstellt, beispielsweise Oracle oder SAP. Dann ist es heute schon so, dass sich die Prozesse eher an die Software anpassen. Das geht soweit, dass in den USA ganze Personalabteilungen wegrationalisiert werden, weil die Aufgaben komplett in Software abgebildet werden können. Das sind Bereiche, von denen man es so nicht erwartet hatte.

Was bedeutet diese Entwicklung für unsere Arbeitswelt?
Man muss sich da Branche für Branche anschauen und überlegen, welche Bereiche zukünftig zu großen Teilen oder vollständig maschinisiert oder von Software übernommen werden. Das sind eine ganze Menge. Augenscheinlich ist es am Beispiel der autonomen Fahrzeuge. Wir stehen hier an einer Schwelle, wo die Prozessor- und die Speicherleistung, aber auch die Kosten an einem Punkt angelangt sind, an dem ein Computer die Steuerung eines Fahrzeugs allein übernehmen kann. Aber was machen wir dann mit den mehreren hunderttausend Menschen, die Taxi oder LKW fahren? Der Zeitraum, in dem das relevant wird, ist nicht in ein paar Jahrzehnten sondern eher in fünf Jahren.

Welche Kompetenzen müssen wir entwickeln, um in einer solchen Arbeitswelt unseren Platz zu finden?
Ziemlich gute Karten werden diejenigen haben, die sich im weitesten Sinne mit der Instandhaltung von Maschinen, ihrer Programmierung und der Konzeption von Software beschäftigen. Ich glaube aber, dass fast alle Berufsgruppen lernen müssen, mit Maschinen zusammenzuarbeiten. Aber vieles, was man dringend bräuchte, wird in der Bildung nicht vermittelt. Das wird zu gesellschaftlichen Problemen führen und ich würde mir wünschen, dass die Politik das stärker aufgreift.

Die Debatte ist nicht da?
Nein. Im Wahlkampf haben alle über den Mindestlohn gesprochen. Dabei wurden diese Fragen der Automatisierung oder der Übernahme von menschlicher Arbeit durch Software überhaupt nicht mitdiskutiert, obwohl das eine ökonomische Grenze ist, an der man Investitionen festmacht. Mich hat das sehr geärgert. Das muss jetzt debattiert werden. Wir brauchen Ideen, denn wir besteuern ja auch menschliche Arbeit. Ob das auch in Zukunft so sein kann, weiß ich nicht.

Wie könnte da ein Lösungsansatz aussehen?
Die Frage, ob man auch maschinelle Arbeit besteuert, wird eine Rolle spielen müssen. Wir sind ja eine klassische Umverteilungsgesellschaft, daher muss man sich überlegen, was zu tun ist, wenn ein Großteil der Arbeit eben nicht mehr von Menschen gemacht wird. Es gibt ja schon lange eine Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen. Es ist eine Riesenchance, dass wir Maschinen haben, die uns Arbeit abnehmen können. Mir mangelt es in der politischen Arena aber an einer guten Vision.

Ich würde gerne noch einmal auf die rein praktische Seite der Automatisierung zurückkommen. Arbeitsabläufe und Produktionsketten für Automaten zu programmieren, stelle ich mir ungeheuer kompliziert vor. Wird das allein ein Feld für Spezialisten?
Es wird zum Beispiel gerade eine Generation von Robotern entwickelt, hinter der eine neue Idee steht, wie man die Zusammenarbeit mit den Menschen organisiert und wie man der Maschine neue Tätigkeiten beibringt. Das ist kein Prozess, in dem man abstrakt programmiert, sondern eher als wenn man einem Kind etwas beibringt. Ich zeige Handgriffe und der Roboter macht sie nach. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Sensorik besser geworden ist und Roboter inzwischen ihre Umgebung sehr gut erfassen und verarbeiten können. Natürlich kann man nicht jeden Arbeiter zum Programmierer umschulen. Das wäre auch nicht wünschenswert.

Kann man einen Roboter ausbilden wie einen Menschen?
In gewisser Weise schon, das ist ja auch das Ziel von dem, was ich gerade beschrieben habe. Teilweise gibt es auch schon selbstlernende Komponenten. Das steckt aber noch in den Kinderschuhen. Bei Algorithmen ist das schon weiter verbreitet.

Wie lernen Maschinen? Ist das tatsächlich ein kognitiver Prozess wie bei uns?
Man darf sich diese Form der Intelligenz nicht so sehr wie die menschliche vorstellen. Der Mensch nimmt im wesentlichen Dinge auf, indem man sie ihm zeigt. Aber er hat natürlich auch eine semantische Ebene. Er hat einen Begriff davon, was Sonne ist, oder was ein Tisch ist. Bei Maschinen ist es eher so, dass sie das über die Form machen. Die Syntax spielt eine große Rolle. Ich habe nicht mehr den Eindruck, dass die maschinelle Intelligenz sich so sehr am Menschen orientiert.

Sondern?
Man kann auch das sehr schön am Beispiel der autonomen Fahrzeuge erklären. Zuerst hat man wirklich versucht, das doch relativ komplexe Verhalten eines menschlichen Fahrers zu imitieren. Heute ist man da eigentlich drüber hinweg, weil man erkannt hat, dass Computer sehr viel mehr können. Wir als Menschen sind im Straßenverkehr eingeschränkt. Wir haben keine 360-Grad-Sicht. Wenn es dunkel wird, sehen wir schlecht, wir sind abgelenkt oder müde. Alle diese Schwächen hat eine Sensorik nicht. Aber sie kann auch bestimmte Sachen nicht. Ich kann beispielsweise das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer abschätzen. Doch das müssen Maschinen auch gar nicht, weil ihre Sensorik so viel leistungsstärker ist. Wenn ich in sehr großem Abstand alle Fahrzeuge sehe und weiß, wie sie sich bewegen, wäre das ein sensorischer Overkill für mich. Aber die Maschine gleicht damit die Dinge aus, die der Mensch so nebenbei macht.

Sind Fabriken vorstellbar, in denen Automaten gänzlich ohne Menschen auskommen und ihre Arbeitsabläufe untereinander selbst organisieren?
Ja, durchaus. Amazon beispielsweise hat Kiva Systems aufgekauft. Deren Roboter können Regale anheben und sie zu dem Packer schieben. Aber das Interessante daran ist, dass sie das gesamte Lager umsortieren. Die wissen, dass ab November der Lebkuchen vorne stehen muss oder wann was eher gekauft wird und wie man Standorte kombinieren kann. Das Lager ist permanent in Bewegung. Natürlich können da keine Menschen mehr agieren. Doch es gibt eine Fähigkeit, die diese Roboter noch nicht haben – in ein Regal zu greifen und irgendein komplexes Objekt zu nehmen, was eine menschliche Hand ohne weiteres kann. Im Prinzip braucht es also nur noch die Bewegung des Armes des Menschen. Aber wir sind unmittelbar davor, dass diese Greifbewegung ebenfalls von Robotern durchgeführt werden kann. Und dann wird dieser Arbeitsplatz wegfallen.

Woher nimmt der Roboter das Wissen, um den Lagerbestand zu optimieren?
Im Prinzip ist die gesamte Logistik in diesem System vernetzt, nicht nur die Roboter. Man kennt ja die Historie und weiß, was der Kunde wann bestellt hat. Das ist alles von einem zentralen System beherrscht. Natürlich wird es da auch immer Anomalien geben, aber im Wesentlichen ist es sehr gut prognostizierbar, dass zu einer bestimmten Zeit bestimmte Waren mit einer bestimmten Häufigkeit gekauft werden.

Ist das ein sich selbst optimierender Prozess?
Die Lernfähigkeit des Systems ist natürlich begrenzt, aber man kann eine gewisse Zeit zurückblicken und daraus Schlüsse ziehen. Das ist nichts anderes, als in einem Tante-Emma-Laden, dessen Besitzerin weiß, sie braucht ihre 2.500 Stücke Butter im Monat – nur eben deutlich komplexer.

Es klingt alles sehr nach Effizienzstreben und schürt sicher auch Verlustängste. Wie kann man da ein Bild zeichnen, das ohne diese negativen Interpretationen auskommt?
Das ist immer auch eine Frage der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Es braucht ein anderes Bild davon, was es bedeutet, wenn eine Maschine meinen Arbeitsplatz übernimmt. Heute wird das stigmatisiert. Wir müssen das Narrativ drehen und sagen: „Das ist toll. Maschinen nehmen uns Arbeit ab, Maschinen sollten uns Arbeit abnehmen, damit wir mehr Zeit haben für Dinge, die wir als Menschen können, die Maschinen nicht können“. Das ist ein langer Weg und es gibt ja Gründe dafür, warum der Verlust von Arbeitsplätzen so gesehen wird, wie er nun mal heute gesehen wird. Hinzu kommt, dass wir uns Konzepte überlegen müssen, was mit Branchen ist, wo es sehr viele Leute betrifft. Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir diese Automatisierungsdividende anders verteilen. Und das Dritte schließlich ist, dass wir diesen Effizienz- und Optimierungsgedanken nicht überhandnehmen lassen.

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Sven Pauleweit

Sven Pauleweit

Ehemaliger Redakteur Human Resources Manager

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