„Mit Chatbots wird der Prozess menschlicher“

Recruiting

Die rasante digitale Entwicklung sorgt dafür, dass wir bald mit Maschinen sprechen und das völlig normal finden. Chatbots könnten das Recruiting revolutionieren. Bot-Experte Max Koziolek erklärt, wie die Zukunft der Bewerber-Kommunikation aussieht.

Herr Koziolek, wann haben Sie sich das letzte Mal konstruktiv mit einer Maschine unterhalten?

Max Koziolek: Konstruktiv, glaube ich, habe ich mich noch nie mit einer Maschine unterhalten. (lacht)

Sie beschäftigen sich in Ihrem Unternehmen mit Text-basierter Kommunikation, sogenannten Chatbots. Wovon genau sprechen wir bei dieser Mensch-Maschinen-Kommunikation?

Das Wort Bot steht kurz für Robot, also Roboter. Man chattet mit einem Computerprogramm, das die menschliche Sprache als Interface nutzt und dem User so Optionen gibt. Im Prinzip ist es das, was wir ja jeden Tag von Mensch zu Mensch auch machen. Und wir als Unternehmen ermöglichen diesen Service.

Ist der Bot dann nur die Schnittstelle zu einem größeren System zum Beispiel zu einer Datenbank oder einer KI, einer Künstlichen Intelligenz? Oder handelt es sich um ein Gesamtsystem?

Wir betrachten das eigentlich zusammen. Ansonsten könnte der Bot gar nicht mit den Menschen interagieren. Er braucht ja die Inhalte. Die Künstliche Intelligenz beziehungsweise die Fähigkeit, natürliche Sprache zu verstehen, sind letztendlich nur Mittel, um diese Kommunikation überhaupt erst möglich zu machen.

Wie genau funktioniert dieser Prozess?

Wenn zum Beispiel ein User „Hallo“ sagt, dann wird dieses „Hallo“ an ein System geschickt. Das schaut dann, was es mit dem „Hallo“ macht. Wenn es hierfür eine Antwort hat, existiert dafür ein sogenanntes Template. Templates bedeuten wiederum, dass sich mal irgendjemand Gedanken gemacht hat, was man auf ein solches „Hallo“ antworten könnte. Das entsprechende Template wird dann zurückgeschickt und daraus eine Antwort generiert wie: „Hallo, wie geht es dir?“ oder „Schön, dass du dich meldest!“.

Es braucht also noch immer einen Menschen, der die richtige Antwort programmiert. Oder kann das System einen logischen Schluss ziehen, wie es auf die Situation reagiert?

Das geht tatsächlich automatisch. Allerdings muss man hierbei unterschiedliche Fälle betrachten. Es gibt immer einen Menschen, der irgendwann einmal die Antworten erstellt hat. Das ist die Voraussetzung. Antworten mit künstlicher Intelligenz komplett selbstständig zu generieren, ist bisher noch nicht sinnvoll möglich. Das wird auch noch eine Weile dauern. Es muss sich also irgendwann mal jemand mit einer möglichen Antwort beschäftigt haben. Mit der kann man aber unterschiedlich umgehen. Eine Antwort auf ein „Hallo“ zum Beispiel zu haben, ist sehr einfach. Auch der typische Smalltalk über das Wetter ist nicht kompliziert. Aber Menschen können natürlich auch Fragen sehr unterschiedlich und mitunter umständlich formulieren. Die menschliche Sprache hat ja sehr viel Spielraum. Hier werden dann nicht mehr ganz harte Entscheidungen getroffen, sondern anhand von Wahrscheinlichkeiten entschieden: „Das, was der Mensch gerade gesagt hat, ist zu 70 Prozent ähnlich zu einer Fragestellung, für die es eine Antwort gibt. Ich bin mir aber nicht zu 100 Prozent sicher, dass das die richtige Antwort ist“. Das ist dann der Punkt, an dem die KI ins Spiel kommt.

Das System ist also tatsächlich in der Lage, mit Situationen umzugehen, die nicht exakt vordefiniert sind?

Ja, genau so ist es.

Wie stark wird die Technik bereits eingesetzt? Es gibt zwar Beispiele wie den Facebook-Bot von Jobmehappy oder den Chat-Bot von Microsoft. Darüber hinaus hört man recht wenig.

Das Thema hat im letzten Jahr schon sehr an Fahrt aufgenommen. Das wird dieses Jahr noch weiter gehen. Und ich glaube, es ist spätestens 2018 komplett bei jedem von uns im Alltag angekommen. Weil es auch so einfach ist. Wir sehen, dass hier Facebook ganz massiv unterwegs ist. Facebook als meistgenutzte Plattform mit dem Messenger als meistgenutzte App auf dem Smartphone setzt ganz massiv darauf, dass User und Unternehmen miteinander über Chatbots auf der Messenger-Plattform kommunizieren. Und die anderen Großen machen das auch – Amazon beispielsweise mit ihrem Sprachassistenten und auch Google. Es ist bald völlig normal, dass Menschen mit Bots kommunizieren.

Wie lange wird es noch dauern, bis wir echte Kommunikation erreichen? Bislang, so scheint es mir, ist es noch eine Kommunikationssimulation. Ist es noch weit, bis der Turing-Test bestanden ist – also die Maschine in der Kommunikation nicht mehr vom Menschen zu unterscheiden ist?

Es ist eine spannende Frage, ob der Turing-Test vielleicht schon 2017 oder 2018 geknackt wird. Das hängt natürlich auch sehr an den Teams, die ihre Technologie allein dafür entwickeln. Der Turing-Test ist ja eher ein akademischer Anreiz, bei dem es nicht um einen geschäftsgetriebenen, alltäglichen Einsatz geht. Aber ich denke tatsächlich, dass wir das in den nächsten zwei Jahren sehen werden. Der Fortschritt im Bereich des Machine Learning, also einer neuen Art, Software-Programme zu erstellen, ist unwahrscheinlich groß. In ein, zwei Jahren wird es immer mehr Kommunikation mit Chatbots geben, die sich tatsächlich anfühlt wie eine menschliche Kommunikation. Vorher wird aber Funktionalität im Vordergrund stehen. Wir werden Chatbots benutzen, um uns Aufgaben zu erleichtern oder ganz abzunehmen.

Wenn diese Art der Kommunikation Alltag wird, wäre dann nicht eine Art Kennzeichnungspflicht für Bots sinnvoll?

Nein, das glaube ich nicht. Letztendlich ist das nur ein neues Interface. Früher hatten wir Command Lines, mit denen wir Computer bedienen konnten. Dann sind Apple und Microsoft auf die Idee gekommen, ein grafisches Interface einzusetzen. Mit diesen Betriebssystemen konnten dann wiederum mehr Menschen mit Technik und Computern interagieren. Nach dem grafischen Interface kam Touch, was noch mehr Menschen ermöglicht hat, mit Technik umzugehen. Und wenn man jetzt sieht, dass sogar Dreijährige ein iPad bedienen können, dann ist das ein guter Beleg für diesen Zugewinn. Jetzt kommt eine neue Funktion, die noch menschlicher ist als Touch und die grafischen Oberflächen. Das ist die Sprache. Insofern reden wir hier nur über eine Fortentwicklung bestehender Technologie, der man jetzt nicht eine besondere Gefahr zuweisen sollte, so dass es eine Kennzeichnungspflicht bräuchte.

Kann sich ein Chatbot-System selbstständig weiterentwickeln und verfeinern?

Ja, bei den meisten, die das ernsthaft betreiben, ist es so angelegt. Wenn man darüber nachdenkt, dass ein Mensch immer mehr Templates hinzufügen müsste, um den Chatbot mehr Funktionen zuzuweisen, dann ist es offensichtlich, dass das ab einem bestimmten Punkt nicht mehr funktioniert würde.

Ein Anwendungsbereich für Chatbots könnte die Bewerberkommunikation im Recruiting sein.

Ein Chatbot könnte komplette Interviewprozesse durchführen. Das sollte möglich sein. Wenn man sich anschaut, wie Interviews heute geführt werden, dann werden hier oft Fragenkataloge durchgegangen und auch die Antworten sind mehr oder weniger klassifiziert nach eher richtig, eher passend oder eben das Gegenteil. Das kann auch ein Chatbot übernehmen und den Prozess damit verschlanken. So hätte man weniger Kandidaten im finalen Gespräch, könnte aber viel mehr Menschen mit dieser Art der Kommunikation in der frühen Phase des Recruitings prüfen.

Welche Vorteile hätte das für beide Seiten?

Man kann zum Beispiel den Kandidaten es besser ermöglichen, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu zeigen, was über den Lebenslauf nicht möglich wäre. Softskills kann man zwar in die Vita schreiben, ob der Kandidat aber tatsächlich über sie verfügt, kann der Recruiter daran jedoch nicht erkennen. Mit einem Bot lässt sich das relativ gut überprüfen. Zweitens wird der Prozess einfach angenehmer und auch in einer Weise menschlicher. Obwohl ein Programm übernimmt, fühlt sich der Prozess menschlicher an. Mit dieser Art der Kommunikation können Unternehmen zudem deutlich mehr Leute sichten und auch offener für verschiedenste Kandidaten sein, bevor man dann tatsächlich Ressourcen dafür aufwendet, die Leute durch einen Mitarbeiter betreuen zu lassen.

Sie sagten, Kommunikation wird menschlicher. Wie kann eine technisch gesteuerte Kommunikation menschlicher werden?

Dadurch, dass wir uns mit dem Einsatz der Sprache in einem natürlicheren Umfeld bewegen und nicht über Knöpfe und Tasten agieren. In dem Moment, in dem ich mein natürliches Kommunikationsverhalten benutzen kann, wird die Sache menschlicher. Außerdem sagt die Sprache viel über einem Menschen aus. Das ist etwas ganz anderes, als wenn ich etwas in irgendeine Maske eingebe.

In welcher Rolle würden Sie den menschlichen Recruiter sehen?

Hier stellen sich ganz neue Aufgaben. Wenn ein Recruiter einen Chatbot benutzt, kann er seine Fähigkeit, Menschen zu interviewen, die richtigen Fragen zu stellen, ganz neu unter Beweis stellen. Wenn er gut darin ist, dann kann er mit einem Chatbot auf einem ganz andren Level rekrutieren. Er kann dadurch, dass er weniger Zeit für die Suche verwenden muss, mehr Leute sprechen und mit den richtigen Fragen wahrscheinlich die besseren Leute finden. Die Auswertung der finalen Gespräche und die Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten bleiben natürlich die Aufgabe der Recruiter.

Es könnte für Bewerber einen Beigeschmack haben, wenn sie bei einer so wichtigen Entscheidung wie dem zukünftigem Job zuerst mit einer Maschine anstelle eines Menschen sprechen.

Das kann durchaus sein. Aber wenn man ehrlich ist, dann ist der Bewerbungsprozess doch auch heute sehr geschichtslos und unpersönlich. Wenn ich irgendwo meine Bewerbung hinschicke und dann zwei Wochen lang nichts höre oder ich eine standardisierte Email bekomme, dann fühle ich mich doch auch nicht ganz ernst genommen. Da kann eine Eins-zu-Eins-Kommunikation, bei der ich zu jeder Tag und Nachtzeit mit dem Unternehmen in Interaktion treten und einen Bewerbungsprozess starten kann, bei dem ich gefragt werde und Antworten geben kann, für mich als Bewerber eigentlich viel menschlicher und angenehmer sein.

Brauch HR ein bestimmtes Knowhow, um Bot-Technologie zu nutzen?

Sicherlich. Wenn ein Recruiter einen Bot einsetzen will, muss er sich deutlich mehr Gedanken machen, wie er ein Gespräch strukturiert. In welche Richtungen kann ein solches Gespräch gehen? Was soll erreicht werden? Was sind die Prüfsteine, an denen festgemacht wird, ob das Gespräch in die richtige Richtung läuft? Und er muss bis zu einem gewissen Grad auch die Technik verstehen. Ansonsten setzt er den Chatbot vielleicht völlig falsch. Als Recruiter brauche ich also das technische Knowhow, aber noch viel wichtiger ist es, dass ich mir noch mehr Gedanken darüber mache, wie ich Unterhaltungen sinnvoll strukturiere.

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Sven Pauleweit

Sven Pauleweit

Ehemaliger Redakteur Human Resources Manager

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