Private Facebook-Posts können Pflichtverletzung sein

Arbeitsrecht

Menschenverachtende Äußerungen auf einer privaten Facebookseite können eine arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sich aus dem Facebook-Nutzerkonto ein Zusammenhang mit dem Arbeitgeber ergibt (Urteil vom 19. Februar 2016 – 6 Ca 190/15). Dem Urteil kommt gerade wegen fehlender höchstrichterlicher Entscheidungen eine erhebliche Bedeutung zu.

Der Sachverhalt:
Der Arbeitgeber des seit dem 1. Februar 2001 beschäftigten Klägers hatte im September 2015 Kenntnis davon erhalten, dass der Arbeitnehmer auf seine Facebook-Seite ein Foto eingestellt hatte, welches das Eingangstor des Konzentrationslagers in Ausschwitz mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“ zeigt. Darunter war in polnischer Sprache zu lesen: „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“. Dieser polnische Text war auf Anfrage eines Lesers vom Arbeitnehmer übersetzt worden. Daneben befand sich auf dieser privaten Facebook-Seite des Arbeitnehmers ein Foto, welches ihn in Dienstkleidung vor einem Triebwagen des Arbeitgebers zeigte. Zusätzlich ist seinem dortigen Steckbrief genau zu entnehmen bei welchem Arbeitgeber er beschäftigt ist.

Der Arbeitgeber hat hierauf eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche, Kündigung gestützt, nachdem sich der Arbeitnehmer bereits vor Zugang der Kündigung für die „unüberlegte dumme Tat“ entschuldigt hatte. Der Arbeitgeber hielt das Verhalten des Arbeitnehmers auch vor dem Hintergrund für untragbar, dass Flüchtlinge in ihren Zügen fahren.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Mannheim:
Das Arbeitsgericht Mannheim hat entschieden, dass das Verhalten des Klägers als Pflichtverletzung anzusehen ist, da die vom geschichtlichen Kontext losgelöste Verwendung des Fotos vom Eingangstor des Konzentrationslagers Ausschwitz in Verbindung mit den Flüchtlingen als menschenverachtende Äußerung anzusehen. Solche Werturteile stellen nach Ansicht des Gerichts aufgrund der nicht schrankenlos gewährleisteten Meinungsfreiheit eine Verletzung der Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dar. In Verbindung mit der Bildunterschrift war aus Sicht des Gerichts objektiv nicht erkennbar, dass es sich um Satire handelte, vielmehr drängte sich die Aussage auf, dass Flüchtlinge in ein Arbeitslager gebracht würden. Die vom geschichtlichen Kontext losgelöste Verwendung des Satzes „Arbeit macht frei“ seit in Deutschland tabuüberschreitend und mute in Verbindung mit Flüchtlingen „menschenverachtend“ an. Gerade auch die Herstellung des Zusammenhangs mit dem Foto des Klägers in Dienstkleidung vor dem Triebwagen der Beklagten ist aus Sicht des Gerichts geeignet, sich zu Lasten des Arbeitgebers ruf- und geschäftsschädigend auszuwirken.

Allerdings hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage dennoch stattgegeben, da es im Rahmen der vorzunehmen Interessenabwägung dem Interesse des Arbeitnehmers an dem Erhalt des Arbeitsplatzes Vorrang eingeräumt hat. Das Gericht hat dabei die 14-jährige Betriebszugehörigkeit des Klägers ebenso wie die Tatsache berücksichtigt, dass dieser sich bereits vor Ausspruch der Kündigung für sein Verhalten entschuldigt und das Foto sofort gelöscht hatte.

Auswirkungen für die Praxis:
In zutreffender Weise hat das Gericht angenommen, dass auch private Facebook-Einträge, die sich nicht in beleidigender Weise direkt auf Mitarbeiter oder den Arbeitgeber beziehen, eine Kündigung rechtfertigen können, wenn ein Zusammenhang mit dem Arbeitgeber hergestellt und sich dieser als ruf- und geschäftsschädigend erweisen kann. Zu Gunsten des Arbeitnehmers ging das Gericht trotz seines Alters davon aus, dass sich der Kläger beim Einstellen der Veröffentlichung auf seine private Facebook-Seite keine Gedanken gemacht hätte. Dies belegt wie bedeutsam es für Arbeitgeber immer noch ist alle Altersgruppen in der Belegschaft für einen verantwortungsvollen Umfang mit den sozialen Medien zu sensibilisieren. Nachdem das Durchschnittsalter der Facebook-Nutzer im Gegensatz zu Instagram und Snapchat zunehmend steigt, geht es längst nicht mehr nur um unbedachte Posts junger Auszubildender. Sinnvoll ist es vor allem den Arbeitnehmern Richtlinien als Anleitung zur Nutzung der sozialen Netzwerke an die Hand zu geben.

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Claudine Gemeiner, Foto: Privat

Claudine Gemeiner

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Claudine Gemeiner ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.

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