Wie die Entgeltlücke geschlossen werden kann

Future of Work

Zu Beginn der Berufstätigkeit verdienen Frauen und Männer noch gleich viel. Das ändert sich aber mit den Jahren und dem Anforderungsniveau der Stellen. Das alte Verständnis der Teilzeittätigkeit von Frauen muss daher überwunden werden.

Baumgartner & Partner wurde in Zusammenarbeit mit dem IW Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln durch das Bundesfamilienministerium beauftragt, eine Gehaltsanalyse in 200 Unternehmen durchzuführen um die Entgeltlücke von Frauen beziehungsweise die Gender Pay Gap zu analysieren. Diese Maßnahme wurde unter dem Label „Logib-D“ bekannt, das inzwischen viele Unternehmen aktiv nutzen.

Welche Ergebnisse lassen sich festhalten und wie sind diese zu würdigen?

Unbereinigte und bereinigte Entgeltlücke

Die unbereinigte Entgeltlücke liegt über alle 200 untersuchten Unternehmen bei 20,8 Prozent. Die sogenannte „bereinigte Entgeltlücke“, die alle relevanten personen- und stellenbezogenen Merkmale einbezieht liegt hingegen über allen Unternehmen bei 4,53 Prozent. Das erscheint niedrig. Aber keine Angst: Deswegen verliert das Thema nicht an Bedeutung. Denn es wird klar, dass das Problem nicht die Entgeltlücke bei gleichen Stelleninhalten oder Qualifizierungsvoraussetzungen ist. Das Problem liegt tiefer und es begründet sich in der Erwerbsbiographie vieler Frauen, die nach der Erwerbsunterbrechnung in vielen Fällen endet beziehungsweise so deutlich unterbrochen wird, dass eine Fortsetzung der Karriere (oft bedingt durch Teilzeitstellen) nicht möglich ist.

Entgeltlücke und Anteil der Frauen nach Anforderungsniveau der Stellen

In einfachen Stellen der Anforderungsstufe 1 (kurzfristig erlernbar) von 6 ist das Verhältnis von Frauen und Männern fast ausgeglichen. Und Frauen werden in einfachen und damit homogenen Stellen nicht wesentlich schlechter gestellt als Männer. In der Anforderungsstufe 2 (zum Beispiel Sachbearbeitung, typisch sind Stellen im Tarifbereich) nimmt die Entgeltlücke für Frauen sogar ab. Stellen mit hohem Anforderungsniveau (Spezialisten und Führungskräfte in Stufe 5 oder 6) sind hingegen zu durchschnittlich 79 Prozent mit Männern besetzt. Mit der zunehmenden Wertigkeit der Stelle (Fach- und Führungskarriere) nimmt die Entgeltlücke (bei gleichzeitig sinkendem Anteil der Frauen) gleichzeitig deutlich zu. Dies läßt sich in der Fachkarriere feststellen aber natürlich noch deutlicher in der Führungskarriere, wo der Anteil von Frauen auf Führungsstellen von 24 Prozent (zum Beispiel einfache operative Teamleitung) auf 10 Prozent (hoch qualifizierte Führungsstellen) fällt.

Dies macht deutlich, dass dem Thema Fachkräftemangel nur zu begegnen ist, wenn HR die Ressource Frau stärker in die Überlegungen zur Nachfolge- und Karriereplanung einbezieht. Es mag viele Unternehmen geben, die die Frauenquote auf der/den oberen Führungsebene(n) aus hausinternen Gründen ablehnen – wobei man die Wirkung der Sichtbarkeit von Frauen in karriererelevanten Stellen auf die Gruppe leistungsfähiger und leistungsbereiter Frauen nicht unterschätzen sollte. Aus HR-Sicht macht aber eine angestrebte Frauenquote in der Fachkarriere und operativen Führungskarriere zwingend Sinn. Und die Förderung von Frauen wird sowieso nur gelingen, wenn die Unternehmen ihre (letztendlich frauenfeindliche) Sicht der Führung in Teilzeit ablegen und akzeptieren, dass es sich in Zeiten des Mangels an qualifizierten Mitarbeitern kein Unternehmen leisten kann, auf Dauer ein Geschlecht via Arbeitszeitmodell schlechter zu stellen beziehungsweise auszublenden.

Entgeltlücke nach Berufserfahrung

Frauen werden in den ersten Jahren des Berufseinstiegs (nach Berufsausbildung oder Bachelor/Master) nicht schlechter – sondern oft sogar besser – gestellt als Männer. Mit zunehmender Berufserfahrung steigt die Entgeltlücke aber in fast allen Unternehmen deutlich an. Dies wird insbesondere in der Berufserfahrungssstufe „10-19 Jahren“ deutlich, dem typischen Karriere-Peak in vielen männlich besetzten Stellen, sowie in der nachfolgenden Berufserfahrungsstufe „über 19 Jahren“. Dies verdeutlicht, dass Frauen aufgrund der Doppelbelastung „Beruf und Familie“ sowie der Thematik „Teilzeit“ (die Teilzeitquote von Frauen betrug im Mittel 38,37 Prozent) der Zugang in die Fach- und Führungskarriere nach der Erwerbsunterbrechung fehlt. Die Rückkehr in Teilzeit führt dann bei vielen Frauen – und dabei insbesondere den gut ausgebildeten akademischen Frauen – zu einer Negativkarriere. Das Ergebnis: Know-how geht verloren. Und zwar für immer. Letztgenanntes Phänomen ist nicht nur betrieblich hochkritisch (beispielsweise bezüglich Motivation oder der Nutzung von Potenzialen) sondern auch volkswirtschaftlich (bezogen zum Beispiel auf die Kosten der Ausbildung und den Verfall des Wissens). Damit lässt sich feststellen: Selbst wenn die Entgeltlücke zum Beispiel auf einer Höhe verharrt, dann ist sie zwischen den männlichen Einkommensbeziehern und den Nicht-Einkommensbeziehern (überwiegend Frauen nach Erwerbsunterbrechung) immer noch am höchsten!

Faktor Demografie

In fast allen analysierten Unternehmen liegt das Durchschnittsalter der Mitarbeiter bei über 40 Jahren (!!). In einzelnen Häusern sogar um die 50 Jahre. Was bedeutet das für das Thema Entgeltlücke?

  • Die Entgeltlücke wird kurzfristig nicht geschlossen werden können, da bei altersbedingt abnehmender Fluktuation in Zukunft zunehmend eine (dynamisierte) Fortschreibung der Vergangenheit erfolgt.
  • Die Personalkostenbelastung wird bedingt durch das höhere Alter der überwiegend männlichen Stelleninhaber (der Anteil der Frauen an der Gesamtbelegschaft beträgt 41 Prozent) sowie der dauerhaften Dynamisierung zu einem Problem, insbesondere in den personalkostenintensiven Administrationsbereichen wie Buchhaltung und Gehaltsabrechnung.
  • Das Thema Teilzeit muss auch aus betrieblicher Sicht attraktiver werden um
    • den Frauenanteil zu erhöhen und die Entgeltlücke zu schließen
    • eine bessere Mischkalkulation der Personalkosten zu erreichen. Denn nur eine ausgewogene alters- und geschlechtgemischte Teamzusammensetzung bringt dauerhaften Erfolg (wie geringere Personaldurchschnittskosten, höhere Flexibilität oder eine höhere Innovationsquote)

Fazit

Das alte Verständnis der Teilzeittätigkeit von Frauen auf Sachbearbeitungsstellen muss überwunden werden. Gut qualifizierte Frauen benötigen anspruchsvolle Jobs in Teilzeit und das macht personalpolitisch und betriebswirtschaftlich Sinn. Denn viele Unternehmen benötigen gleichzeitig auch eine höhere Teilzeitquote älterer männlicher Mitarbeiter um deren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zu erhalten und betriebsintern die Karrieremöglichkeit zu öffnen, Frauen aktiv in alters- und geschlechtergemischte Spezialisten- oder Führungskräfte-Teams zu integrieren.

Und: Teilzeit und Führung dürfen sich nicht länger ausschließen. Die meisten Organisationen sind flexibel genug, um dies zuzulassen. Die alte Vollzeitorientierung stellt für Frauen einen deutlichen Nachteil dar und ist auch organisatorisch als kritisch zu bewerten. Denn Unternehmen benötigen neben der aktiven Betreuung der Frauen in der Erwerbsunterbrechung attraktive Wiedereinstiege für für gut qualifizierte Frauen in Teilzeit.

Fachkarrieresysteme in Teilzeit müssen somit weiter vorangetrieben werden, da diese einen optimalen betrieblichen Zugang für gut qualifizierte Frauen bieten. Dies ist einzelwirtschaftlich und gesamtwirtschaftlich sinnvoll. Insbesondere mittelständische Unternehmen können davon extrem profitieren, da dann Spezial-Wissen, für das nur in den seltensten Fällen eine Vollzeitstelle geschaffen wird, in Teilzeit vorhanden ist. Dazu bedarf es aber mehr flexibler Karrierechancen für Frauen.

Die Hoffnung darauf zu warten, dass sich an der Betreuungssituation von Kindern und Jugendlichen in Kindergarten und Schule etwas grundlegend ändert und damit der Wiedereinstieg nach Erwerbsunterbrechung in Vollzeit unterstützt wird, haben viele Frauen sowieso aufgegeben.

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