Herr Gärtner, Sie engagieren sich als Juror beim HR Start-up Award. Jede Person kennt Begriffe wie FinTech, von HR Tech hört man in der breiteren Öffentlichkeit jedoch nicht viel – zu Unrecht?
Christian Gärtner: Wenn man sich vor Augen führt, dass sicher alle Mitarbeitenden in größeren Unternehmen eher früher als später mit einer Technologie aus der Personalarbeit zu tun haben, dann ja. HR Tech, von den großen Plattformanbietern bis hin zu den Tools von Start-ups, ist etwas, dass uns potenziell alle tagtäglich berührt. Wobei die Lösungen von Start-ups ehrlicherweise sicher zunächst das HR-Fachpublikum angeht als die breite Belegschaft.
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Von wie vielen Start-ups in HR sprechen wir eigentlich im DACH-Raum?
Das ist eine Frage der Definition. Wenn man unter einem Start-up eine Firma versteht, die nicht älter als fünf Jahre alt ist, sind es ungefähr 300. Zählt man Unternehmen dazu, die bis zu zehn Jahre alt sind, zählen wir derzeit gut 400 Start-ups.
Wie verteilen sich die Start-ups auf die unterschiedlichen HR-Bereiche und was gibt es hier für Entwicklungen?
Wir sehen mit um die 20 Prozent einen konstant hohen Wert von Start-ups im Bereich Recruiting – angefangen bei Jobbörsen über Performance Marketing und Active Sourcing bis hin zu digitalen Auswahlverfahren. Gerade die Jobbörsen wurden mit der Zeit immer spezifischer, beispielsweise durch den Fokus auf ein paar Berufe oder Branchen. Relativ wenige Lösungen gibt es im Bereich Employer Branding und Personalmarketing. Das liegt vielleicht daran, dass hier etwas weniger technische Skalierung möglich ist und Agenturen oder Beratungen dieses Feld bereits mitbearbeiten. Im mittleren einstelligen Prozentbereich finden sich Start-ups im Bereich People Analytics, also datenbasierter Personalarbeit. In den letzten zwei Jahren sehen wir zudem mehr Angebote in den Bereichen Learning, Development und Coaching – und auch weitere Bereiche wie das Gesundheitsmanagement sind seit ein paar Jahren stark vertreten, bereits vor der Pandemie. Dennoch sind das Themenfelder, die sich im unteren einstelligen Prozentbereich aller Start-ups bewegen.
Und wie sieht es mit der technologischen Entwicklung aus – kann man hier Innovationssprünge oder -hopser verzeichnen?
Recht innovativ sind Angebote, die Algorithmen zur Analyse von Texten und Sprache einsetzen. Hier ist viel passiert und es werden sicher weitere Trends gesetzt, weil im HR-Bereich eine große Menge von Sprach- oder Textdaten existieren. Ich glaube aber, dass für die Innovationsentwicklung weniger die Technologie ausschlaggebend sein wird als Fragen des Datenschutzes, der Nutzerakzeptanz und letztlich auch der Datenkompetenz der HR-Verantwortlichen.
Womit kann man denn als Start-up bei Ihnen als Juror beim HR Start-up Award punkten?
Vor allem damit, dass man nicht die große Marketing-Keule schwingt, wenn die Innovation hinter einem Tool gar nicht mehr so neu ist. Wir haben beim HR Start-up Award bereits sehr viele Tools kennenlernen können und wissen schon ganz gut, was nun wirklich eine Neuheit darstellt und was nicht. Und es muss auch nicht immer die Weltneuheit sein. Am Ende geht es um ein durchdachtes Geschäftsmodell, das die Marktplatzierung eines Produktes zu besonders guten Konditionen ermöglicht. Es geht uns nicht nur um eine „fancy“ Technologie, sondern darum, dass sie theoretisch in der Woche nach dem Award einsetzbar ist.
Herr Gärtner, herzlichen Dank für den spannenden Einblick in die HR-Tech-Szene!
Zum Gesprächspartner:
Christian Gärtner hat eine BWL-Professur mit dem Schwerpunkt Human Resources Management an der Hochschule München inne und ist Juror beim 7. HR Start-up Award. Die Bewerbungsphase läuft noch bis zum 3. Juli.