Die Evolution der Leistungsbeurteilung

Personalmanagement

Die jährlichen Leistungsbeurteilungen sind bei Führungskräften und Mitarbeitern nicht gerade beliebt und ein Teil der Kritik an HR. Ihre Abschaffung wird immer öfter gefordert und in der Tat haben in jüngster Zeit amerikanische Unternehmen (Adobe, Juniper, Microsoft, Deloitte) neue Instrumente entwickelt, die bestehende Performance Reviews abgelöst haben.

Einen Namen dafür gibt es noch nicht. Gemeinsam ist diesen Ansätzen der Fokus auf kontinuierliche Verbesserung, Coaching der Mitarbeiter, Entwicklung der Feedback-Kultur und persönliche Entwicklung. Mir persönlich gefällt der Name Check-In, den Adobe für den eigenen Ansatz gewählt hat.

Die Unternehmen haben ihre Performance Reviews aus zwei Gründen geändert: Zum einen, weil deren Geschäft zu komplex und dynamisch geworden ist. Jährliche Prozesse passen zu dieser Dynamik nicht mehr und unter diesen Rahmenbedingungen wird die Hauptaufgabe von Führung das Coachen der Team- beziehungsweise Projektmitglieder und das Schaffen der Voraussetzungen, dass das Team optimal performen kann. Zum anderen hatten die bestehenden Performance Reviews am Ende eher rituellen Charakter und ihr Einfluss auf die Verbesserung des Geschäfts wurde als sehr gering bis kontraproduktiv eingeschätzt.

In diesen Check-In-Gesprächen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft geht es typischerweise um folgende Themen:

  • Status aktueller Projekte, was kann besser gemacht werden?
  • Beitrag des Einzelnen zum Teamerfolg und Vereinbaren von Maßnahmen nach vorne
  • Beitrag des Einzelnen zum Unternehmenserfolg und zur Unternehmensstrategie
  • Wechselseitiges Feedback zur Zusammenarbeit
  • kurzfristige Qualifizierungserfordernisse
  • Entwicklungsmöglichkeiten
  • Raum, für andere wichtige Themen

Check-In-Gespräche dauern zwischen 10 und 20 Minuten. Wie oft Check-In durchgeführt werden, ist in der Praxis unterschiedlich. Vorreiter Adobe hat hierzu keine Festlegung getroffen, allerdings sollte zum Beispiel. in einem 8-Wochen-Sprint mit jedem Teammitarbeiter ein Check-In geführt worden sein. Bei Deloitte wird ein Check-In mit jedem Mitarbeiter jede Woche durchgeführt und die Initiative zur Terminierung der Check-Ins liegt beim Mitarbeiter.

Ähnlich sind die Check-Ins mit ihrem Fokus auf wechselseitiges Feedback, dass die Führungskraft bei der Frage der Erwartungshaltung im driver seat sitzt, demgegenüber bei Qualifizierung und Entwicklung in einer Unterstützer-Funktion ist, da hier der Mitarbeiter am besten weiß, wo es noch Defizite gibt.

Der Formalisierungsgrad der Check-Ins ist sehr gering, zum Teil werden die Ergebnisse der Check-Ins mit IT-Unterstützung fixiert und dokumentiert, in einigen Unternehmen wird demgegenüber komplett auf eine Dokumentation verzichtet. Zusätzlich haben die Unternehmen, die das eingeführt haben, bestehende Verteilungsvorgaben und forced rankings abgeschafft. Da hat sich – endlich – die Erkenntnis durchgesetzt, wie schädlich diese Vorgaben für Motivation und Teamzusammenhalt sind.

Die HR-Arbeit verändert sich mit der Einführung von Check-Ins in vielen Aspekten: Zum einen muss Qualifizierung agiler werden mit Just-In-Time-Learning, E-Learning, Webinaren etc., die schnell auf neue Anforderungen entwickelt und abgerufen werden kann. Dabei brauchen Mitarbeiter und Führungskräfte dezentrale HR-Kompetenz, die bei Qualifizierungs- und Karrierefragen helfen kann.

Daneben ist die Veränderung dieser Systeme ein große Change- und eine Kultur-Transformations-Herausforderung, bei dem HR eine Schlüsselrolle zukommt, weil insbesondere:

  • Die Führungsarbeit einen viel größeren Raum einnimmt, sie verändert sich in Richtung Coach und Enabler. Auch werden Führungskräfte in ihren Entscheidungsspielräumen und ihrer Verantwortung durch das Abschaffen von Verteilungsvorgaben oder forced rankings gestärkt.
  • Der Erfolg der Check-Ins davon abhängt, wie offen der Feedback-Prozess gelebt wird und sich Mitarbeiter hier aktiv einbringen.
  • Mitarbeiter und Führungskräfte auf diese Veränderungen vorbereitet werden müssen und das Top-Management den neuen Führungsstil vorleben muss.
  • Führungskräfte und Mitarbeiter entlastet und Zeit für mehr Führung bekommen müssen, indem bürokratische Prozesse abgeschafft oder vereinfacht werden.

Neben den Check-Ins haben diese Unternehmen weiterhin – auch überarbeitete – separate Prozesse für Talent Management und Gehaltsüberprüfung, die unbürokratisch sind und wo die direkte Führungskraft eine hohe Gestaltungsfreiheit hat.

Die oben genannten Unternehmen berichten nach der Einführung von einer erhöhten Mitarbeiter-Zufriedenheit und sehen einen positiven Beitrag für ihre Projekt- und Business-Performance. Das Standing von HR hat sich in diesen Unternehmen verbessert.

Ist das auch ein Ansatz für Unternehmen in Deutschland? Aus meiner operativen HR- und Beratungserfahrung ein Ja, wenn die Voraussetzungen vergleichbar dynamisch und komplex und die bestehenden Beurteilungssysteme gut geübte Praxis sind. Diese Check-Ins sind eine konsequente, evolutionäre Weiterentwicklung für Unternehmen, die sich schon länger systematisch mit diesen Themen befasst haben.

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Klaus Peren, Foto: Privat

Klaus Peren

Gründer
360Compass
Klaus Peren hat nach längerer operativer HR-Verantwortung in verschiedenen Funktionen bei der Deutschen Telekom und beim Arbeitgeberdachverband BDA die HR-Strategieberatung 360Compass gegründet. 360Compass begleitet Unternehmen in Transformationsphasen, bei der Weiterentwicklung zentraler Themen wie Performance-Management, Kulturentwicklung und der Verhandlung mit Sozial-/Betriebspartnern.

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