Emotionale Stabilität, Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten, ein hohes Selbstwertgefühl, sowie der Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit – die Überzeugung auch schwierige Situationen bewältigen zu können – gepaart mit sozialer Unterstützung sind Faktoren, die Fach- und Führungskräfte in beruflichen Umbruchsituationen vor psychischen Erkrankungen zu schützen scheinen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung des Wirtschaftspsychologen und langjährigen Karriereberaters bei von Rundstedt Uwe Wind in Kooperation mit der medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden.
Karrieren sind immer weniger planbar. Der Job bis zur Rente gehört der Vergangenheit an. Immer häufiger beinhalten Erwerbsbiografien Brüche. Diese Unsicherheit, mangelnde Planbarkeit und existenzielle Sorgen machen Menschen unterschiedlich schwer zu schaffen. Aus verschiedenen Untersuchungen wissen wir, wie belastend sich Arbeitslosigkeit auf das psychische Wohlbefinden auswirkt. Wer arbeitslos ist, leidet häufiger unter seelischen Beschwerden als Berufstätige. Je länger dieser Zustand andauert, desto eher macht er den Betroffenen mürbe.
Angesichts zukünftiger Karriereverläufe und der zu erwartenden Fragmentierung von Erwerbsbiografien ist es wichtig, auf diese Erkenntnisse zu reagieren. Es ist davon auszugehen, dass Phasen des Umbruchs zunehmen werden. Sollten Karrieren zukünftig mehr Trennungssituationen mit sich bringen, werden auch Situationen häufiger auftreten, in denen Menschen an sich zweifeln, sich verletzt und abgelehnt fühlen. Wer in der Lage ist, diese Gemengelage zunächst unangenehmer Gefühle anzunehmen, wird seinen Schmerz leichter überwinden.
Die Widerstandsfähigkeit des Einzelnen, oder wissenschaftlich formuliert, die Ausprägung der individuellen Resilienzfaktoren könnte entscheidend für das Erleben von Stress und Gesundheit in Krisenzeiten sein. Resilienzfaktoren hätten damit den Gehalt von Schlüsselqualifikationen auch im Rahmen der beruflichen Entwicklung.
Die Resilienzfaktoren umfassen:
- Emotionale Stabilität (positive Emotionen, Optimismus und Hoffnung)
- Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten
- Hohes Selbstwertgefühl
- Von der eigenen Selbstwirksamkeit überzeugt sein
- Sich als Verursacher erleben (Kontrollüberzeugung)
- Soziale Unterstützung
Es ist anzunehmen, dass sich Arbeitslosigkeit bei Menschen, die über solche Schlüsselqualifikationen in geringerem Maße verfügen, belastender auf das psychische und physische Wohlbefinden auswirkt. Zu den häufigsten Folgen zählen: Depression, psychosomatische Symptome wie Erschöpfung, Magenbeschwerden, Gliederschmerzen und Herzbeschwerden, Hoffnungslosigkeit, vermindertes Selbstwertgefühl, Apathie und Alkoholismus.
Kaum aus der Bahn geworfen
Für die Untersuchung beantworteten 115 Fach- und Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen, die sich in einer Einzeloutplacementberatung befanden oder an einer solchen Beratung teilgenommen hatten, einen Fragebogen, mit dem relevante Gesundheitsindikatoren als Ausdruck von Resilienz gemessen wurden. Des Weiteren wurden psychologische Tests, die Resilienzfaktoren messen, in die Auswertung aufgenommen.
Für die Untersuchung beantworteten 115 Fach- und Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen, die sich in einer Einzeloutplacementberatung befanden oder an einer solchen Beratung teilgenommen hatten, einen Fragebogen, mit dem relevante Gesundheitsindikatoren als Ausdruck von Resilienz gemessen wurden. Des Weiteren wurden psychologische Tests, die Resilienzfaktoren messen, in die Auswertung aufgenommen.
Das Ergebnis: Nur 12 beziehungsweise 13 Prozent gaben zu Protokoll, unter Depressionen oder Angstzuständen zu leiden. Entsprechend berichteten 88 Prozent der Befragten keine Anzeichen von Depressionen und 87 Prozent nahmen keine generalisierten, d.h. situationsübergreifenden Ängste bei sich wahr. Doch die Studie zeigt auch: In den Phasen der beruflichen Neuorientierung wird Stress erlebt. 21 Prozent bewerteten ihren Stresslevel und den damit verbundenen Beschwerdedruck als überdurchschnittlich. Die übrigen 79 Prozent schätzten ihn dagegen „nur“ als durchschnittlich ein.
Trotz Stress und der Unsicherheiten, die mit beruflichen Übergangssituationen verbunden sind, fühlen sich Dreiviertel der an der Studie teilnehmenden Fach- und Führungskräfte wohl und bewerten ihre Lebensqualität als gut. 92 Prozent fühlen sich gesund. Den übrigen 8 Prozent geht es nach eigenen Angaben „weniger gut“, niemandem schlecht.
Um dem Gesundheitszustand noch weiter auf den Grund zu gehen, wurden psychosomatische Beschwerden wie Erschöpfung, Magenbeschwerden, Gliederschmerzen und Herzbeschwerden leiden. Auch hier bestätigt sich die gute Gesundheit der Studienteilnehmer. Nur 7 Prozent berichten über leichte Beschwerden.
Soziales Netzwerk bremst den Fall
Die Unterstützung durch Familie, Freunde sowie andere soziale und berufliche Netzwerke kann helfen, den Arbeitsplatzverlust besser zu verarbeiten. In dieser Hinsicht können sich die Studienteilnehmer glücklich schätzen: Beachtliche 85 Prozent bewerten die soziale Unterstützung, die sie erhielten, als hoch.
Die Studienteilnehmer sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich mit Resilienzfaktoren ausgestattet: sie haben eine ausgeprägte emotionale Stabilität und gehen wahrscheinlich deshalb optimistischer und hoffnungsvoller durch das Leben. Sie vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten, haben daher ein hohes Selbstwertgefühl und sind von ihrer Selbstwirksamkeit überzeugt. Letzteres könnte mit dem Bewusstsein einhergehen, trotz aller Widerstände die eigene Karriere aktiv steuern zu können. Auch haben sie ein (soziales) Netz, das eine Belastungssituation abfedern kann. Es erscheint plausibel, dass alle diese individuellen Voraussetzungen mit helfen, gesund durch die berufliche Krise zu kommen.
Was bedeuten diese Ergebnisse für Unternehmen und Führungskräfte?
Die Resilienzfaktoren von Arbeitnehmern zu stärken wird immer wichtiger. Diese Ressourcen können helfen, nicht nur in den kritischen Phasen beruflicher Umbrüche, sondern auch in ruhigeren Zeiten, die aber vielfach mit sehr hohen Anforderungen einhergehen, weniger Belastungsstörungen zu entwickeln und erfolgreicher zu arbeiten. Die Gesundheit zu erhalten, psychisch wie physisch, muss in den Mittelpunkt der Bemühungen von Mitarbeitern und Führungskräften gleichermaßen rücken. Umso wichtiger ist dies, da die Umbrüche und Wechsel in Karrieren zunehmen, der demografische Wandel längere Lebensarbeitszeiten vorsieht und das Renteneintrittsalter zeitlich nach hinten rückt.
Führungskräfte können Mitarbeiter dabei unterstützen, durch
- regelmäßiges Feedback: Mitarbeiter, die von ihren Führungskräften sorgfältig und regelmäßig Feedback erhalten, wissen wo sie stehen und wie sie sich entwickeln können.
- gute Führung bis zur Trennung: Führungskräfte sollten das Führen von Trennungsgesprächen trainieren. In Workshops lernen sie, wie sie trotz Trennungsbotschaft ihre Wertschätzung für die Leistung des Mitarbeiters zum Ausdruck bringen können.
- die Rolle als Karrierecoach: Führungskräfte müssen die richtigen Fragen finden und stellen, die eigenen Kontakte für das Netzwerk anderer öffnen, Beratungsangebote unterbreiten und sich der gemeinsamen Reflexion stellen, um ihren Mitarbeitern Transparenz über ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu geben.
Die Mitarbeiter werden sich im Gegenzug mit all ihren Eigenschaften, Ressourcen und Talenten besser wahrgenommen, menschlich wie beruflich verstanden und gut aufgehoben fühlen. Dieses wird ihrer Gesundheit, Motivation und Leistungsfähigkeit sehr dienlich sein.
Weitere Handlungsempfehlungen für HR-Experten, Führungskräfte und Beschäftigte finden Sie im Whitepaper „Berufliche Umbrüche als Chance – Gesund bleiben und Krisen für Karriereerfolg nutzen“ (pdf-Download ab 15. Juli 2016 unter www.rundstedt.de). Darüber hinaus ist eine Buchveröffentlichung der Studie in Vorbereitung und wird im Springer Verlag erscheinen.