Mit Proaktivität psychische Belastungen verringern

Personalmanagement

Ein Anstieg der psychischen Belastung unter Beschäftigten um 20 Prozent – eine Zahl, die alarmieren muss. Für ihren Gesundheitsreport 2021 befragte die Techniker Krankenkasse (TK) Menschen in ganz Deutschland nach ihrem psychischen Wohlbefinden. Hatten im Mai 2020 noch 35 Prozent der Befragten angegeben, aufgrund der Corona-Situation eine starke bis sehr starke Belastung zu erfahren, waren es im März dieses Jahres schon 42 Prozent; knapp ein Viertel mehr.

Psychische Belastung am Arbeitsplatz

Die Corona-Pandemie ist sicher ein großer Verstärker psychischer Belastung bei der Arbeit. Neu ist Stress im Job deswegen aber natürlich nicht, und auch vor Corona war er kein zu vernachlässigendes Phänomen. Die stetige Verschlechterung psychischer Gesundheit ist bereits seit Jahren ein besorgniserregender Trend, der sich in der Gegenwart weiter verstärkt: Bereits 2017 verloren deutsche Unternehmen 44,4 Milliarden Euro aufgrund vermeidbarer psychischer Erkrankungen von Beschäftigten. Noch nie wurden so viele Krankentage aufgrund psychischer Überbelastung verzeichnet wie im Jahr 2020.

Die Gründe dafür sind allgemein im Wandel der Arbeitswelt oder in der Globalisierung zu finden – doch auch auf Unternehmensseite sowie in der Arbeitskultur gab und gibt es schädliche Tendenzen und Versäumnisse, die diesen Negativtrend weiter vorantreiben: Verschweigen, Tabuisieren von Überbelastung im Job, das Verbannen der Thematik aus der Arbeitswelt. Dabei sind es gerade Unternehmen, die für das Wohlergehen ihrer Beschäftigten verantwortlich und dafür zuständig sind, ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen.

Unwissen über den psychischen Zustand von Beschäftigten

Durch das Homeoffice wurde es jedoch noch schwerer für Unternehmen, den psychischen Zustand ihrer Mitarbeitenden einzuschätzen. Für wen war etwa die Doppelbelastung durch Homeoffice und Homeschooling der Kinder zu viel? Wen haben Lockdown und die Sorge um Freunde und Familie überfordert? Übersteigen der Druck, die beruflichen Anforderungen oder parallel private Verpflichtungen langfristig die Belastungsgrenze eines Mitarbeitenden, drohen schwerwiegende psychische wie physische Folgen und Erkrankungen.

Die Bedeutung von Proaktivität

Ist eine psychische Belastung erst zu einer Erkrankung geworden, ist eine Heilung langwierig und meist mit langen Ausfallzeiten verbunden. Um das zu vermeiden, müssen Unternehmen proaktiv werden – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Zunächst geht es um ein proaktives Angebot an die Beschäftigten: Das Angebot, freiwillig an Maßnahmen teilzunehmen, die das eigene Wohlbefinden stärken oder verbessern – denn zu häufig fällt es Betroffenen sehr schwer, von sich aus um solche zu bitten, obwohl sie dringend Unterstützung benötigen. Dann geht es um die Proaktivität der Maßnahmen selbst: Im Idealfall stärken sie die Beschäftigten schon im Vorfeld so, dass sie auf kommende Krisen bereits mental vorbereitet sind, es also gar nicht erst zu psychischer Überbelastung kommt.

Letztlich ist auch strukturelle Proaktivität gefragt: Wo immer möglich, sind Unternehmen in der Verantwortung, Stressoren wie Konflikte oder überhöhte Arbeitslast zu verringern oder ganz zu vermeiden. Diese Verantwortung darf nicht bloß bei den Mitarbeitenden liegen. Begrenzt auf Proaktivität sind Maßnahmen zur Unterstützung der Beschäftigten freilich nicht, die Reaktion auf bereits bestehende Herausforderungen spielt eine ebenso wichtige Rolle; zum Beispiel die Rehabilitation bereits betroffener Mitarbeitender, also die Unterstützung ihrer Problembewältigung, oder ihre Wiedereingliederung in den Berufsalltag.

Wellbeing-Coaching als Vorbeugungsmaßnahme gegen Überbelastung

Eine intensive und individuelle Maßnahme zur Vorbeugung von Überbelastung am Arbeitsplatz ist das Coaching. Professionelles Coaching eignet sich nicht bloß zur Entwicklung von Soft Skills oder zur Förderung der persönlichen Entwicklung, es unterstützt auch bei Transformationen sowie Verhaltensänderungen rund um Themen wie Diversity, Equity und Inclusion im Unternehmen voranzutreiben. Auch wird es sich zur pro- wie reaktiven Unterstützung von Beschäftigten eingesetzt: in speziellen Wellbeing-Coachings kann zum Beispiel proaktiv die Resilienz der Mitarbeitenden gestärkt und ihnen Methoden an die Hand gegeben werden, mit denen sie aufkommende Krisen früh erkennen und meistern können.

Wichtig ist aber die interne Kommunikation eines Coaching-Angebots im Unternehmen. Der Zweck eines Coachings ist meist das Lernen, die Entwicklung eines bestimmten Lebensbereichs, die Leistungsverbesserung. Die Behandlung psychischer Krankheiten soll, darf und kann Coaching nicht leisten – sie bleibt Zuständigkeitsbereich der Psychotherapie.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Miriam Schneider, Coach

Miriam Schneider

Miriam Schneider ist Coach und Wirtschaftswissenschaftlerin. Als Principal Behavioural Scientist bei Coachhub arbeitet sie daran, die Brücke zwischen der Forschung im Coaching und der Praxis zu schlagen. Sie vereint vielfältige Expertise aus Vertrieb, Marketing, Innovationsmanagement und Personalentwicklung durch ihre internationale Erfahrung bei Google, The Do School, Streetfootballworld und als Gründerin.

Weitere Artikel