Wenn Fehler richtig teuer werden

Recruiting

Die Qualität der Führungskräfte entscheidet maßgeblich über die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Doch die Richtigen auszuwählen ist nicht einfach. Executive Assessments können dabei helfen. Fünf Tipps, worauf bei solchen Beurteilungen zu achten ist.

„Auswahlverfahren für Trainees?“ oder „Development Center für unsere High-Potentials?“ – Für solche Anlässe werden von der Personalabteilung gern und regelmäßig (Gruppen-) Assessment-Center organisiert. Doch wenn Personalentscheidungen im mittleren oder oberen Management bis hin zu den Top Executives anstehen, mangelt es oft an passender Unterstützung. Dies ist insofern besonders bedauerlich, da sich Fehlentscheidungen auf diesem Level besonders folgenschwer auswirken. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, bietet sich vor der Stellenbesetzung ein Executive Assessment an (auch als Management Audit oder Management Appraisal bezeichnet). Folgende Aspekte sollten dabei beachtet werden:

1. Gruppenübungen sind tabu

Künftigen Entscheidungsträgern können weder antiquierte Turmbau-Übungen noch anspruchsvolle Strategiediskussionen mit anderen Bewerbern zugemutet werden. Überhaupt sollten sich die verschiedenen Kandidaten im Verfahren möglichst nicht begegnen. Gleichzeitig ist aber klar zu empfehlen, mehr als nur einen potenziellen Stelleninhaber in die engere Wahl zu ziehen.

2. Methodenmix ist in

Bis vor einigen Jahren wurden Executive Assessments meist mit ausgedehnten Experten-Interviews gleichgesetzt. Doch mittlerweile zeigt sich eindeutig ein Trend zum Methodenmix, der sogenannten Multi-Modalität. Typische Bestandteile neben dem weiterhin unverzichtbaren biografie- oder kompetenzbasierten Interview sind dann:

  • Rollenspiel / Simulation
  • Vortrag / Präsentation
  • Business-Case Analyse sowie
  • Psychometrische Testverfahren, insbesondere Persönlichkeitsfragebögen

3. Prüfungssituation ist out

In Zeiten des zunehmenden War for Talents lässt sich ein rein digitaler Ansatz im Sinne von „bestanden“ oder „durchgefallen“ nicht mehr fortsetzen. Neben dem zahlenden Auftraggeber wird auch der beurteilte Teilnehmer zunehmend als ernstzunehmender Kunde verstanden, für den als wertschätzende Dienstleistung ein differenziertes, aber stets wohlmeinendes Feedback in einem gemeinschaftlichen Prozess erarbeitet wird.

4. Diversity ist angesagt

Personalentscheidungen folgten zu allen Zeiten gern dem scherzhaft „Schmidt-sucht-Schmidtchen“ genannten Prinzip: Ähnlichkeit zum Stelleninhaber wurde bevorzugt. Doch modernes Personalmanagement fordert zunehmende Vielfalt innerhalb der Organisation, meist verstanden entlang äußerer Kriterien wie Frauenanteil, ältere oder jüngere Führungskräfte, kultureller Hintergrund. Mehr Diversity bedeutet aber auch, unterschiedlichen Temperamenten, Werten und Überzeugungen Raum zu bieten. Damit treten anstelle einer reinen Kompetenzerfassung zunehmend die (inter-)kulturelle Passung und vor allem die Persönlichkeit des Kandidaten in den Mittelpunkt.

5. Executive-Assessments sind ein People Business

Einige, durchaus renommierte Anbieter werben für sich damit, dass sie Personalberatung (Headhunting) mit ihrer Assessment-Kompetenz kombinieren. Andere hingegen grenzen sich davon bewusst ab und betonen ihre Kernkompetenz im Bereich der Eignungsdiagnostik. Die beauftragende Personalabteilung muss hierbei die jeweiligen Vor- und Nachteile bewerten und zu einer Entscheidung führen.

Letztlich resultiert die folgende Quintessenz für die Auswahl hochrangiger Führungskräfte: Makellose Manager sind und bleiben auch weiterhin eine Illusion. Mehr denn je wird sich in Zukunft bewahrheiten, dass sich ihre Schwächen nur begrenzt schwächen lassen. Der allgemeine Zugang wird vielmehr in „Stärken stärken“ liegen. Dies bedeutet für die Beurteilung, echte Erfolgsfaktoren der Persönlichkeitsstruktur trennscharf herauszuarbeiten und bewusst zu machen. Die anschließende Personalentwicklung sollte dann vermehrt darauf achten, dass die Stärken im beruflichen Alltag auch zum Einsatz kommen (können). Denn Unternehmen und Mitarbeitern dürfte gleichermaßen daran gelegen sein, entlang ihrer Stärken verstanden und eingesetzt zu werden, und ein professionelles Executive Assessment stellt zweifelsohne einen entscheidenden Schritt in diese Richtung dar.

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Klaus Stulle

Klaus Stulle

Professor für Wirtschaftspsychologie
Fresenius Hochschule Köln
Dr. Klaus P. Stulle (* 1967) studierte Psychologie und BWL an Universitäten in Aix-en-Provence, Wuppertal und Köln. Fast zwölf Jahre arbeitete er in der Personalentwicklung der Bayer AG in Stabs- und Leitungsfunktionen. 2008 wurde er von der Hochschule Fresenius in Köln auf eine Professur im Fachbereich „Wirtschaftspsychologie“ berufen. Seit 2012 steht Prof. Stulle mit der Unternehmensberatung „Stulle & Thiel“ in den Bereichen Assessment, Coaching und Beratung seinen Klienten konstruktiv zur Seite.

Stephan Weinert

Professor für Personalmanagement
Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen
Stephan Weinert ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Internationales Personalmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen.

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