Migräne-Attacken: Wenn es wieder pocht

MENTAL BREAK(DOWN)

Ibuprofen und Paracetamol habe ich permanent in meinem Rucksack. Nicht immer brauche ich sie, aber ich möchte vor Kopfschmerzen gewappnet sein. Oft beginnt es mit Schmerzen in der Halswirbelsäule, die langsam gen Hinterkopf steigen. Da weiß ich dann nicht, wie schlimm es werden wird: „nur“ Spannungskopfschmerzen oder ein richtiger Migräneanfall, bei dem mir schlecht wird. Ich hoffe auch diesmal auf Ersteres…

Viele Menschen neigen dazu, pauschalisierend und ohne Diagnose bei einem Anfall von Kopfschmerzen ihre Leiden als Migräne abzustempeln. Aber was genau ist Migräne? Das habe ich mich schon als Teenager gefragt, denn ab dem Alter von 13 Jahren hatte ich regelmäßig Schmerzanfälle.

Migräne bezeichnet einen plötzlich einsetzenden Schmerz, der oft nur auf einer Kopfseite auftritt. In Deutschland sind von der akuten Version von Migräne etwa zehn Prozent der Erwachsenen betroffen. Von den knappen 60 Prozent der Frauen und knapp 45 Prozent der Männer in Deutschland, die mindestens einmal im Jahr von Kopfschmerzen betroffen sind, erfüllt ein Drittel der Frauen (14,8 Prozent) und ein kleiner Teil der Männer (sechs Prozent) die Kriterien für Migräne.

Meist treten diese Kriterien im jungen Erwachsenenalter auf und lassen im höheren Alter nach. Viele der Betroffenen leiden unter Begleiterkrankungen wie depressiven Symptomen und Angststörungen. Gerade bei Frauen kommt die erste Migräne häufig mit der ersten Monatsblutung. Tatsächlich scheint hier ein Zusammenhang zu bestehen, da in diesen Fällen die Migräneattacken während einer Schwangerschaft meist ausfallen und nach den Wechseljahren vollständig verschwinden.

Migräne versus „normale“ Kopfschmerzen

Es gibt klare Unterscheidungskriterien, die Migräne von üblichen Kopfschmerzen trennen. Migräne beinhaltet mäßige bis starke Kopfschmerzen (pulsierend, pochend oder hämmernd sowie durch körperliche Aktivitäten verstärkt), Übelkeit und Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Sprachstörungen, Lähmungen, Schwächegefühl, Missempfinden (zum Beispiel Kribbeln oder Taubheit in dem Gesicht, der Hand oder dem Bein). Sobald die genannten Symptome, in Kombination, mindestens fünf Mal in einem ähnlichen Zusammenspiel aufgetreten sind, lassen sich die Beschwerden als Migräne einordnen. Unbehandelt können diese Symptome vier Stunden bis drei Tage lang anhalten.

Auch die Differenzierung zwischen zervikogenen Kopfschmerzen (Schmerzen im Kopf- und Nackenbereich, die das Resultat von Verspannungen in der Hals- und Nackenmuskulatur oder Veränderungen der Halswirbelsäule sind) und Migräne ist relevant: Obwohl Migräne häufiger als zervikogene Kopfschmerzen vorkommt, diagnostizieren 69 Prozent der Hausärztinnen bei ihren Patientinnen und Patienten Letzteres.

Ich solle mehr Übungen für die Halswirbelsäule, Wärme- und Fangopackungen machen, wurde mir von verschiedenen Ärztinnen und Medizinern gesagt – so richtig viel änderte sich nicht – und fast niemand nahm das Wort „Migräne“ in den Mund. Bei mir dauerten die Anfälle meistens einen ganzen Tag – das ist auch heute noch so. Abends und nachts ist es am schlimmsten, gerade wenn ich lange am Schreibtisch gesessen habe. Die Frequenz lässt zum Glück nach. Ich bin bis heute heilfroh, dass ich es nicht mit einer so genannten Aura zu tun hatte. Rund 15 Prozent der Betroffenen leiden an einer Migräne mit Aura: Bevor die oben genannten Symptome einsetzen, nehmen die Betroffenen Lichtblitze, seltsame Formen von Wellenlinien wahr oder sehen ihr Umfeld verwackelt und verschwommen. Ungefähr eine Stunde nach der Aura setzt dann die Migräne ein.

Mit diesem Thema beschäftigt sich auch die ZDF-Dokumentation mit Phia Quantius. Sie berichtet von Ohnmachtsanfällen, Halluzinationen und Lähmungserscheinungen. Des Weiteren beschreibt sie ihre Attacken wie einen Kater mit Kopfschmerzen, einem Magen-Darm-Virus, Periodenschmerzen, Stimmungsschwankungen, Unwohlsein, schlechte Laune, Erbrechen, Beeinträchtigung des Sehvermögens und der Kieferkontrolle – und dazu negative Nebenwirkungen der Medikamente.

Woher kommen Migräneanfälle?

Die große Frage, die ich mir damals stellte und die mich auch noch heute begleitet, lautet: Woher kommen diese Anfälle eigentlich?

Genaue Ursachen der Migräne sind noch nicht bekannt. Es wird vermutet, dass Migräne das Resultat von entzündlichen Vorgängen an den Blutgefäßen im Gehirn ist. Auch die Verarbeitung von Schmerzsignalen im Gehirn und das Einsetzen oder Nachlassen von Stress könnten mögliche Auslöser sein. Unregelmäßige Schlaf- und Essenszeiten erhöhen bei einer Vorgeschichte mit Migräne die Wahrscheinlichkeit für einen Anfall. Daher ist es wichtig, die Verknüpfung zu Ernährung und zur Bewegung zu beachten. Schlafmangel oder der Wechsel von Schlaf zu Anspannung (sowie weitere Wechsel von Erregungszuständen) sind weitere Auslösefaktoren.

Eine andere Vermutung ist, dass eine genetisch bedingte Störung der Nervenzellenoberfläche Migräne verursacht. Was vielleicht einige Menschen überraschen mag: Auch Emotionalität spielt bei Migräne eine Rolle. Starke Emotionen wie Freude, Trauer und Angst können Migräne auslösen. Auch hormonelle Schwankungen, der plötzliche Umschwung des Wetters oder der Konsum von Alkohol (speziell Rotwein) können Attacken herbeiführen.

Die Pflege meiner mentalen Gesundheit war und ist also ein relevanter Faktor beim Beantworten der Frage, wie ich mit meiner Migräne im Alltag lebte und lebe.

Die Migräne und ich im Arbeitsalltag

Kopfschmerzen und Migräne weisen nicht nur einen geringen Versorgungsgrad auf, sondern werden auch speziell im Arbeitsalltag ausgelöst. Beeinflussende Faktoren sind flackernde Bildschirme, häufiger Kundenkontakt, Belastung durch Arbeitsdruck oder Hektik, Stress, Gerüche oder Lärm. Bei mir ist es bis heute so, dass ich große Menschenansammlungen, helles Licht, laute Musik bei Events extrem anstrengend finde und regelmäßige Pausen brauche. Ich kann auch nicht von Meeting zu Meeting hüpfen, sondern plane Stillarbeitsphasen ein, in denen ich nur mit mir und meinem Büro allein bin.

Da Migräne meist aber keine sichtbaren Symptome zeigt, wird sie von Ausstehenden oft nicht als ernsthafte Krankheit wahrgenommen. Nicht-Betroffene sprechen auch häufig davon, dass sie glauben, Migräne lasse sich leicht behandeln.

Ein weiteres Vorurteil verdeutlicht sich in der Annahme, dass ein ungesunder Lebensstil ein Auslöser für Migräne sei und damit Betroffene für ihr Leiden selbst verantwortlich seien. Gerade diese Stigmatisierung von Migräne und anderen Schmerzerkrankungen führt dazu, dass Betroffene sich gegenüber Familie, Freundinnen und Arbeitgebern oft nicht anvertrauen – bei mir ist das zum Glück anders. Gemeinsam mit zwei ebenfalls betroffenen Teammitgliedern spreche ich regelmäßig über unsere Erfahrungen. Klar denken viele, es beeinträchtige uns manchmal in unserer Leistungsfähigkeit im Beruf. Aber wer sagt, dass Leistungsfähigkeit in der Anzahl der Stunden gemessen wird, in denen wir arbeiten? Ich glaube vielmehr, es kommt darauf an, in der Zeit, in der wir arbeiten, fokussiert produktiv zu sein. „Es ist immer eine Frage des Vergleichs oder des Maßes“, wie meine Coaching-Kollegin Heike Fischer mir schrieb. Ich hatte gesagt, dass ich gefühlt manchmal nur noch 50 Prozent leistungsfähig sei; Heike daraufhin: „50 Prozent von was, Simone? War Dein Glas randvoll und nun ist es halb leer oder war es schon immer nur halbvoll, zu zwei Dritteln gefüllt, oder wie?“ Zuerst dachte ich an das ewig herangezogene Beispiel des halbvollen und halbleeren Glases und die entsprechende positive oder negative Einstellung dazu. Aber nein, sie wollte mir vermitteln, dass es Menschen gibt, die mein halbvolles Glas bereits als ein volles Glas sehen würden.

Meine Ibus in der Medikamententasche habe ich dennoch weiterhin dabei – you never know.

Weitere Schmerzerkrankungen:
(zum Aufklappen)

Zu weiteren Schmerzerkrankungen zählen:

  • Arthrose: schmerzhafte und steife Gelenke durch Gelenkverschleiß
  • Bandscheiben/Rückenschmerzen
  • Chronischer Unterbauchschmerz bei biologisch-weiblichen Körpern
  • CRPS (Komplex Regionales Schmerzsyndrom)
  • Endometriose
  • Fibromyalgie
  • Gelenkschmerz
  • Golferarm (Golferellenbogen)
  • Tennisarm (Tennisellenbogen)
  • Gürtelrose und Post-Zoster-Neuralgie: Infektionskrankheit, die Haut und Nerven betrifft
  • Karpaltunnelsyndrom: Mittelhandnerv ist im Handgelenktunnel (Karpaltunnel) eingeklemmt
  • Osteoporose: Knochenschwund
  • Phantomschmerzen
  • Restless Legs Syndrom: chronisch neurologische Erkrankung -> Bewegungsdrang in den Beinen
  • Schultersteife
  • Tumorschmerzen

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Simone Burel, Geschäftsführerin der LUB GmbH - Linguistische Unternehmensberatung

Simone Burel

Dr. Simone Burel ist Geschäftsführerin der LUB – Linguistische Unternehmensberatung, promovierte Sprachwissenschaftlerin und (Fachbuch-)Autorin. Ihre Arbeiten zu Sprache, Gender Diversity & Unternehmenskommunikation wurden bereits mehrfach ausgezeichnet. Mit der neuen Marke Diversity Company spezialisieren Burel und ihr Team sich auf einen neuen Schwerpunkt: Diversität in all ihren Dimensionen – neben den sechs klassischen Diversity-Dimensionen beschäftigen sie sich mit den unsichtbaren Faktoren soziale Herkunft und mentale Diversität. Das Thema Mental Health beschäftigt sie intern als Führungskräfte wie auch extern bei Kundinnen und Kunden

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