Cut the middleman: Der direkte Draht zu Talenten

Eine Frage der Einstellung

Jedes Unternehmen will die besten Talente für sich gewinnen. Doch das Problem ist: Davon gibt es zu wenige. Eine Prognose der Studie The global talent crunch der Organisationsberatung Korn Ferry (2018) lautet, dass bis 2030 weltweit 85 Millionen Fachkräfte fehlen werden. Dementsprechend wird mehr denn je die perfekte Methode gesucht, um Personen zu finden, von der Arbeit im Unternehmen zu überzeugen und dann in der Folge zu halten.

Was mich vor diesem Hintergrund jedoch wirklich wundert: Recruiting wird trotz der enorm gestiegenen Bedeutung nach wie vor in großen Teilen an externe Dienstleister vergeben. Bei der Generierung von Reichweite begeben Recruitingverantwortliche sich dadurch in die Abhängigkeit von Stellenbörsen und Karrierenetzwerken. Will ein Unternehmen spezifische Stellen besetzen, sind Personalberaterinnen und Headhunter das Mittel der Wahl. Die direkte Interaktion zu den potenziellen Mitarbeitenden wird somit im Recruiting weiterhin umgangen. Die Folge: Unternehmen haben kaum Kenntnis über die Wünsche ihrer Zielgruppen und entwickeln eine spiralförmig wachsende Abhängigkeit von Mittelspersonen.

Viele Unternehmen machen es sich leicht – zu ihrem eigenen Nachteil

Mit zunehmender Digitalisierung haben sich viele Unternehmen in Sachen Recruiting inflationär zurückentwickelt. Eines der auch von außen sichtbarsten Symptome ist, dass Recruiting in der Regel erst startet, wenn Talente das Unternehmen verlassen oder neue Wachstumsziele ausgegeben werden. Dadurch werden Stellen oft erst viel zu spät besetzt, Übergaben können nicht stattfinden, Ziele werden verfehlt – und das auf Kosten der Zufriedenheit der aktuell Beschäftigten. Statt das Problem strategisch zu priorisieren, wird das Thema Recruiting oft noch stärker nach außen verlagert; es werden Headhunterinnen beauftragt und zusätzliche Kontingente bei Stellenbörsen gebucht. Doch damit machen es sich viele Unternehmen im Recruiting zu leicht.

Vielmehr braucht es eine zentrale Integration des Recruitings in die gesamte Wertschöpfung. Die Gewinnung und Zufriedenstellung von Arbeitskräften muss als Motivation und Mittel der Zielerreichung verstanden werden. Die Karriereseite des unternehmenseigenen Webauftritts sollte in diesem Prozess die Priorität haben, während Maßnahmen auf Stellenbörsen und Karrierenetzwerken diese lediglich flankieren.

Die eigene Karriereseite als Herzstück im Recruiting

Nach dem Motto „Ist ja eh alles auf LinkedIn oder Indeed” wird bei einigen Unternehmen die eigene Karriereseite oft vernachlässigt. Ein bisschen Employer Branding, von A bis Z sortierte Jobs, ein Bewerbungsformular – mehr ist nicht zu erwarten. Ob dabei die Kandidaten im Zentrum stehen? Eher nicht.

Bei der Fülle an Jobangeboten suchen Menschen nach ehrlichen Informationen, die Unternehmen A von B differenzieren und über mögliche Identifikationsmöglichkeiten mit der Arbeit oder die Kompatibilität mit dem eigenen Leben aufklären: Menschen suchen nach Jobs, in denen sie sich wiederfinden, die zum eigenen Leben passen. Die eigene Karriereseite kann als Herzstück aller Recruiting-Maßnahmen genau das leisten. Hier können Jobs lebendig inszeniert werden, so dass Menschen direkt angesprochen werden. Diese zentrale Seite muss als wesentlicher Teil der Unternehmensstrategie verstanden werden. Die Realität ist jedoch eine andere. Laut einer Studie vom Staufenbiel Institut und von Kienbaum flossen zuletzt lediglich neun Prozent des Recruiting-Budgets in eine eigene Karriereseite. Und nur 15 Prozent von rund 1.400 befragten Unternehmen im KOFA-Personalarbeitsindex gaben an, über sich als Arbeitgeber auf solch einer Seite zu informieren.

Daten sind die Basis der Erfolgskontrolle

Das Fatale ist: Verlassen sich Personalmarketingverantwortliche im Recruiting ausschließlich auf externe Plattformen, geben sie damit einen Großteil der Kontrolle über ihre Aktivitäten in fremde Hände – ohne Einblick, welche Stellenanzeigen und Talentansprachen funktionieren und welche nicht. Dabei ist genau diese Analyse von Daten im Hinblick auf beispielsweise die Budgetsteuerung relevant: Werden Talente auf die ausgeschriebenen Jobs aufmerksam? Welche Stellenanzeigen funktionieren mit welchen Inhalten? Und wie effizient sind die Maßnahmen? Steht die Anzahl der tatsächlich eingegangenen Bewerbungen im Verhältnis zum Recruiting-Aufwand? Nur wenn Unternehmen selbst diese Daten sammeln, können sie den Erfolg oder auch das Versagen ihrer Recruitingmaßnahmen umfassend nachvollziehen – und diese entsprechend anpassen. Also Schluss mit post and pray!

Worauf kommt es bei einer guten Karriereseite an?
Hier sind vier Tipps:

Der Arbeitskräftemangel wird bleiben – und sich mit Blick auf den demografischen Wandel sogar noch verstärken. Es geht somit mittlerweile um mehr als um ein paar Bewerbungen mehr oder weniger: Es geht um die Zukunft der Unternehmen. Mit der eigenen Karriereseite haben Unternehmen eines der wichtigsten Recruiting-Instrumente bereits an der Hand – sie müssen es nur noch richtig benutzen.

 

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Robin Sudermann

Robin Sudermann

Robin Sudermann ist CEO und Co-Founder des HR-Tech-Unternehmens talentsconnect. Seit Ende August 2022 schreibt er in seiner Kolumne "Eine Frage der Einstellung" über die kleinen und großen Anfänge am Arbeitsplatz und die Zukunft von Einstellungsverfahren.

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