Die Time to Hire bezeichnet die Zeit, die es braucht, um eine offene Position zu besetzen. Wie man sie festlegt, interpretiert und verkürzt.
Überall in Unternehmensorganisationen steigen seit Jahren die Ansprüche an die digitale Erfassbarkeit und steuerbare Effizienz von Prozessen. Das Recruiting bildet da keine Ausnahme. Welche Kennzahlen sind eigentlich dafür nötig? In dieser dreiteiligen Serie möchten wir zentrale Recruiting-Kennzahlen vorstellen, ihren Nutzwert und ihre Bedeutung diskutieren sowie Praktiker:innen über den konkreten Nutzen der jeweiligen Kennzahl berichten lassen. Den Auftakt bildet die Time to Hire.
Time to Hire: Definition und Erhebung
Die Time to Hire bezeichnet die Zeit, die ein Unternehmen braucht, um eine offene Position beziehungsweise Positionen aus einer Jobgruppe zu besetzen. Wie können Unternehmen diese Zeit festlegen? Möglich ist zum Beispiel als Startpunkt die Formulierung eines konkreten Kandidatenprofils und als Endpunkt den Arbeitsantritt zu definieren (siehe unten „Diskussion“). Die Time to Hire ist in jedem Fall relativ einfach zu erheben, weil die Daten für diese Kennzahl technisch gesehen aus einer einzigen Datenumgebung kommen: dem Bewerbermanagementsystem (ATS). Andere Kennzahlen wie etwa die Cost per Qualified Applicant (siehe Folge 3 unserer Serie) stellen da eine deutlich größere Herausforderung dar, weil sie Daten aus verschiedenen Datenumgebungen zusammenführen.
Aktualität und Relevanz
In Deutschland, Österreich und der Schweiz haben wir es seit Jahren in vielen Branchen und Funktionen mit kandidatenorientierten Märkten zu tun, auf denen sich Jobsuchende „ihren“ Arbeitgeber auswählen, nicht umgekehrt. Die Time to Hire ist eine unverzichtbare Steuerungs-Kennzahl, um dieser Tatsache ins Auge zu sehen. Denn die vielfach umworbenen Kandidat:innen sind nur kurz auf dem Markt, Unternehmen mit langer Time to Hire ziehen in jedem Fall den Kürzeren. Zudem hat die Time to Hire eine unmittelbare betriebswirtschaftliche Relevanz, weil durch Vakanzen Kosten entstehen (zum Beispiel Produktionsausfälle oder Engpässe bei Dienstleistungen). In Schlüsselpositionen mit hoher Wertschöpfung sind diese Kosten besonders hoch.
Diskussion und Bezug zu anderen Kennzahlen
- Diskussionswürdig ist bei der Kennzahl Time to Hire zum Beispiel die Zeitspanne, die zugrunde gelegt wird. In einer engeren Definition ist das vom Beginn der Personalsuche bis zur Vertragsunterschrift. In einer erweiterten Auffassung vom Entstehen der Vakanz (zum Beispiel durch das Ausscheiden eines beziehungsweise einer Mitarbeitenden oder die Formulierung der Anforderungen an Kandidat:innen im ATS) bis zum Arbeitsantritt.
- Die engere Definition sollten Recruiter:innen streng genommen nicht als Time to Hire sondern Time to Contract Der Hintergrund: In kandidatenorientierten Märkten kann in der Zeit zwischen Vertragsunterschrift und geplantem Arbeitsantritt viel passieren. Kandidat:innen sind durch die Vertragsunterschrift noch nicht wirklich gewonnen und können vor dem ersten Arbeitstag wieder abspringen. Als „Kollege kommt nicht“ hat eine Tageszeitung das Phänomen schon vor vielen Jahren beschrieben. Selbst wenn die Kolleg:innen rechtzeitig kommen, bleibt zwischen Vertragsunterschrift und Arbeitsantritt ein Wertschöpfungsvakuum, in dem Kosten entstehen.
- Die Kosten pro Vakanz (etwa pro Monat) oder Cost per Vacancy sind in die Überlegungen zu den Recruiting-Kosten betriebswirtschaftlich einzupreisen, weil diese die Recruitingkosten häufig um ein Vielfaches übersteigen. Bei hoher Cost per Vacancy kann es zum Beispiel sinnvoll sein, die Zeitspanne zwischen Arbeitsantritt und Vertragsunterschrift durch einen Signing-Bonus zu verkürzen und so die Time to Hire zu verkürzen. Damit setzt das rekrutierende Unternehmen für die neuen Mitarbeiter:innen einen Anreiz, damit ihre Arbeitgeber sie schneller aus dem Vertrag entlassen.
- Um die Time to Hire zu verkürzen, ist eine genaue Sequenzierung des Prozesses im Rahmen der definierten Zeitspanne zielführend: In welchem Abschnitt kommt es zu Verzögerungen? Wo steigen Kandidat:innen wieder aus? Was sind die wirklichen Gründe für eine Absage des Unternehmens? „Mangelnde kulturelle Passung“ reicht nicht. Wo genau passt es nicht? Welchen Wert bringen die meisten Kandidat:innen in der Pipeline nicht mit? Danach kann das Unternehmen zum Beispiel die Recruiting-Kommunikation anpassen, dadurch die Passung von Kandidat:innen in der Pipeline verbessern und die Time to Hire weiter verkürzen.
Time to Hire: Kurzer Bericht aus der Praxis
Welchen Nutzen ziehen Praktiker:innen aus dem aktiven Umgang mit der Kennzahl?Für Stefan Kramer (Geschäftsführer der WISAG Job & Karriere) ist die Time to Hire eine entscheidende Kennzahl. Je kleiner die Zahl, desto schneller besetzt das Unternehmen offene Stellen, desto zufriedener sind die Hiring-Manager:innen und desto geringer die Kosten, die durch eine unbesetzte Vakanz verursacht werden. „Sie ermöglicht zudem, Abteilungen und Regionen zu benchmarken und ist eine wichtige Grundlage für fruchtbare Gespräche mit den Hiring Managern zur Verbesserung des Recruitingprozesses“, sagt Kramer. Seine wichtigste Erkenntnis aus dem Umgang mit der Kennzahl ist es, zwischen Teilschritten im Prozess unterscheiden zu können. Die Länge der Phase von der Beauftragung bis zur Präsentation der Kandidat:innen ist zum Beispiel stark von der Wahl des „richtigen Kanals“ beeinflusst, der Auswahlprozess als solcher von internen Faktoren. Last but not least hat die Time to Hire eine äußerst positive Nebenwirkung: „Wenn ich die Time to Hire verkürze, läuft das in der Regel über eine Vergrößerung des Anteils von qualifizierten Bewerbungen. Dadurch sinkt der Aufwand im Recruiting für die Bearbeitung von Bewerbungen“, berichtet Kramer.
Mehr Erfahrungen und Rechenbeispiele aus der Kennzahlen-Praxis im Recruiting bietet Stefan Kramer in einem E-Book. Es steht kostenlos zum Download auf seiner Website zur Verfügung.
Fazit und Ausblick
Die Time to Hire gehört ist aber unbedingt in jedes Recruiting-Dashboard zu integrieren. Die meisten Arbeitgeber bewegen sich zumindest zum Teil auf engen Märkten – zudem entstehen durch eine unnötig lange Time to Hire zum Teil hohe Kosten. Die Time to Hire verfügt als Steuerungskennzahl also über ein unmittelbares Wertschöpfungspotenzial. In den nächsten Folgen geht es um Kosteneffizienzkennzahlen.