Die So-arbeitet-Deutschland-Studie zeigt: Diskriminierung gehört für Frauen immer noch zum Arbeitsalltag und der Fachkräftemangel ist noch nicht vom Tisch.
Corona hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt und lang etablierte Strukturen, beispielsweise der Zusammenarbeit, über Nacht ausgehebelt und Unternehmer sowie Mitarbeiter gleichermaßen vor neue Herausforderungen gestellt. Doch bei allen Veränderungen, die derzeit auf uns zukommen, sollte dabei immer eines im Fokus stehen: die Bedürfnisse (potenzieller) Mitarbeiter. Eine regelmäßige Bestandsaufnahme des Stimmungsbildes der Mitarbeiter und Freelancer in Deutschland liefert unsere repräsentative So-arbeitet-Deutschland-Studie*, die der Frage nachgeht: Wie arbeiten die Menschen heute – und was wünschen sie sich für morgen?
Realität in Deutschland: Die diskriminierte „Quotenfrau“
Männer und Frauen sollten im Job gleichbehandelt werden – das finden 91 Prozent der Befragten der aktuellen So-arbeitet-Deutschland-Studie. Ein wünschenswerter Anspruch, dem die Realität jedoch oft nicht standhält. Denn mehr als die Hälfte der Frauen (60 Prozent) wurde schon aufgrund ihres Geschlechtes benachteiligt, während umgekehrt 66 Prozent der Männer noch nie diskriminiert wurden. Doch Frauen trifft die Benachteiligung nicht nur ungleich stärker, sondern zudem auch noch in den einschlägigsten Bereichen. So zeigt sich ihre Diskriminierung vordergründig beim Gehalt (52 Prozent) und bei Beförderungen (31 Prozent). Männer erfahren hauptsächlich eine ungleiche Behandlung, wenn es um Lob und Anerkennung (20 Prozent) und die Projekt- und Aufgabenverteilung (15 Prozent) geht. Doch sind im Recruiting die Frauen im Vorteil – und das vor allem aufgrund ihres Geschlechts? So denken zumindest knapp die Hälfte (47 Prozent), dass Mitarbeiterinnen in Unternehmen eingestellt werden, um eine Frauenquote zu erfüllen.
Die aktuelle Studie zeigt erfreulicherweise, das Bewusstsein für Gleichberechtigung ist da – doch im Arbeitsalltag leider noch nicht angekommen. Hier sind Führungskräfte gefragt: Gleichberechtigung im Job ist Chefsache und muss vom Management gelebt werden. Dem stimmen 70 Prozent der Befragten zu und fordern, dass Impulse hierfür von der Führungsebene kommen müssen. Zu den Top-3-Maßnahmen für mehr Chancengleichheit zählen: objektive Leistungsbewertungen (65 Prozent), eine entsprechende Unternehmenskultur, die Chancengleichheit fördert (56 Prozent) sowie die flexible Gestaltung des Arbeitsalltags (41 Prozent). Insbesondere hinsichtlich der Flexibilität hat die Corona-Pandemie bei manch einem Unternehmen wie ein Katalysator gewirkt. Oft mussten entsprechende Strukturen, wie eine freie Einteilung der Arbeitszeit und die Arbeit aus dem Homeoffice, von einen auf den anderen Tag umgesetzt werden. Zeitgleich standen viele vor der Herausforderung, ihre Kinder zu Hause zu betreuen. Das wäre ohne eine vertrauensvolle Unternehmenskultur nicht möglich gewesen und hat zudem manch einen für die notwendige Vereinbarkeit von Familie und Beruf sensibilisiert. Ziel muss es jetzt sein, diese Konzepte und Erfahrungen zu analysieren und als Basis für die künftige Zusammenarbeit zu sehen.
Kampf gegen den Fachkräftemangel: Alte Strukturen aufbrechen
Mythos oder Realität? Der Fachkräftemangel sorgt schon länger für kontroverse Diskussionen. Ein Blick auf die aktuelle Situation zeigt: Durch die Corona-Pandemie haben sich die Verhältnisse verschoben – der bis dahin stark Bewerber-zentrierte Markt wandelt sich gerade wieder zugunsten der Arbeitgeber. Dies ist natürlich eine Momentaufnahme in einer extremen Situation und klar ist, dass der Fachkräftemangel jetzt nicht einfach über Nacht vom Tisch ist. Das spüren auch die Befragten: Lediglich elf Prozent bemerken keine Auswirkungen aufgrund fehlender Experten auf dem Arbeitsmarkt. Der deutlichen Mehrheit sind die gravierenden Folgen für die deutsche Wirtschaft bewusst: Sie zeigen sich durch fehlendes Wissen (52 Prozent), verminderte Arbeitsqualität (49 Prozent) und ein schlechtes Betriebsklima (48 Prozent).
Doch wie kann Deutschland dem Fachkräftemangel entgegenwirken?
Die Integration von Quereinsteigern (49 Prozent), Ausbau des Angebots für Ausbildungsberufe (38 Prozent) und die Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit (36 Prozent) zählen zu erfolgsversprechenden Maßnahmen. Erstaunlich ist: Die Erhöhung des Renteneintrittsalters findet hingegen kaum Anklang bei den Befragten (vier Prozent).
Dass Unternehmen im Zuge des sich verhärtenden Fachkräftemangels dringend etwas tun müssen, steht außer Frage. Was in vielen europäischen Nachbarländern bereits sehr erfolgreich praktiziert wird, ist die Integration ausländischer Fachkräfte in den Binnenarbeitsmarkt. Hier schlummert bedeutendes ungenutztes Potenzial – das deutsche Unternehmen verstärkt nutzen sollten. Mehr noch: Wir dürfen es Fachkräften aus dem Ausland nicht erschweren, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Während beispielsweise in den Niederlanden oder in Schweden die Unternehmenssprache meist bereits Englisch ist – und alle Unternehmensinformationen entsprechend ebenfalls in englischer Sprache zur Verfügung stehen – ist hier nach wie vor Deutsch die vorherrschende Business-Sprache.
Ebenso häufig wird es nach wie vor Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die sich mitunter aus familiären Gründen temporär aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, in Deutschland erschwert, nach einer Pause wieder ins Arbeitsleben einzusteigen. Sei es aufgrund mangelnder Teilzeitmöglichkeiten, wegen fehlender Kinderbetreuung oder Ähnlichem. Es gibt bereits neue Job-Sharing-Modelle oder spezielle Angebote zur Betreuung und Vereinbarung von Arbeits- und Privatleben. Aber auch hier ist klar: ideale Bedingungen sind noch lange nicht erreicht und es besteht hier noch viel unausgeschöpftes Potenzial.
Ausblick
Unbestritten hat Corona uns mit seiner vollen Wucht erwischt. Doch bereits im Kleinen erkennen wir, dass sich auch die Arbeitswelt maßgeblich wandelt. Formen der Zusammenarbeit und generell herausfordernde Umfelder für Unternehmen werden aktuell praxisnah, ohne großflächige Change-Prozesse, gelöst. Dabei sollte uns eines klar sein: Im Mittelpunkt sollte immer der Mensch stehen. Denn nur wenn HR und Führungskräfte die Bedürfnisse ihres Teams kennen, sind sie in der Lage, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich jeder frei entfalten kann. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um nachhaltig „bunte“ Teams zusammenzustellen, die auch im Zuge des Fachkräftemangels als „Königslösung“ im Recruiting und für den Unternehmenserfolg gesehen werden. Das Potenzial unserer vielfältigen Welt kann nur ausgeschöpft werden, wenn alle gleichermaßen einbezogen werden und teilhaben können. Der Kampf um die besten Köpfe wird sicher auch in der (Post)Corona-Phase nicht abebben – wer hier noch in alten, eingefahrenen Strukturen denkt, wird langfristig seine Mitarbeiter verlieren und keinen Erfolg haben.
Zur Studie:
Es wurden in Zusammenarbeit mit Kantar 1.990 Angestellte und Freelancer aus der IT-, der Ingenieur-Branche sowie einem Querschnitt aller weiteren Branchen befragt. Regelmäßig Updates dazu sowie ein Whitepaper finden Sie auch unter so-arbeitet-deutschland.com sowie auf dem Instagram Account So_arbeitet_Deutschland.