Michael Nattke ist Fachreferent beim Kulturbüro Sachsen, einem Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, rechtsextremistische Strukturen durch eine aktive demokratische Zivilgesellschaft zu bekämpfen. Hauptsächlich hilft er Kommunen, aber auch Firmen gehören zu den Beratungsnehmern. Im Interview erzählt er, wie die Zusammenarbeit mit den Unternehmen funktioniert.
Herr Nattke, wie viele Überstunden haben Sie in den letzten Wochen gemacht?
Da hört man irgendwann auf zu zählen. Und muss aufpassen, dass man auch noch auf sich selbst achtet und sich seine Arbeitszeit so einteilt, dass man die Pausen hat, die man braucht. Ich war auch im Sommer im Urlaub, trotz allem was in unserer Region passiert ist. Das Problem bei unserer Arbeit ist, dass sie uns stark emotional berührt. Da helfen dann der Austausch mit Kollegen und die Supervision, die wir bei uns machen.
Wie sehr hat sich Ihre Arbeit intensiviert in den letzten Monaten?
Normalerweise ist es so, dass wir vor Beginn der Sommerferien merken, dass die Beratungsanfragen weniger werden und es auch weniger Vorkommnisse gibt, auf die wir reagieren müssen. Dieses Jahr blieb das gleichbleibend hoch.
Sie beraten in erster Linie Kommunen, aber auch Firmen gehören zu Ihrer Zielgruppe. Kommen aktuell vermehrt Unternehmen mit Fragen zum Umgang mit Rechtsextremismus auf Sie zu?
Vermehrte Anfragen von Firmen haben wir im Moment nicht. Gerade müssen wir vor allem sehr viel auf die Ausschreitungen in den Gemeinwesen reagieren. Da geht es um die Unterstützung der Willkommens-Bündnisse vor Ort, also um das, was die Leute in Freital oder Heidenau tun, um den Flüchtlingen zu helfen. Diese in solch schwierigen Situationen wie aktuell zu stärken, ist eines unserer Hauptziele.
Wenn Sie mit Firmen zusammenarbeiten, worum geht es dann meist?
Es gibt ganz unterschiedliche Beratungskontexte. Da viele Rechtsextremismus als ein Jugendproblem ansehen, werden wir besonders viel angefragt für Fortbildungen für Auszubildende. Hier sehen Unternehmen oft eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Dann gibt es auch Beratungsanfragen, wenn im Unternehmen jemand durch das Tragen von Thor-Steiner-Kleidung oder bestimmte Äußerungen aufgefallen ist. Dann wird gefragt, wie man damit umgehen soll. Wir schauen dann mit der Personal- oder Unternehmensleitung, welche Handlungsmöglichkeiten es gibt oder ob auch vielleicht erst welche erarbeitet werden müssen.
Wenn es im Unternehmen einen konkreten Anlass gegeben hat, warum man sich an Sie wendet, gehen Sie dann auch direkt mit den betroffenen Mitarbeitern in einen Austausch?
Das ist nicht unser Part. Wir stärken in so einem Fall die Mitarbeiter in der Personalabteilung, die sich mit dem Mitarbeiter auseinandersetzen wollen. Dazu gehört vor allem, Informationen zu vermitteln, woran sie festmachen können, ob gewisse Äußerungen als rechtsextrem einzustufen sind.
Wie sollte man als Firma regieren, wenn man merkt, dass es rechtsextreme Tendenzen innerhalb der Belegschaft gibt?
Die umfassende Information ist das Wichtigste. Wenn sich jemand beispielsweise nur einmal in diese Richtung hin geäußert hat, kann das zwar ein Anhaltspunkt sein, aber man braucht mehr, um daraus ein Urteil abzuleiten. Auch müssen all die Dinge zusammengetragen werden, die gegen den Mitarbeiter vorliegen. Und man sollte immer jemand Externen dazu holen, um eine Reflexion über das Vorliegende zu ermöglichen, bevor es zu Konsequenzen kommt.
Im vergangenen Jahr hat das Kulturbüro über 130 Beratungen und mehr als 100 Fortbildungen und Workshops in Sachsen durchgeführt. 14 Beratungen und 21 Fortbildungen beziehungsweise Workshops fanden in Unternehmen statt. Gemeinsam mit Partnerorganisationen arbeitet der Verein gerade an einer Zertifizierung von Unternehmen, die sich aktiv für Demokratie und Menschenrechte einsetzen.