„Viele Assistenzen haben ihre Rollen transformiert“

Interview mit Diana Brandl

Frau Brandl, man sagt, dass Assistentinnen die unsichtbaren Heldinnen erfolgreicher Chefs sind. Was ist dran an diesem Klischee?
Diana Brandl: Es ist richtig, dass die Assistenz ihren Chefs und Chefinnen zum Erfolg verhilft und dass viele Menschen, die in der Assistenz arbeiten, wenig sichtbar sind. Viele Assistentinnen und Assistenten fühlen sich in dieser Unsichtbarkeit auch wohl. Doch verallgemeinern kann man dies wiederum nicht: Immer mehr Assistenzen fangen bewusst an, herauszutreten, wollen wahrgenommen werden. Sie werden aktiv und arbeiten sowohl an ihren Profilen als auch an ihrem Portfolio, um als zukunftsorientierte Assistenz am Markt zu bestehen. Viele investieren aktuell in Hard Skills rund um den modernen Arbeitsplatz und in Soft Skills wie zum Beispiel Mediation.

Wie können die Menschen in diesem Beruf sichtbarer werden – sofern sie das wollen?
Meine Empfehlung ist insbesondere, sich auch fernab der klassischen Assistenzrollen zu engagieren. Etwa Meetings nicht nur zu organisieren, sondern ihnen auch beizuwohnen. Damit meine ich nicht als Protokollantin, wie man das von früher kennt. Hat die Assistentin bereits viel Wissen über das Business erlangt und entsprechende Werkzeuge an der Hand, ist es zum Beispiel eine gute Idee, sich als Moderatorin für Meetings anzubieten. Aber auch sonst ist es zielführend, dabei zu sein – schlicht um zuzuhören und zu beobachten. So hat die Assistenz die Chance, das Business zu verstehen. Vor allem aber bekommt sie ein Gefühl dafür, wie der CEO führt und wie die Atmosphäre im Meeting ist. Für die Führungskraft ist das eine enorme Unterstützung. Die Assistentin von Richard Branson sagte einst, dass sie bei jedem Meeting ihres Managers dabei war. Sie hat observiert und dabei auch auf die emotionale Ebene geachtet, hat wahrgenommen, wie die an der Besprechung Teilnehmenden ticken und was sie brauchen. So konnte sie erfassen, wo es eventuell Probleme geben könnte, wo die Weichen anders gestellt werden müssen und wo sie ihren Chef entlasten kann. Darauf hat sich Branson verlassen.

Wie trägt die Assistenz darüber hinaus zum Erfolg ihres Chefs oder ihrer Chefin bei?
Die Assistenz steht in enger Sparring-Partnerschaft zur oberen Ebene und taucht sehr tief in die Themen der CEOs ein. Bei der Vielzahl der Themen behält sie dabei die Agenda im Überblick. Vor allem aber agiert sie sehr strategisch, um den CEO oder Vorstand richtig zu lenken. So analysiert sie, wo die Zeit des Managers eigentlich hineinfließt und wo Zeitfresser liegen. Sind es etwa zu viele Meetings? Oder ist der CEO zu häufig auf Reisen? Als strategische Business-Partnerin stellt die Assistenz die richtigen Weichen. Sie ist so etwas wie der verlängerte Arm ihrer Führungskraft. Das macht sich unter anderem darin bemerkbar, dass sie zunehmend mehr für deren Personenmarke verantwortlich ist. Ich erlebe dies oftmals in meinen Seminaren: Wir sprechen hier immer häufiger über Support-Anfragen aus dem Management wie Social-Media-Unterstützung und somit beim Personal Branding.

Das heißt, die Assistenz treibt zunehmend auch die Positionierung des CEO voran …
Genau. Für CEOs wird eine persönliche Markenbildung immer wichtiger. Sie müssen raus, sich bei Linkedin und anderen sozialen Netzwerken zeigen und sich den diversen Zielgruppen über Storytelling nahbar machen. In diese Aufgabe ist die Assistenz immer mehr involviert: Intern bespielt sie die Marke der Führungskraft, indem sie ihn in relevanten Netzwerken platziert, nach außen schaut sie, wie über die Social Media strategische Partnerschaften angebahnt werden können. Viele Vorgesetzte legen darauf inzwischen viel mehr wert als auf die klassische administrative Unterstützung. Ich bin davon überzeugt, dass diese Positionierungs- und Marketing-Aufgaben in Zukunft weiter zunehmen werden. Einige Assistenzen gehen schon jetzt sehr enge Kollaborationen mit den Kommunikations- und PR-Abteilungen ein, um mit diesen in den Austausch zu gehen und so auf die Marke ihrer Führungskraft einzahlen zu ­können.

Wie verändert sich das Aufgabenfeld und Berufsbild der Assistenz darüber hinaus und was muss HR entsprechend im Blick haben?
Für HR ist es sowohl wichtig zu verstehen, wie sich die Ansprüche des Managements verändern, als auch, wie sich die Assistentenrolle transformiert, um mögliche Karrierepfade aufzeigen zu können. In Sachen Digitalisierung lässt sich etwa beobachten, dass sich die Assistenzen quasi zu Trendscouts entwickeln: In vielen Firmen gestalten sie den modernen Arbeitsplatz mit und gehen mit ihren Vorgesetzten in den Austausch, wie das hybride Büro optimal laufen kann. In diesem Zusammenhang müssen sie sich mit den neuen Technologien vertraut machen, Digitalkompetenz beweisen, aber auch kulturelle Themen im Blick haben. Entsprechende Weiterbildungen anzubieten, ist sinnvoll und sollte ausgebaut werden. Manche HR-Abteilungen haben zudem verstanden, Assistenzen in Schlüsselfunktionen weiterzuentwickeln und die strategische Partnerschaft mit der Geschäftsleitung zu forcieren. Sie bieten Learning- und Development-Programme für entsprechende Karriere­pfade, beispielsweise im Bereich agiles Arbeiten, an. Viele Assistenzen haben ihre Rollen transformiert und arbeiten heute als Scrum Master oder Agile Coach.

Haben Sie eine Empfehlung, wie solche Entwicklungsprogramme unterstützt werden könnten?
Sehr hilfreich ist, die Global Skills Matrix für die Entwicklung der Programme hinzuzuziehen: In diesem Rahmenwerk für administrative Berufe der World Administrators Alliance werden die nötigen Kompetenzen für verschiedene zukünftige Rollen und Levels der Assistenz aufgezeigt. Es macht somit deutlich, wo die Reise hingeht und wie Stellenprofile und Karrierepfade der Zukunft ausschauen müssen. Davon ausgehend, ist für die Personalverantwortlichen wichtig zu überlegen, wo sie konkret anknüpfen und wo sie etwa mit internen Assistenz-Netzwerken in den Dialog gehen können.

Sie waren bis 2017 in der Funktion tätig. Wie haben Sie selbst Ihre Rolle erlebt?
Ich habe mich nie als klassische Assistenz gesehen und wollte schon immer Aufgaben über diese Rolle hinaus übernehmen. Beispielsweise leitete ich in einem Unternehmen die interne Kommunikation, bei einem anderen Arbeitgeber war ich als Referentin tätig und habe Reden für den Vorstand geschrieben. Ich habe insgesamt viel an Kommunikations- sowie an Strategiethemen mitgearbeitet, war für hochwertige Events verantwortlich und habe ein internes Assistentinnen-Netzwerk gegründet. Natürlich gehörte auch das Kalender- und Reisemanagement zu meinen Aufgaben. Es ist das Brot- und Buttergeschäft der Assistenz, das sich aber seit ein paar Jahren mehr und mehr verlagert.

Was hat Sie bewogen, sich als Coach selbstständig zu machen?
Ich habe als Assistentin alles erreicht und zudem erfahren, dass es möglich ist, sich in der Rolle immer wieder dem Zeitgeist anzupassen und damit zu wachsen. Dazu möchte ich Management und Assistenz ermutigen. Zum einen, weil ich mich ihnen verbunden fühle, zum anderen, weil diesem Berufszweig immer noch zu wenig zugetraut wird und Assistenzen oftmals zu wenig gefördert werden. Gleichzeitig möchte ich dabei unterstützen, das Management in den Unternehmen zu verbessern. Ich bin davon überzeugt: Je besser eine Assistenz ist, desto mehr Erfolg hat auch das Management.

Ist das den Menschen im Management ebenfalls bewusst?
Gerade einigen Chefs und Chefinnen der jüngeren Generation ist dies durchaus bewusst. Ich habe immer wieder Personen aus dem Management als Teilnehmende in meinen Seminaren, die mit ihrer Assistenz besser und auf inhaltlicher Ebene zusammenarbeiten wollen. Sie investieren in die Rolle und helfen beim Upskilling. Viele andere erkennen allerdings noch nicht hinreichend, welche Effizienzvorteile die Assistenz ihnen bietet. Daher lautet auch mein dringlichster Rat an Assistentinnen und Assistenten: „Macht deutlich, wie ihr zur Prozessoptimierung beitragt und welchen Mehrwert ihr liefern könnt.“

Zur Gesprächspartnerin:

Diana Brandl blickt auf eine fast 20-jährige ­Karriere als Senior Executive ­Assistant und Referentin auf Top­management-Ebene in Unternehmen wie Ratiopharm, Sony, Mister Spex und Babbel zurück. Heute engagiert sie sich als Trainerin, Dozentin und Fachautorin intensiv für das Berufsbild der Assistenz der Zukunft im Zusammenhang mit New Work, Personal Branding, Digitalisierung und Leadership. In ihrem Podcast The Future Assistant interviewt die Office-Expertin ehemalige Assistenzen berühmter Menschen wie Barack Obama, Prinzessin Diana oder Jeff Bezos.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Sichtbarkeit. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Petra Walther ist freie Journalistin in Bonn.

Petra Walther

Petra Walther ist freie Journalistin in Bonn.

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