Transparenz: So findet und hält man Mitarbeitende

Eine Frage der Einstellung

Im Kampf um die besten Talente muss man sich als Arbeitgeber bestmöglich präsentieren. Schließlich ist der Wettbewerb aus verschiedenen Gründen enorm groß. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Unternehmen dazu neigen, in ihren Jobangeboten an der einen oder anderen Stelle etwas dick aufzutragen. Oder, auch nicht besser, sie verheimlichen etwas, das abschrecken könnte.

Was auf der einen Seite im besten Fall für mehr Bewerbungen sorgt, kann auf der anderen Seite dazu führen, dass ein gänzlich falsches Bild vom Unternehmen und der Arbeitsrealität gezeichnet wird. Im schlimmsten Fall hat dies zur Folge, dass erst kürzlich eingestellte Mitarbeitende das Unternehmen schnell wieder verlassen, weil der Job oder die Kultur ihre Erwartungen nicht erfüllt. Dann waren Kosten für Ausschreibung, Onboarding und weitere Maßnahmen umsonst. Und: So entsteht Frustration im Talent- und Acquisition-Team, in der Fachabteilung oder in der Geschäftsführung. Das negative Potenzial einer Kündigung innerhalb der Probezeit ist somit in alle Richtungen enorm groß.

Um das zu verhindern und ein stimmiges – und vor allem realistisches – Bild von der Arbeitsrealität nach außen zu transportieren, müssen Recruiting, Employer Branding und die Fachabteilung eng zusammenarbeiten. Das klingt logisch – aber ist das bereits im Recruiting-Alltag angekommen? Die mehr als 4.000 Gäste in den von uns veranstalteten Masterclasses und ebenso unsere Podcast-Gesprächspartnerinnen und -partner bestätigen: Nicht wirklich. Dabei könnte es so einfach sein: Wenn Unternehmen schon direkt in der Stellenausschreibung die Karten auf den Tisch legen und ehrliche Einblicke gewähren, gibt es im späteren Prozess auch keine bösen Überraschungen. Doch wie genau können Unternehmen transparenter werden? Was sind Stellschrauben, über die nachgedacht werden sollte?

Hard facts direkt in die Stellenausschreibung

Einstellungsprozesse scheitern oft, weil es schon bei den Rahmenbedingungen einfach nicht harmoniert: Hat ein Unternehmen keine flexiblen Homeoffice-Regelungen, wird sich eine Person, die sich genau das wünscht, gegen den Job entscheiden – auch wenn es auf der fachlichen und persönlichen Ebene noch so gut passt. Und auch die Frage nach dem Gehalt sollte so früh wie möglich geklärt werden. Denn kommen Arbeitgeber und Bewerberin oder Bewerber hier partout nicht auf einen Nenner, ist ein Match unwahrscheinlich. Warum nicht solche für die Entscheidung essenziell wichtigen Fragen direkt zu Beginn thematisieren?

Gleichzeitig können solche transparenten Informationen in der Stellenanzeige nicht nur für mehr Klarheit, sondern auch für Aufmerksamkeit sorgen, weil sie aus der Masse herausstechen: Laut einer Auswertung der Index Marktforschung aus 2020 hatten nur 11,6 Prozent von fast 800.000 Stellenanzeigen überhaupt eine Angaben zur monetären Entlohnung. Unternehmen, die hingegen transparente Angaben zum Gehalt machen, können hier nur positiv auffallen. Denn: 60 Prozent der Jobsuchenden würden sich eher für einen Job mit Gehaltsangabe bewerben als auf einen Job ohne Gehaltsangabe, wie eine Umfrage der Jobsuchmaschine Adzuna 2019 bereits herausfand. Transparenz wird demnach mittlerweile von vielen Talenten gefordert beziehungsweise durch ausbleibende Bewerbungen bestraft, wenn sie nicht gegeben ist.

Authentischer Blick in die Arbeitsrealität: Videos, Erfahrungsberichte, Aufgaben

Wenn Jobsuchende eine Stellenausschreibung sehen, stellen sie sich vor allem die Frage, ob der Job zu ihnen passt und sie sich vorstellen können, dort zu arbeiten. Es ist naheliegend, möglichst viel vom späteren Job zu zeigen und ihn lebhaft darzustellen. Dazu gehört nicht nur eine genaue Beschreibung der Aufgaben, sondern auch eine authentische Darstellung des zukünftigen Teams. Wer sind die Menschen, mit denen man zusammenarbeiten wird? Wer hat die Teamleitung inne? Fotos und Erfahrungsberichte von potenziellen Teammitgliedern geben einen ersten und transparenten Einblick. Ein Video vom Teamlead oder Chief Executive Officer (CEO) kann beispielsweise die Unternehmenskultur oder die Arbeitsweise im Team näherbringen. Dass ein derartig persönlicher erster Eindruck entscheidend ist, zeigen auch die Daten unserer Auftraggebenden bei talentsconnect: Ausführliche Jobanzeigen haben eine fast doppelt so lange Verweildauer und durchschnittlich jede fünfte Person bewirbt sich – während es bei den herkömmlichen textbasierten Stellenanzeigen laut diverser Studien nur etwa eine Person von 20 Personen ist.

Schon vor der Bewerbung ansprechbar sein

Vieles wird in konventionellen Bewerbungsprozessen erst nach der eigentlichen Bewerbung beantwortet. Dabei haben Talente erfahrungsgemäß auch schon davor viele offene Fragen, deren Beantwortung darüber entscheiden kann, ob sich Jobsuchende überhaupt bewerben oder nicht. Möglichst niedrigschwellige Angebote können hier nur gewinnen: Ob per Chat-Funktion direkt auf der Seite, einem ersten Kennenlernen über Whatsapp oder formlose Treffen, bei denen interessierte Personen das Team kennenlernen und Fragen stellen können – alles schafft Transparenz über die bloße Stellenausschreibung hinaus. Wir haben beispielsweise sehr gute Erfahrungen mit unserer Insights Hour gemacht: In 60 Minuten geben unser Recruiting und die Fachabteilung allen interessierten Talenten in einer Questions-and-Answers-Session kurze Impulse darüber, was genau den Job ausmacht, welche Entwicklungsmöglichkeiten es gibt, wie sie gefördert und gefordert werden und wie es sich anfühlt, bei talentsconnect zu arbeiten.

Es mag paradox klingen, aber die beste Stellenausschreibung ist eine, die abschreckt – und zwar die unpassenden Bewerbenden – und im Umkehrschluss nur die richtigen Talente anzieht. Das spart enorm viel Zeit für alle drei Seiten: Kandidaten, Recruiterinnen und Fachabteilungen. Unternehmen dürfen sich also von dem Relikt verabschieden, dass möglichst viele Bewerbungen ein Indikator für Erfolg sind. In einem starken Wettbewerb um Talente, der sich in den kommenden Jahren auf allen Ebenen zusätzlich verstärken wird, müssen die adressiert werden, die auch wirklich zur Stelle passen – vom ersten Klick auf der Stellenanzeige ausgehend bis zum Abschluss der Probezeit.

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Robin Sudermann

Robin Sudermann

Robin Sudermann ist CEO und Co-Founder des HR-Tech-Unternehmens talentsconnect. Seit Ende August 2022 schreibt er in seiner Kolumne "Eine Frage der Einstellung" über die kleinen und großen Anfänge am Arbeitsplatz und die Zukunft von Einstellungsverfahren.

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