Den Business-Partner zukunftsfähig machen

Personalmanagement

Irgendwann überholt sich jedes Modell – mehr oder weniger. Dennoch präferieren viele Unternehmen nach wie vor Dave Ulrichs HR Business Partner. Dabei stellen agile Zeiten besondere Anforderungen an die Organisation von HR – und somit an das Modell.

Viel diskutiert und kritisiert – dennoch häufig genutzt: Dave Ulrichs Säulenmodell und der Human Resources Business Partner (HRBP). Ende der 1990er Jahre schaffte der US-amerikanische Wissenschaftler damit eine neue, zusätzliche Definition des Personalmanagements. HR sollte dem Modell zufolge weniger als administrative Einheit und interner Dienstleister fungieren, sondern stärker als strategischer Partner, der sich nah am Geschäftsfeld orientiert. Das beinhaltet auch, HR in unternehmerische Entscheidungen stärker einzubinden. Die Wertschöpfung durch HR sollte ebenso in den Mittelpunkt rücken. In der Zwischenzeit hat sich einiges getan. Bestand anfangs noch Skepsis und Zurückhaltung, was die Einführung des Modells in der Praxis angeht, ist es heutzutage kaum mehr wegzudenken. Laut einer Studie von Willis Towers Watson existieren bei 90 Prozent der Unternehmen in der Region Europa HRBP, wobei 33 Prozent davon den Fokus der HRBP-Rolle neu ausrichten.

Es geht um Anpassungsfähigkeit

Digitalisierung und Agilität sind die Schlagworte unserer Zeit – fernab jener Ansprüche vor knapp 20 Jahren. Eine agile und digitale Arbeitswelt erfordert eine ebensolche Personalarbeit. Inwiefern das Modell des HRBP noch zeitgemäß ist, dafür sei zunächst klarzustellen, was unter Agilität überhaupt zu verstehen ist, sagt Stephan Fischer, Studiendekan für Human Resources Management an der Hochschule Pforzheim. Im Sinne wissenschaftlicher Definitionen passen sich agile Organisationen in einem kontinuierlichen Prozess ihrer Umgebung an. Sie agieren und reagieren initiativ sowie flexibel mit ihrer Umwelt – sei sie noch so komplex, dynamisch oder unsicher. Und: Agilität beschreibt die Fähigkeit, Veränderungen möglichst frühzeitig zu antizipieren, ebenso die Veränderungsbereitschaft der Organisation selbst.

„Der Kern ist also die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens, eines Unternehmensteils, einer Abteilung, eines Teams und letztlich der einzelnen Mitarbeiter. Danach ist es die Aufgabe einer agilen Personalarbeit, diese Anpassungsfähigkeit zu verbessern“, so Fischer. In dem Modell von Ulrich könne zwar einzelnen Rollen wie dem „Change Agent“ und „Strategic Partner“ diese Aufgabe zugeschrieben werden. Aber die bloße Implementierung des HRBP-Modells bringe – wenn überhaupt – nur einen geringen Nutzen für die Förderung von Agilität. Ob HR einen wirksamen Beitrag leisten kann oder nicht, kommt Fischer zufolge vielmehr auf die Ausgestaltung der einzelnen Rollen an.
Walter Jochmann, Geschäftsführer bei Kienbaum, hält die Rolle einer kundennahen HR-Funktion, eines personalwirtschaftlichen Beraters für Führungskräfte sowie Talente und Potenzialträger für weiterhin zeitgemäß. Jedoch könne sich in Zeiten virtueller Kommunikation sowie digital verfügbarer HR-Daten und Systeme das Betreuungsverhältnis dabei durchaus nach oben bewegen. Die Funktionsbezeichnung Business Partner erachtet Jochmann allerdings als zweifelhaft: „Dave Ulrich wollte damit die gesamte HR-Funktion benennen. Nach knapp 20 Jahren mehr oder minder erfolgreicher Etablierung von Drei-Säulen-Modellen mag die oft sehr anspruchsvoll – manchmal auch unrealistisch anspruchsvoll – beschriebene Jobrolle verbraucht sein.“ Neben Finanzen und Controlling ist HR die umfassendste Zentralfunktion. Dass diese etwas vom Geschäft versteht und sich auf strategische Schlüsselthemen und -positionen ausrichtet, sei mehr oder weniger selbstverständlich. „Auch Finanzen und IT haben ihr Zielgruppen-Modell und arbeiten mit Demand-Modellen – betrachten also die Anforderungen. Schon alleine deshalb ist eine einzelne Jobrolle ‚HRBP’ ein Mix aus Selbstverständlichkeit und einem Spagat zwischen People- und Business-Themen. Die Bezeichnung als HR-Partner wäre richtiger und passender“, sagt Jochmann.

Herausforderungen des digitalen Zeitalters

Nicht einzelne HR-Jobprofile, sondern den gesamten Personalbereich betrachtet die EWE AG als HRBP. Das regionale Multi-Service-Unternehmen mit Sitz in Oldenburg ist im Bereich Energie, Telekommunikation und Informationstechnologie tätig und beschäftigt rund 9.000 Mitarbeiter. Die Personalmanager des HRBP-Bereichs fungieren als erste Ansprechpartner für die verschiedenen Anliegen der unterschiedlichen Geschäftsfelder und Abteilungen und nehmen die Bedarfe auf. „Im Sinne von ‚One Face to the Customer’ geht es heute aber eher darum, zu verstehen, was gebraucht wird, zu beraten und über die dahinterliegende Vernetzung mit allen HR-Bereichen zu gestalten“, sagt Martin Daum, Leiter Personalmanagement bei EWE. Im Sinne des Unternehmensleitbildes ist der HRBP-Bereich gleichzeitig Dienstleister, Berater, Gestalter, Rahmengeber und strategischer Partner. Ganz streng genommen, würde bei Dave Ulrichs Modell eine Person eine Abteilung in allen HR-Fragen beraten und betreuen. „Aber die Anforderungen an den HR-Bereich sind heute derart vielfältig, dass eine einzelne Person diese Komplexität in der Beratung kaum abdecken kann“, so Daum. Vielmehr brauche es die Fähigkeit zur interdisziplinären Teamarbeit und zur Vernetzung mit allen relevanten Schnittstellen. „Daher müssen die entsprechenden Kompetenzen der Mitarbeiter natürlich auch regelmäßig weiterentwickelt werden. Man könnte also sagen, dass eine neuere Form des HR Business Partner-Modells gefragt ist – im Grunde ein ‚HR Business Partner 2.0’.“

Klar ist: Die Anforderungen haben sich verändert. In modernen Zeiten muss HR immer neue Aufgaben erfüllen. EWE beobachtet die Entwicklung, dass Verantwortliche im Konzern die HR-Abteilung zunehmend zu einem frühen Zeitpunkt in Projekte einbinden. Besonders in Zeiten von Veränderungsprozessen, wie sie in Teilen von großen Konzernen wie EWE kontinuierlich ablaufen, ist HR mehr denn je gefragt. Dies gilt vor allem auch für die Begleitung einzelner Unternehmen auf dem Weg zu einer agileren Struktur. Und: Im Zeitalter der Digitalisierung steht HR vor großen neuen Herausforderungen, für die nicht nur der EWE-Konzern Lösungen finden muss. Man denke nur an die riesigen Datenmengen, die schon heute und erst recht zukünftig zu bewegen sind. „HR muss die Mitarbeiter befähigen, sich in einem solchen digitalen Umfeld zurechtzufinden und intelligente, effektive Lösungen bereit stellen, damit sie erfolgreich arbeiten können“, sagt Silke Wenzel, Leiterin Kompetenzcenter Personal bei EWE.

Das Unternehmen sieht durchaus Entwicklungsbedarf, was das Modell des HRBP betrifft. Zukünftig möchte EWE das Modell öffnen und erweitern. Der gute Ansatz eines ersten Ansprechpartners sei jedoch noch nicht der Weisheit letzter Schluss: Es brauche zwingend die Arbeit in interdisziplinären Teams, um das Modell nachhaltig erfolgreich zu machen. „Im Zeitalter von Digitalisierung und Agilität verändert sich auch, wie der Einzelne wahrgenommen wird – unabhängig von früheren Hierarchien und festgelegten Organisationswegen. Es findet ein sehr viel offenerer Austausch über alle Ebenen hinweg statt“, sagt Wenzel. Auch hier sei HR als Partner der Business Organisation, der Führungskräfte und der Mitarbeiter gefragt.

Fokus auf die People-Dimension

Die Jobrolle des HRBP sollte sich zukünftig stärker in Richtung People-Dimension im jeweiligen Betreuungskreis konzentrieren, findet Jochmann. „Eine Refokussierung auf die reine People-Dimension inklusive Mitbestimmung, mit Coaching und ‚weicher Organisationsentwicklung’ sowie Change Management ist angebracht.“ Die HR-Gesamtorganisation ist seiner Ansicht nach nicht mit einem einfachen Drei- oder Vier-Rollenmodell abzubilden. Wichtig sei hingegen eine HR-Organisation, die das laufende Geschäft von den Veränderungsthemen trennt, die zudem Raum für digitale Innovationen gibt, Big-Data-Themen treibt und sich als agile Projektorganisation aufstellt. „Die alte Ulrich-Trennung zwischen „Centers of Competence“ und Service Centern hat aufgrund von IT-Herausforderungen nur teilweise funktioniert – noch heute finden sich HR-Bereiche, in denen deutlich mehr als 50 Prozent ihrer Gesamtaktivitäten administrativ-transaktional sind“, so Jochmann.

Ob das HRBP-Modell in Zukunft noch die richtige HR-Struktur für alle Unternehmen ist, darüber ist sich Stephan Fischer nicht sicher. „Vielleicht wird es nicht mehr die Unternehmensgröße sein, die eine solche Struktur intendiert, sondern der Grad des Anpassungsbedarfs der Organisation.“

Unternehmen mit einem eher geringen Anpassungsbedarf – beispielsweise wenn sich der Markt nur teilweise ändert – können vielleicht auch weiterhin mit dem HRBP-Modell erfolgreich sein. Unternehmen, die hingegen einen mehrdimensionalen Wandel erleben – hervorgerufen durch vollständige Marktveränderung –, müssen sich auch in HR neu ausrichten, vermutet der Wissenschaftler.

Die Entwicklungsmöglichkeiten der HR-Organisation sind vielfältig. Die Spannbreite reicht von „Weiterentwicklung des HRBP-Modells über den Ansatz der Reduzierung auf HR-Kernaufgaben sowie Einkauf aller zusätzlichen HR-Leistungen bis hin zur völligen Auflösung von HR und Verteilung der Aufgaben auf die Linie“, sagt Fischer. Ihm persönlich gefällt jedoch die Entwicklung von HR als „Agile Enabler“ am besten, die man gerade in kleineren und hoch agilen Unternehmen beobachten kann. Doch ob und inwieweit sich diese ebenfalls in großen Unternehmen durchsetzt, ist aktuell noch offen.

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Sven Lechtleitner, Foto: Privat

Sven Lechtleitner

Journalist
Sven Lechtleitner ist freier Wirtschaftsjournalist. Er hat ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie ein Fernstudium Journalismus an der Freien Journalistenschule in Berlin absolviert. Von November 2020 bis Juli 2022 war er Chefredakteur des Magazins Human Resources Manager.

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