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Kommunikation ohne Social Media oder Messenger-App? Kaum vorstellbar in der externen Kommunikation. Doch auch innerhalb des Unternehmens brechen in Sachen Kommunikation neue Zeiten an. Das mobile Intranet liegt im Trend und verdrängt das klassische Portal.

Die Nachricht via WhatsApp, das Posting auf Facebook, der Tweet zwischendurch: Kommunikation hat sich im Laufe vergangener Jahre verändert. Smartphones und Tablets ermöglichen den immerwährenden Austausch – von jedem Ort und zu jeder Zeit. Kommunikation zeigt sich nicht nur zunehmend digitaler, sie gestaltet sich immer mobiler. Taktung und Geschwindigkeit nehmen deutlich zu.

Dieser Wandel der Kommunikationskultur macht sich auch in der Arbeitswelt bemerkbar. Das Intranet als Dokumentenablage, internes Telefonbuch oder bloße Informationsbereitstellung, diese Zeiten neigen sich langsam dem Ende. Interner Austausch passt sich zunehmend der Lebenswelt an.

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Dass mobiles Intranet an Bedeutung gewinnt, zeigt die aktuelle Studie „Intranet – Marktübersicht und Trends 2017“ von Hirschtec und der School for Communication and Management. Die Hamburger Agentur Hirschtec ist auf die Einführung von Intranets und Mitarbeiterportalen spezialisiert. Bei mobilen Intranet-Lösungen geht es darum, Mitarbeiter mit redaktionellen Inhalten auf ihren mobilen Endgeräten zu erreichen, ihnen Services oder virtuelle Räume für die Team-Kommunikation zur Verfügung zu stellen. „Smartphone und Tablet-PC haben sich mittlerweile für viele Menschen zur ‚Fernbedienung des Lebens‘ entwickelt“, sagt Lutz Hirsch, geschäftsführender Gesellschafter bei Hirschtec.

„Gerade auf Bahnfahrten zur oder von der Arbeit gehört der Blick auf das Display zum alltäglichen Erscheinungsbild. Das ist genau die Zeit, in der Mitarbeiter gerne auch News aus ihrem Unternehmen lesen. Die mobile Intranet-Nutzung rückt damit verstärkt in den Fokus.“ Und: Sie werde insbesondere für produktionsintensive Betriebe mit einem hohen Anteil an Mitarbeitern ohne eigenen PC immer wichtiger, um alle Mitarbeiter im Unternehmen zu erreichen.

Die zunehmende Bedeutung mobiler, interner Kommunikation beobachtet auch Thorsten Riemke-Gurzki, Professor für Web-Technologien, Unternehmensportale und Usability an der Hochschule der Medien in Stuttgart. „Dieses Themenfeld lag lange Zeit brach, selbst einige Software-Anbieter konnten sich keinen rechten Nutzen vorstellen.“ Das habe sich mittlerweile deutlich geändert. „Zum einen erkennen viele Kommunikationsverantwortliche das Potenzial für die Unternehmenskommunikation. Zum anderen kennen und schätzen die Mitarbeiter privat mobile Informations- und Kommunikationsangebote und möchten diese auch beruflich einsetzen.“ Zudem erwarten Absolventen abhängig von ihrer Fachrichtung sogar das Vorhandensein von mobilen Angeboten im Unternehmen, sagt Riemke-Gurzki. Seine Erfahrung aus der Praxis: „Heute kann kein Unternehmen mehr den Kopf in den Sand stecken. Bietet das Unternehmen das nicht an, nutzen die Mitarbeiter von sich aus Apps der sozialen Netzwerke. Dann aber ohne Kontrolle und wider jeder Compliance.“

Mobile Lösungen seien am besten für eine schnelle, kurzfristige Kommunikation tagesaktueller Informationen geeignet, sagt der Wissenschaftler. Eine besondere Bedeutung komme der multilateralen Kommunikation zu: „Mobile Geräte ermöglichen dem Mitarbeiter eine schnelle Kommunikation mit dem Unternehmen und den Kollegen. Darüber hinaus sind Teilprozesse des Unternehmens – wie die Zeiterfassung und Reisekostenabrechnung – ebenfalls interessant. Hinzu kommen unternehmensspezifische Prozesse, die dann einen echten Wettbewerbsvorteil für ein Unternehmen darstellen können. Mobile Lösungen müssen aber in jedem Fall Teil einer Digitalstrategie der internen Unternehmenskommunikation sein, die alle Kanäle umfasst“, so Riemke-Gurzki.

Gruppen-Aktivitäten in Echtzeit

Eine Intranet-Suite mit verschiedenen Funktionen hat der Tiefkühlkosthersteller Frosta vor etwa zwei Jahren eingeführt. Der Hintergrund: Es gab ein schlechtes Umfrageergebnis zur Kommunikation im Unternehmen und viele Mitarbeiter hatten das Gefühl, nur vage informiert zu sein.

„Jetzt haben wir ein System, das zwar klein ist, aber eigentlich alles kann – sozusagen ein kleines Schweizer Taschenmesser“, sagt Andrea van Bezouwen, Intranet-Koordinatorin bei Frosta. Die Anwendung beinhaltet einerseits redaktionelle Inhalte, andererseits sogenannte Social-Module. „Der Social-Aspekt bezieht sich auf den Activity Stream, eine Timeline ähnlich wie bei Facebook. Mitarbeiter können Arbeitsgruppen, an denen sie beteiligt sind, hinzufügen und erhalten dann entsprechende Meldungen in ihrer Timeline. Der Stream zeigt in Echtzeit, was in meinen jeweiligen Arbeitsgruppen passiert.“
Jeder Mitarbeiter erhält somit individualisierte Meldungen und ist immer auf dem Laufenden. Insbesondere für Mitarbeiter mit Social-Media-Erfahrung eigne sich das gut. „Technisch nicht so affine Mitarbeiter unterstützen wir mit Schulungen“, sagt van Bezouwen.

Das interne soziale Netzwerk mit dem Namen myFRoSTA basiert auf dem System von Bitrix24. Bei der Anbieterauswahl legte das Unternehmen besonderen Wert darauf, dass die Anwendung auch Workflows unterstützt. Und: Bitrix24 ist webbasiert. So kann jeder Mitarbeiter das Intranet von zu Hause aus oder im Büro, per Desktop oder App, auf dem Rechner oder Smartphone verwenden. „Egal, ob Dienst- oder Privathandy – jeder darf es zu Hause nutzen“, sagt die Intranet-Koordinatorin. „In der mobilen Version stehen die kommunikativen Elemente im Vordergrund, falls Mitarbeiter Gruppenaktivitäten gegebenenfalls auf dem Heimweg bearbeiten möchten. Hier haben News und redaktionelle Inhalte eher hintergründigen Charakter.“ Zu redaktionellen Inhalten zählt van Bezouwen Unternehmens- und Nachrichten ihrer vier Standorte sowie der Verkaufsbüros im Ausland. „Einen ganz wichtigen Teil nehmen HR-Nachrichten ein. HR hat ein eigenes Widget mit allen relevanten News wie zum Beispiel Personalwechsel.“

Dies sei gerade bei dezentralen Unternehmen ein wesentlicher Aspekt. Neue redaktionelle Inhalte steuern die Teams ebenfalls via Intranet. Sie diskutieren online über Themen und stimmen Beiträge ab. Ebenso spiele Mobilität eine große Rolle. So sei es für Sales-Mitarbeiter bei Frosta nicht nur wichtig, an die Mails zu kommen, sondern auch mit ihrem Team chatten zu können.„Neue Technologien sorgen dafür, dass die interne Kommunikation auf ein neues Level gehoben wird“, sagt Hirsch. „Dank moderner Technologien kann diese heute via mobile Endgeräte immer und überall stattfinden.“ Ein erster möglicher Schritt aus Sicht von Hirsch: Managed Content und Push-Nachrichten auf mobilen Endgeräten ausspielen und sich auf das Thema Informationsvorsprung konzentrieren. So lasse sich schnell eine hohe Akzeptanz und Reichweite der mobilen internen Angebote erreichen. In weiteren Schritten ließen sich dann Themen wie Prozesse und Zusammenarbeit einführen. Kurzum ein „Intranet für die Kittel- oder Westentasche“, wie es der Agentur-Geschäftsführer formuliert. Auf diese Weise sei direkter, schneller und standortübergreifender Austausch möglich.

Aber Hirsch ist sich möglicher Nachteile bewusst. Die flächendeckende Verbreitung von dienstlichen Smartphones oder Tablets sei heute immer noch eher die Ausnahme. „Im Hinblick auf Datenschutz und IT-Compliance gibt es zudem durchaus gute Gründe, sensitive Informationen, Daten und Dokumente nicht über mobile Geräte verfügbar zu machen“, sagt Hirsch.

Unsichtbare Hierarchieebenen

Die Ansprache von Mitarbeitern an jedem beliebigen Ort sieht auch Riemke-Gurzki als wesentlichen Vorteil an. „Aber dies ist gleichzeitig auch ein Nachteil. Denn: Wir müssen Mitarbeiter letztlich davor schützen, rund um die Uhr das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen, wenn mobile Geräte nicht online sind.“ Die Arbeit über mobile Lösungen ermöglicht einen schnelleren Informationsfluss im Unternehmen und einen Austausch der Mitarbeiter untereinander. „Auch das hat seine Schattenseite: Gerade weil vieles ad hoc kommunzierbar ist, besteht die Gefahr, das Gefühl für Planung und Sorgfalt zu verlieren“, so der Wissenschaftler. Das fange bei Meetings an, die Teilnehmer per Nachricht auf „fünf Minuten später“ verlegen. Eine digitale Unternehmenskultur sei notwendig.

Van Bezouwen findet es in der Auswirkung auf die Kommunikation neu und interessant, dass, wenn eine mobile Intranet-Lösung einmal eingeführt ist, eigentliche Hierarchieebenen nicht mehr sichtbar seien. „Es macht viel transparent, das muss ein Unternehmen vertragen können.“ Transparenz sei auch einer der Faktoren für eine erfolgreiche Einführung. „Ein Unternehmen mit starken Hierarchien könnte es schwerer haben. Kommunikation findet mehr oder weniger öffentlich statt – auch Fragen an den Vorstand. Es können viele Diskussionen entstehen und heikle Informationen hochkommen. Darüber muss man sich im Klaren sein“, sagt van Bezouwen. Mobile interne Kommunikation verändert die Art, wie wir arbeiten.

Dass es klassische Karrieren im Alleingang – gegebenenfalls durch Herrschaftswissen – zukünftig noch gibt, kann sich van Bezouwen nicht vorstellen. „Teamarbeit und Austausch stehen im Mittelpunkt. Diese Punkte haben einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Es geht darum, Informationen proaktiv zu teilen. Mitarbeiter sollen Freude daran haben, ihr Wissen allen zur Verfügung zu stellen.“ Dafür müsse jedoch grundlegendes Vertrauen zur Führungsebene bestehen, sonst gebe ein Mitarbeiter sein Wissen nicht preis.

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Sven Lechtleitner, Foto: Privat

Sven Lechtleitner

Journalist
Sven Lechtleitner ist freier Wirtschaftsjournalist. Er hat ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie ein Fernstudium Journalismus an der Freien Journalistenschule in Berlin absolviert. Von November 2020 bis Juli 2022 war er Chefredakteur des Magazins Human Resources Manager.

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