Grenzschwund zwischen Privatleben und Arbeitsplatz

Rezension

Auf Mark Scouts Schreibtisch steht kein Foto seiner Familie, sondern eines von ihm und seinem dreiköpfigen Team. Das liegt nicht an der Clean-Desk-Policy des Arbeitgebers Lumon Industries, in dessen ominösen Datenteam er arbeitet. Grund ist stattdessen, dass die vier – wie viele andere Beschäftigte in dem riesigen Bürokomplex – keinen Bezug zu ihrem Privatleben haben. Die Hauptfiguren der Serie, deren erste Staffel mit neun Folgen seit dem Frühjahr auf Apple TV gestreamt werden kann, haben sich einem chi­rurgischen Eingriff unterzogen, der sogenannten Severance. Beim Eintritt ins Unternehmen willigten sie ein, ihre Privat- und Arbeitsrealitäten voneinander trennen zu lassen. Nach einem Schnitt am Oberkopf verfügen sie über zwei Daseinsformen, verniedlichend Innie und Outie genannt: Sie verlieren fortan mit morgendlichen Betreten des Firmengebäudes alle Erinnerungen an ihr Leben außerhalb des Konzerns. Sie kennen weder den eigenen Nachnamen, noch wissen sie, ob sie verheiratet sind oder Kinder haben. Begeben sie sich am Abend zurück in den Fahrstuhl, schaltet sich wiederum das Bewusstsein ihrer Arbeitsexistenz aus.

Regisseur Ben Stiller hat mit der Serie eine beklemmende Arbeitsdystopie geschaffen. Die in einem sektenartig organisierten Arbeitskosmos gefangenen Innies fügen sich teils in ihr Schicksal, andere rebellieren dagegen. Die Outies haben die Trennung indessen willentlich veranlasst. Dabei verfolgen sie unterschiedliche Motive. So hat sich Protagonist Mark nach dem Unfalltod seiner Frau dafür entschieden, sein Ich aufspalten zu lassen – um seiner Depression zumindest acht Stunden am Tag zu entkommen.

Schon klar, das ist Science-Fiction. Aber angesichts der Dauerbrennerdebatte über Balanceakte von Work und Life regt das Gedankenexperiment dazu an, auszuloten, was eine drastische Grenzziehung bedeuten würde. Wir haben drei serienbegeisterte HR-Fachleute um ihre Einschätzung dazu gebeten.

In der US-amerikanischen Science-Fiction-Serie Severance werden strikte Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben gezogen. Durch einen freiwilligen chirurgischen Eingriff an den Gehirnen der Angestellten einer New Yorker Firma namens Lumon Industries werden die Erinnerungen an ihre Arbeit von den Erinnerungen an ihr Privatleben getrennt. Regie führten Ben Stiller und Aoife McArdle.

Drei Meinungen zur Serie

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Grenzen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Anne Hünninghaus, Foto: Jana Legler

Anne Hünninghaus

Anne Hünninghaus ist Journalistin und Redakteurin bei Wortwert. Sie war von Januar bis Oktober 2019 Chefredakteurin i. V. des Magazins Human Resources Manager. Zuvor arbeitete die Kultur- und Politikwissenschaftlerin als Redakteurin für die Magazine politik&kommunikation und pressesprecher (heute KOM).

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