Der Grad erreichter Teilhabe (Inclusiveness) und das Gefühl von echter Zugehörigkeit (Belonging) interessiert immer mehr Unternehmen. Es gibt etliche „harte“ KPIs, die in HR Dashboards oder Scorecards erhoben und den Führungsgremien regelmäßig zur Steuerung berichtet werden (zum Beispiel Behindertenquote, Altersstrukturanalysen, Anzahl Männer und Frauen auf Führungsebenen). Darüber hinaus lassen sich auch kulturelle Entwicklungen mittels Employee Surveys, also den (jährlichen) Befragungen der Mitarbeiter:innen, sehr gut tracken. Diese Form der Abfrage ermöglicht es, über längere Zeiträume hinweg die Veränderungen in der Organisation zu erfassen und Schwerpunkte für die strategische Personalarbeit zu identifizieren, die sich durch reine Quartalszahlen nicht ganz so einfach abbilden lassen. So kann der „Puls“ der Organisation etwa bezüglich des Vertrauens, gegenseitigen Respekts oder der gelebten Wertschätzung besser in wiederkehrenden qualitativen Befragungen der Mitarbeiter:innen erfasst werden. Hier ist allerdings auf das Design der zu bewertenden Aussagen oder die Formulierung von Fragestellungen zu achten, um für eine konsequente Steuerung tatsächliche Relevanz zu haben:
1.) Fragen zu Diversity und Inclusiveness sollten nicht zu unverblümt gestellt werden. Wenn man etwa wissen möchte „Haben Sie sich schon einmal diskriminiert gefühlt?“ oder Aussagen bewerten soll wie „Bei uns haben alle dieselben Chancen“ oder „Bei uns im Unternehmen werden alle Menschen gleichbehandelt“, wird man entweder sozial erwünschte Antworten erhalten oder nicht zwingend die Wirklichkeit in den Unternehmensreihen abbilden. Denn Begriffe wie „Diskriminierung“, Chancen“ und „Gleichbehandlung“ sind im Alltagsverständnis sehr unterschiedlich konnotiert und können daher bei der Abfrage zu gänzlich unterschiedlichen Auslegungen führen. Auch so unspezifische Aussagen wie „Meine Führungskraft geht angemessen mit Diversity-Themen im Team um“ oder „Meine Firma setzt sich für Diversity & Inclusion (D&I) ein“ sind in ihrer Aussagekraft begrenzt. Es wäre zu spezifizieren, was denn genau mit „angemessen“ und mit „Themen“ gemeint ist. Denn: Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, wenn die Antworten der Mitarbeitenden darauf nicht zustimmend ausfallen? Und was bedeutet „Einsatz“ für Diversity & Inclusion? Hat die Firma eine teure Image-Kampagne gelaunched oder sind die Bemühungen nachhaltig und gibt es sichtbare Verbesserungen?
Nach meiner Erfahrung hat sich bewährt, vom eigenen Erleben auszugehen und die Formulierung der Aussagen aus der eigenen Perspektive vorzunehmen. Das hilft in der Interpretation und Differenzierung der Auswertung. Beispiel: Ich kann mich persönlich (als Weiße Frau) sehr zugehörig zu meinem Team fühlen, aber dennoch wahrnehmen, dass mein Team insgesamt nicht inklusiv oder vielleicht sogar ausgrenzend handelt (zum Beispiel dass die Perspektiven von Schwarzen Kolleg:innen weniger regelmäßig eingeholt oder wertgeschätzt werden). Dementsprechend würden auch die als notwendig identifizierten Maßnahmen unterschiedlich ausfallen müssen.
2.) Es sollten tatsächlich nur Fragen gestellt werden, mit deren Erkenntnissen man wirklich etwas anfangen will. Das mag banal klingen, ist aber oft die Krux: Vor lauter Mess-Faible ist man schnell in einer “analysis paralysis” gefangen, verwendet mehr Zeit auf die Auswertung als auf die eigentliche Umsetzung an Maßnahmen. Daher lieber weniger, dafür aber präzise Fragen stellen, um auch die Erwartungen bei den Beschäftigten nicht zu enttäuschen (warum werde ich sonst auch befragt?), die die Unternehmensleitung später bei der Ableitung potentieller Maßnahmen gar nicht erfüllen kann.
Was also sind relevante und praktikable Aussagen zu D&I, die sich gut in einer Befragung von Mitarbeiter:innen entweder entlang inhaltlicher Cluster (Karriere, Zusammenarbeit, Werte und so weiter) oder struktureller Verantwortlichkeiten (Individuum, Führungskraft, Team) verwenden lassen?.
Belonging – wie sehr fühle ich mich zugehörig?
- Meine Kolleg:innen geben mir das Gefühl, zu einem Team zu gehören.
- Ich vertraue den Kolleg:innen in meinem Team.
- Ich werde ermutigt, neue und bessere Methoden zur Erledigung von Aufgaben einzubringen.
- Ich habe den Eindruck, dass meine Meinung gehört und meine Beiträge wertgeschätzt werden.
- Ich werde darauf vorbereitet, effektiv mit Kund:innen aus anderen Ländern und mit anderem kulturellen Hintergrund zusammenzuarbeiten.
- Ich kann meine beruflichen Verpflichtungen so gestalten, dass es mir möglich ist, mein Arbeits- und Privatleben im Gleichgewicht zu halten.
- Ich habe die Flexibilität, die ich brauche, um meine persönlichen und beruflichen Ziele zu erreichen.
- In arbeite in einem Umfeld, in dem Mitarbeiter:innen mit unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Werdegängen erfolgreich sein können.
- Meine Firma hat ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem ich mich nicht verstellen muss.
- Im Büro kann ich ich selbst sein.
Inclusive Leadership – relevante Eigenschaften meiner Führungskraft
- Meine Führungskraft regt mit aufrichtigem Interesse neue Ideen und Vorschläge an und nimmt diese ernst.
- Meine Führungskraft ermutigt und respektiert unterschiedliche Sichtweisen, Perspektiven und Arbeitsweisen.
- Meine Führungskraft gibt mir die Unterstützung, die ich brauche, um erfolgreich zu sein.
- Meine Führungskraft fördert flexible Arbeitszeiten und -orte der Mitarbeiter:innen.
- Meiner Führungskraft ist mein gesundheitliches Wohlbefinden wichtig.
Inclusive Teaming – gemeinsam besser zusammenarbeiten
- Meine Kolleg:innen halten sich an den Verhaltenskodex unserer Firma.
- In meinem Team wird unangemessenes oder unprofessionelles Verhalten offen adressiert.
- In meinem Team ist es in Ordnung, Fehler zuzugeben.
- Meine Kolleg:innen passen ihren Arbeitsstil jeweils an, um effektiv mit anderen zusammenzuarbeiten.
- Meine Kolleg:innen suchen aktiv nach unterschiedlichen Ideen und Perspektiven, um zu einer geeigneten Lösung zu gelangen.
- In meinem Team werden Konflikte konstruktiv gelöst.
Es lohnt sich auch, für die Auswertung demografische Komponenten hinzuzufügen (zum Beispiel Gender, Altersgruppe, pflegebedürftige Angehörige, Kinder), die dann weitere Auskunft über einzelne Zielgruppen und deren Bedarfe geben können. Auch hier gilt es genau zu überlegen, wie weit diese Auswertungen am Ende heruntergebrochen werden sollen, um noch sinnvoll steuern zu können. Denn Befragungen sind kein Selbstzweck, sondern nur Gradmesser einer gelebten (Vielfalts-)Kultur. Die eigentliche Arbeit beginnt erst danach.
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