Aufwachen – so sind People-Strategien nicht zukunftsfähig!

Eine Frage der Einstellung

Eine der größten Herausforderungen, vor der Chief Executive Officers bis 2030 stehen werden, ist die eigene Positionierung auf dem Talentmarkt. Sie wird entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens sein – schließlich sind es im demografisch prognostizierbaren Fachkräftemangel die Mitarbeitenden, die das Geschäft entweder abheben oder schlimmstenfalls abstürzen lassen. Entsprechend muss es die höchste Priorität von Chief Executive Officers und People-Teams sein, die vielfältigen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden in den Fokus zu stellen, um ihnen langfristig eine berufliche Heimat zu bieten. Damit das klappt, brauchen wir neue Strategien, denn die bestehenden wurden in anderen und für andere Phasen der Wirtschaft entwickelt!

Unternehmen haben verschlafen, People-Teams auf die Zukunft vorzubereiten

Aufgabe von CEOs ist es, für mehrere Jahre in die Zukunft zu denken und agieren zu müssen, um das Unternehmen auf alle Entwicklungen gut vorbereiten zu können. Entsprechend müsste der oder die Chief People Officer, stellvertretend für die höchste HR-Position in einem Unternehmen, mindestens ein Jahr vorausdenken. Denn wenn Arbeitskraft zum Engpass wird, basiert der Businessplan des Unternehmens auf dem Zugang zu Menschen – nicht andersherum. Die aktuelle Marktsituation und die damit einhergehenden, sich ständig verändernden Bedingungen und Anforderungen stellen HR-Teams kurz- und mittelfristig vor nie dagewesene Herausforderungen. Der Druck auf People-Teams seitens der Geschäftsleitungen und Unternehmensabteilungen, die händeringend intern oder extern offene Stellen besetzen müssen, war noch nie höher. Und die Anspannung kommt aus drei Richtungen: Noch nie waren so viele Menschen in Deutschland gleichzeitig erwerbstätig, noch nie war die Anzahl der vakanten Jobs gleichzeitig auf einem derart hohen Mittelwert und noch nie haben so viele Menschen bekundet, offen für einen Jobwechsel zu sein. Gleichzeitig wurde vielerorts komplett verpasst, Personalverantwortliche auch nur ansatzweise auf das vorzubereiten, was sich tatsächlich bereits seit einigen Jahren abgezeichnet hat.

Während beispielsweise der Umgang mit Daten – die Erhebung, Analyse und das Lernen daraus – in kaum einem Geschäftsbereich mehr wegzudenken ist, werden Data Insights im Recruiting noch immer vernachlässigt. Dabei müssten Daten der Kern aller Recruiting- und Retention-Maßnahmen sein statt auf ”Post and Pray” zu setzen.

Auch strategisch werden People-Verantwortliche fatalerweise viel zu häufig außen vor gelassen – dabei können sie eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Unternehmens spielen und sind so viel mehr als nur eine Kostenstelle. Tatsächlich sollten sie eine aktive Rolle bei der Geschäftsplanung eines Unternehmens übernehmen. Und zwar mit allen Pflichten und Freiheiten, die dazugehören – von der Erarbeitung neuer Strategien bis hin zu datenbasierten Prognosen, um einen langfristigen Talent Funnel aufzubauen. Gerade für Letzteres kann man sich (wie so häufig im Recruiting) ausgezeichnet einer Sales-Analogie bedienen und Metriken wie Customer Acquisition Cost (CAC) und Customer Lifetime Value (CLV) heranziehen und diese auf die Talentakquise übertragen – Talent Acquisition Cost und der Lifetime Value einer besetzten Position wären das Äquivalent. Auch hier lässt sich ein Return Of Invest (ROI) für nahezu alle Maßnahmen berechnen. In der Folge kann jede Kündigung in Kosten für Vakanz und Wiederbesetzung umgerechnet werden, genauso wie jede externe Personalbesetzung.

Schritt für Schritt zur neuen People-Strategie

Aus HR-Abteilungen müssen People-and-Culture-Abteilungen werden, die zudem gut in die verschiedenen Geschäftsbereiche integriert sind. Dazu gehört beispielsweise auch die Definition der Rollen und Zuständigkeiten der zukünftigen Personalabteilung und wie diese untereinander, mit dem Vorstand und den Geschäftsbereichen, interagieren. Denn: Um zukünftig erfolgreich Stellen zu besetzen, zu entwickeln und attraktiv zu vermarkten, werden mehr denn je interdisziplinäre Fähigkeiten im Team benötigt. Vom klassischen Abteilungsdenken müssen wir uns verabschieden. Es geht darum, flexibel reagieren zu können und die richtigen Fähigkeiten zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben.

Fest steht aber natürlich auch: Eine Strategie ist eben nur eine Strategie – die eigentliche Kunst liegt darin, sie zum Leben zu erwecken und in die Unternehmenskultur einzubetten. Und die Kultur spielt ohne Frage eine besondere Rolle für die People-Abteilungen der Zukunft – beim Recruiting ebenso wie beim Thema Retention. In beiden Fällen wird die Bedeutung von strategischer Personalentwicklung und flexiblen Arbeitsmodellen weiter zunehmen. Was für Menschen am Schreibtisch schon halbwegs funktioniert, muss nun auch für die Angestellten übersetzt werden, die in Fabrikhallen, Restaurants oder im Handwerk arbeiten.

Chief Executive Officers und Vorstand an Bord holen

Oft genug sind es die People-Teams selbst, die erkennen, dass sich etwas grundlegend ändern muss. Doch wie überzeugt man den Chief Executive Officer und den Vorstand, deren Priorität meist eben noch der Umsatz oder das Produkt und noch nicht die People-Themen sind? Dies geschieht vor allem mit Hilfe einer neuen Fähigkeit: andere mit Hilfe von Daten und visionärem Storytelling zu überzeugen. Dazu gehört es, eine einzigartige Perspektive auf die Zukunft des Unternehmens zu entwickeln und zu verstehen, wie sich verschiedene Szenarien in der People-Strategie darauf auswirken würden: Und zwar indem externe ebenso wie interne Daten herangezogen werden und die Personalverantwortlichen in der Lage sind, die Zahlen zu interpretieren und sie mit ihrer Vision und Strategie in Einklang zu bringen. Nur so können sie die traditionelle Auftragshierarchie (Geschäftsführung und Unternehmensabteilungen melden Personalbedarf im People-Team an) in Frage stellen und zum Vorteil aller umdrehen.

Fazit

Meine These für die People-Teams der Zukunft? Sie werden interdisziplinärer denn je sein, eine tiefe Daten- und Analytics-Expertise benötigen und Tools zur Skalierung nutzen. Vor allen Dingen werden sie zu Beginn der Businessplanung mit am Tisch sitzen und nicht erst, nachdem der Plan verabschiedet wurde. Die Verantwortlichen werden daher ein Jahr in die Zukunft denken und handeln – denn sonst droht ein böses Erwachen, wenn der Umsatz zwar geplant ist, aber die Menschen fehlen, um ihn zu realisieren. Die kommenden Monate werden zeigen, ob und wie lange Unternehmen noch mit den alten Taktiken bestehen können – am Ende reguliert sich der Markt ja bekanntlich selbst.

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Robin Sudermann

Robin Sudermann

Robin Sudermann ist CEO und Co-Founder des HR-Tech-Unternehmens talentsconnect. Seit Ende August 2022 schreibt er in seiner Kolumne "Eine Frage der Einstellung" über die kleinen und großen Anfänge am Arbeitsplatz und die Zukunft von Einstellungsverfahren.

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