People-and-Culture-Abteilungen versprechen sich von neuen HR-Dienstleistern mehr Zeit, um sich um die Belange ihrer Mitarbeitenden zu kümmern. Auch um den Herausforderungen unserer Zeit mit neuen Ansätzen und Strategien begegnen zu können, ist HR-Tech ein Schlüssel zum Erfolg. Denn vor dem Hintergrund von Demografie, Digitalisierung und Wertewandel ist klar: HR-Tech-Lösungen helfen dabei, Recruiting (die richtigen Menschen zu gewinnen) und Retention (die richtigen Menschen zu halten) sicherzustellen und leisten damit einen wichtigen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.
So steht es um den HR-Markt
Wenn man sich den HR-Markt und die vorherrschenden Trends genauer ansieht, wird schnell deutlich, dass die Branche bereit ist, durchzustarten. Die Größe und das Wachstum des Marktes sind signifikant: Der globale HR-Markt weist ein Volumen von 630 Milliarden Euro auf, während der deutsche HR-Markt immerhin 40 Milliarden Euro umfasst. Besonders bemerkenswert ist, dass 40 Prozent aller europäischen HR-Tech-VC-Investitionen im Bereich Retain stattfinden, was auf ein enormes Interesse und Potenzial in diesem Sektor hindeutet. Gleichzeitig finden die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr mit deutlich mehr Bedacht und Realitätssinn statt.
Ein Grund für den Boom sind unter anderem diese drei Trends:
- Hohe Nachfrage nach innovativen Lösungen: Der Fachkräftemangel hat den War for Talents deutlich verschärft und erhöht die Nachfrage nach Angeboten im Bereich Recruiting und Retention. Unternehmen sind gezwungen, sich auf das Halten und Binden von Talenten zu konzentrieren, um im Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen zu können. Dies steigert die Nachfrage nach Lösungen, um Mitarbeitende langfristig für das Unternehmen zu gewinnen und zu binden.
- Digitalisierung nimmt umfassend Einzug: Die Digitalisierung von HR-Themen und das boomende HR-Tech-Segment beeinflussen die ganze Branche. Moderne Technologien wie künstliche Intelligenz, Big Data und automatisierte Prozesse ermöglichen Personalabteilungen, ihre Arbeitsweise grundlegend zu verändern und effizienter zu gestalten. Diese Entwicklungen haben das Potenzial, den HR-Markt weiterhin stark wachsen zu lassen, indem sie sowohl für Unternehmen als auch für Mitarbeitende spannende Lösungen bieten.
- Retention-Lösungen um Wechselbereitschaft entgegenzuwirken: Entwicklungen wie die Great Resignation und ein Phänomen wie Quiet Quitting führen zu einem regelrechten Boost im Segment Retention. Die hohe Wechselbereitschaft der Mitarbeitenden zwingt Unternehmen dazu, verstärkt in Retention-Lösungen zu investieren, um ihre Mitarbeiter langfristig an sich zu binden.
Fülle an HR-Tech-Lösungen: zwischen Overchoice-Effekt und Überforderung
Der große HR-Tech-Markt bietet also ein enormes Potenzial für Unternehmen. Täglich kommen neue Start-ups auf den Markt, die potenziell passende Lösungen im Gepäck haben. Stand April 2023 sind es inzwischen 412 Unternehmen in der DACH-Region, die sich mit HR-Tech befassen.
Doch es gibt eine große Herausforderung: Die Personalabteilungen können mit der Vielzahl an Möglichkeiten kaum Schritt halten und fühlen sich zunehmend überfordert. Um ein Stimmungsbild zu bekommen, habe ich unter meinen Linkedin-Followern eine Umfrage zum Einsatz von HR-Tech durchgeführt – über 300 Menschen haben abgestimmt. Die Frage lautete: „Fühlst Du Dich von der Fülle der HR-Tech Lösungen im Markt überfordert?“. Das Ergebnis schwarz auf weiß zu lesen, war dann doch erschreckend. Immerhin 62 Prozent der Befragten gaben an, sich tatsächlich überfordert zu fühlen.
Wir müssen uns also die Frage stellen: Wie können Unternehmen dieser (drohenden) Überforderung entgegenwirken und sich im HR-Tech-Dschungel zurechtfinden?
Hilfreiche Tipps aus der Praxis
Wie bei den meisten People & Culture-Themen geht es auch hier darum, das Vorhaben strategisch und mit Bedacht anzugehen – mit den folgenden Tipps lichtet sich der HR-Tech-Dschungel:
- Zunächst einmal sollten sich Personalverantwortliche einen Gesamtüberblick verschaffen, was es am Markt überhaupt gibt – zum Beispiel durch den HR-Tech Overview, Fachliteratur oder Podcasts als praxisnahen Deepdive zum Thema
- Für eine erste Vorauswahl an passenden Tools geht es dann darum zu identifizieren, was die größten unternehmerischen Herausforderungen sind – etwa eine hohe Fluktuationsrate oder zu wenige passende Bewerbungen. Dabei sollten Unternehmen den Blick unbedingt auch aufs Morgen richten und sowohl kurzfristig als auch, mittel- bis langfristig denken. Beispielsweise gehen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in vielen Unternehmen in Kürze ganze Alterskohorten in den Ruhestand – um den Folgen entgegenzuwirken, muss man bereits heute aktiv werden.
- Auch die bestehende HR-IT-Infrastruktur spielt eine Rolle – man sollte in Erfahrung bringen, wie diese generell beschaffen ist und dann von den „Must-haves“ zu den „Nice to haves“ analysieren. Ein Beispiel: Ein Applicant-Tracking-System ist für die meisten Unternehmen ein Must-have. Es macht entsprechend Sinn, sich zunächst genau darum Gedanken zu machen und erst danach zu überlegen, welche Add-on-Tools für das Thema Recruiting angebunden werden sollen beziehungsweise können.
- Wenn man diese Vorarbeit geleistet hat, ist die Zahl der potenziell passenden Tools schon deutlich geschrumpft. Nun ist der Austausch mit anderen besonders hilfreich und wertvoll, um von den Erfahrungen Gleichgesinnter zu profitieren. Das geht beispielsweise auch über QUEB – Bundesverband für Employer Branding & Recruiting oder andere Institutionen. Auch Testberichte wie „OMR Reviews“ liefern eine gute Orientierung.
- Alle Stakeholder – von Geschäftsleitung bis Mitarbeitende – sollten möglichst früh ins Boot geholt werden. Das umfasst Überzeugungsarbeit durch Daten, Fakten und Zielsetzungen ebenso wie die interne Kommunikation rund um den Roll-out.
- Zeit und Geld sind auch hier zwei entscheidende Faktoren – die Verantwortlichen sollten einerseits genügend Zeit fürs Planen und Testen einplanen und sich ebenso um Angebotsvergleiche und Kosten-Nutzen-Analysen kümmern.
Wie bei allen einschneidenden Veränderungen in der Arbeitswelt, ist ein gewisses Maß an Überforderung völlig normal – schließlich sind wir gezwungen, unsere Komfortzone zu verlassen. Die große Kunst liegt darin, dieser zeitweiligen Überforderung offen und neugierig entgegenzuwirken.
Wenn die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden, können Unternehmen durch den Einsatz von smarten HR-Tech-Lösungen Großes bewirken. Das Ziel ist dabei klar: People-and-Culture-Teams durch den smarten Einsatz von Technologien Zeit für das wirklich Wichtige zu verschaffen – ihre Mitarbeitenden.
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